2010-07-09 11:36:08

Polen: Kirche denkt gespalten über Komorowski-Wahl


RealAudioMP3 Sechs Tage nach der Präsidentenwahl in Deutschland hat auch Polen einen neuen Staatspräsidenten bekommen. Es gab jedoch keinen zehrenden Wahlkrimi wie in Berlin am letzten Donnerstag, denn die Polen haben etwas, was sich wohl auch viele Deutsche wünschen: Eine Direktwahl des Staatsoberhauptes. Ergebnis des Urnengangs am Sonntag: Der liberalkonservative Bronislaw Komorowski setzte sich gegen Jaroslaw Kaczynski durch, den Bruder von Lech Kaczynski, der bei einem Flugzeugabsturz im April tragisch ums Leben kam. Was seine Wahl für Polens Politik bedeutet, erklärt der katholische Journalist Wojciech Piecak im Gespräch mit dem Kölner Domradio:

 
„Komorowski bedeutet vor allem im Bereich der Außenpolitik einfach Kontinuität von dem, was die Regierung macht. Komorowski ist ein Vertrauter des Regierungschefs Donald Tusk. In den beiden Bereichen, wo der polnische Staatspräsident viel zu sagen hat, also in der Außenpolitik und in der Sicherheitspolitik, wird er womöglich einfach das unterstützen, was die Regierung Tusk machen wird.“

 
Doch Polen ist gespalten: Während Kaczynski vor allem im ländlich-konservativen Osten Unterstützung fand, hält es der junge und europaoffene Westteil Polens eher mit Komorowski. Aufgabe des neuen Präsidenten ist es, das Land zu einen. Piecak erzählt:

 
„Die Regierung Tusk und Komorowski will Polen nicht nur in Europa einbinden – das will Kaczynski sowieso auch – sondern, so meine ich, keine polnischen Sonderwege einleiten. Auch was die Ostpolitik angeht, habe ich den Eindruck, das Tusk eher in die Richtung von Merkel und Sarkozy reicht und weniger in die Richtung des verstorbenen Lech Kaczyinski.“

 
Komorowski und Regierungschef Donald Tusk sind alte Partei- und Weggefährten. Die Hoffnung auf tief greifende Reformen in Polen ist jetzt natürlich groß, Komorowski wird wohl nicht wie sein Vorgänger wichtige Projekte mit präsidialem Veto blockieren. Polens Probleme sind ähnlich wie in anderen europäischen Staaten – Renten, Sozialsystem, Finanzen. Eines könnte den Reformeifer jedoch bremsen:

 
„Es gibt bald wieder einen Wahlmarathon in Polen. Im Herbst dieses Jahres wird es in ganz Polen in allen Regionen und Städten die Kommunalwahlen geben. Im kommenden Jahr sind wieder Parlamentswahlen. Ich würde sagen, dass der Wahlkampf jetzt für die zwei Monate Sommerzeit aufhört, aber dann wieder anfängt. Das wird wahrscheinlich die Regierung abschrecken, tiefere und ernsthafte Reformen zu unternehmen, weil dann einfach viele Leute enttäuscht werden könnten.“

 
Wie die Wähler, so geben auch die katholischen Bischöfe des Landes ein zweigeteiltes Urteil über den neuen Präsidenten ab: Die Wahl tue Polen gut, der Weg für Reformen sei jetzt frei, so der Altbischof von Gniezo, Henryk Muszynski. Der Danziger Erzbischof Slawoj Leszek Glodz warnte hingegen vor der neuen Machtfülle von Präsident und Regierung. Jedes Machtmonopol führe zu „Entartungen“ und „Angeberei“, sagte er. Für die Katholische Kirche mache die Entscheidung für Komorowski und gegen Kaczynski letztendlich keinen Unterschied, meint Wojciech Piecak.

 
„Die katholische Kirche hatte eher mit Kaczynski sympathisiert. Kaczynski ist in etwa wie ein CSU-Politiker, Komorowski ist mehr wie ein CDU-Politiker. Es gibt natürlich Unterschiede zu Deutschland, das ist klar, aber im Grunde genommen sind beide wertekonservativ. Von diesem Standpunkt aus spielt es für die katholische Kirche keine Rolle, ob Kaczynski oder Komorowski Staatspräsident geworden ist. Beide würden ein gutes Verhältnis zur katholischen Kirche aufbauen und erhalten.“

 
(domradio/kipa 09.07.2010 tb)
 







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