Polen: Kirche denkt gespalten über Komorowski-Wahl
Sechs Tage nach der
Präsidentenwahl in Deutschland hat auch Polen einen neuen Staatspräsidenten bekommen.
Es gab jedoch keinen zehrenden Wahlkrimi wie in Berlin am letzten Donnerstag, denn
die Polen haben etwas, was sich wohl auch viele Deutsche wünschen: Eine Direktwahl
des Staatsoberhauptes. Ergebnis des Urnengangs am Sonntag: Der liberalkonservative
Bronislaw Komorowski setzte sich gegen Jaroslaw Kaczynski durch, den Bruder von Lech
Kaczynski, der bei einem Flugzeugabsturz im April tragisch ums Leben kam. Was seine
Wahl für Polens Politik bedeutet, erklärt der katholische Journalist Wojciech Piecak
im Gespräch mit dem Kölner Domradio:
„Komorowski bedeutet
vor allem im Bereich der Außenpolitik einfach Kontinuität von dem, was die Regierung
macht. Komorowski ist ein Vertrauter des Regierungschefs Donald Tusk. In den beiden
Bereichen, wo der polnische Staatspräsident viel zu sagen hat, also in der Außenpolitik
und in der Sicherheitspolitik, wird er womöglich einfach das unterstützen, was die
Regierung Tusk machen wird.“
Doch Polen ist gespalten:
Während Kaczynski vor allem im ländlich-konservativen Osten Unterstützung fand, hält
es der junge und europaoffene Westteil Polens eher mit Komorowski. Aufgabe des neuen
Präsidenten ist es, das Land zu einen. Piecak erzählt:
„Die
Regierung Tusk und Komorowski will Polen nicht nur in Europa einbinden – das will
Kaczynski sowieso auch – sondern, so meine ich, keine polnischen Sonderwege einleiten.
Auch was die Ostpolitik angeht, habe ich den Eindruck, das Tusk eher in die Richtung
von Merkel und Sarkozy reicht und weniger in die Richtung des verstorbenen Lech Kaczyinski.“
Komorowski
und Regierungschef Donald Tusk sind alte Partei- und Weggefährten. Die Hoffnung auf
tief greifende Reformen in Polen ist jetzt natürlich groß, Komorowski wird wohl nicht
wie sein Vorgänger wichtige Projekte mit präsidialem Veto blockieren. Polens Probleme
sind ähnlich wie in anderen europäischen Staaten – Renten, Sozialsystem, Finanzen.
Eines könnte den Reformeifer jedoch bremsen:
„Es gibt
bald wieder einen Wahlmarathon in Polen. Im Herbst dieses Jahres wird es in ganz Polen
in allen Regionen und Städten die Kommunalwahlen geben. Im kommenden Jahr sind wieder
Parlamentswahlen. Ich würde sagen, dass der Wahlkampf jetzt für die zwei Monate Sommerzeit
aufhört, aber dann wieder anfängt. Das wird wahrscheinlich die Regierung abschrecken,
tiefere und ernsthafte Reformen zu unternehmen, weil dann einfach viele Leute enttäuscht
werden könnten.“
Wie die Wähler, so geben auch die katholischen
Bischöfe des Landes ein zweigeteiltes Urteil über den neuen Präsidenten ab: Die Wahl
tue Polen gut, der Weg für Reformen sei jetzt frei, so der Altbischof von Gniezo,
Henryk Muszynski. Der Danziger Erzbischof Slawoj Leszek Glodz warnte hingegen vor
der neuen Machtfülle von Präsident und Regierung. Jedes Machtmonopol führe zu „Entartungen“
und „Angeberei“, sagte er. Für die Katholische Kirche mache die Entscheidung für Komorowski
und gegen Kaczynski letztendlich keinen Unterschied, meint Wojciech Piecak.
„Die
katholische Kirche hatte eher mit Kaczynski sympathisiert. Kaczynski ist in etwa wie
ein CSU-Politiker, Komorowski ist mehr wie ein CDU-Politiker. Es gibt natürlich Unterschiede
zu Deutschland, das ist klar, aber im Grunde genommen sind beide wertekonservativ.
Von diesem Standpunkt aus spielt es für die katholische Kirche keine Rolle, ob Kaczynski
oder Komorowski Staatspräsident geworden ist. Beide würden ein gutes Verhältnis zur
katholischen Kirche aufbauen und erhalten.“