D: Nach Raue legt Ex-Ministerin Missbrauchsgutachten vor
Deutschlands frühere
Gesundheitsministerin Andrea Fischer hat dem Jesuitenorden ein Sondergutachten über
die Missbrauchsfälle in dessen Einrichtungen vorgelegt. Der 20-seitige Bericht wurde
am Montag veröffentlicht. Die Ergebnisse stimmen im Großen und Ganzen mit denen der
Missbrauchsbeauftragten der Jesuitenprovinz Ursula Raue überein: Aufklärungswillen
habe der Orden gezeigt, als „pädagogische Institution und moralische Autorität“ habe
er jedoch versagt.
Der Orden habe „aufrichtiges Interesse daran zeigt,
dass die Aufklärung erfolgt und dass keine Ergebnisse verschwiegen werden, mögen sie
auch noch so unangenehm sein“, bescheinigt Fischer dem Orden im Gutachten. Bis zur
öffentlichen Thematisierung der Vorgänge habe der Orden bei den gemeldeten Fällen
jedoch als „pädagogische Institution und als moralische Autorität versagt“ – und das,
obwohl die Verantwortlichen hinreichend Informationen zum Handeln gehabt hätten: „Zu
keiner Zeit wurde an die Kinder und Jugendlichen gedacht und Sorge getragen, ihnen
zu helfen“, so die Ex-Ministerin in dem Gutachten. So habe der Orden etwa keine Vorkehrungen
getroffen, um Wiederholungen zu verhindern. Versetzungen hätten dazu geführt, dass
die Täter weiterhin Gelegenheit bekommen hätten, Jugendliche zu missbrauchen. Fischer
empfahl dem Orden, „nach einem eigenen Weg“ für Entschädigungsverfahren zu suchen.
Die Jesuiten sollten nicht die Ergebnisse des von der deutschen Regierung eingesetzten
Runden Tisches abwarten. Weiter solle der Orden die Ausbildung jesuitischer Lehrer
überprüfen und alle Lehrer so ausbilden, dass sie wüssten, wie sie mit Klagen von
Kindern über Missbrauchserlebnisse umgehen müssten.
Jesuiten-Provinzial
Stefan Dartmann begrüßte die schnelle und sorgfältige Untersuchung Fischers. Sie habe
wichtige Präzisierungen gebracht und eine Reihe von offen gebliebenen Fragen beantwortet.
Fischer dokumentiere „in schonungsloser Offenheit“ das Leid der Opfer und das Versagen
des Ordens in der Wahrnehmung seiner Schutzpflicht gegenüber den Betroffenen. Der
Orden müsse sich jetzt mit Anmerkungen und Fragen offen auseinandersetzen. Dies betreffe
etwa die Einbindung von Laien in die Leitungsstrukturen der Gymnasien und Internate,
den Umgang mit vertraulichen ordensinternen Informationen und die Praxis der Versetzungen.
Der Bericht werfe auch die aus Opfersicht drängende, bislang aber von Seiten des Ordens
unbeantwortete Frage nach finanzieller Entschädigung auf. Die Jesuiten wollten versuchen,
die Position des Ordens dazu, noch vor Beginn der nächsten Verhandlungen des von der
deutschen Regierung eingesetzten Runden Tisches zu klären. Dieser will im September
erneut zusammenkommen.
Der Bericht der Sondergutachterin Andrea Fischer
ist auf der Homepage des Ordens unter www.jesuiten.org abrufbar.