2010-07-09 12:04:52

D/Italien: Das „C“ als Motor der Moderne


RealAudioMP3 „Aufklärung und Christentum stehen nicht im Gegensatz zueinander. In der Moderne wird das Christentum politisch relevant.“ Es sind kraftvolle Thesen, mit denen die Veranstaltungsreihe „Das Christentum als Motor der Moderne“ beginnt. An diesem Dienstag trafen sich Vertreter aus Kirche, Kultur und Wissenschaft in Rom auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Diskussion.

Unter den Teilnehmern des Runden Tisches fand sich auch der Vorsitzende des Zentralrates der deutschen Katholiken, Alois Glück. In den kühlen Gemäuern des „Istituto Sturzo“ zwischen Pantheon und Piazza Navona haben wir den höchsten Laienvertreter der deutschen Katholiken getroffen und gefragt, was das „C“ als Motor der Moderne bedeutet.

 
„Das bedeutet Gestaltungsauftrag in einer Umbruchszeit, also nicht Rückzug auf eine individualistische Glaubenshaltung. Wir haben ganz besondere Chancen in dieser Zeit, gerade jetzt, weil viele Scheingewissheiten zusammengebrochen sind, wie etwa, dass Markt und Wettbewerb alle Probleme lösen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir einen kompetenten, vom Evangelium her geleiteten Beitrag leisten und uns mit Engagement einbringen.“

 
Neben Alois Glück sprach auch der Vizepräsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Rocco Buttiglione. Er machte auf einen Fehler aufmerksam, den vor allem die christlichen Parteien in den letzten Jahren gemacht hätten.

 
„Wir sind zu oft von der Voraussetzung ausgegangen, dass, um zu einer Mehrheit zu kommen, wir unser Christentum verwässern müssen. Das ist falsch. Es gibt heute in der Bevölkerung eine christliche Erneuerung. Viele Leute, die in ihrem Leben durch das christliche Ereignis bereichert wurden, die eine neue Sinngebung gefunden haben. Diese Menschen sind bereit, sich auch politisch zu engagieren. Sie spüren, dass der christliche Glaube sie dazu führt, sich auch politisch zu engagieren.“

 
Das Wichtigste sei es jedoch, sagt Glück, das „C“ auch in konkrete politische und soziale Taten umzusetzen:
 
„Es sind gewissermaßen drei Aspekte, die wir miteinander verbinden müssen: Den inneren Kompass unserer Überzeugungen; die Kompetenz in der Sache – für mich gehört zur christlichen Spiritualität auch die Bereitschaft, sich in einer immer komplexeren Welt die Sachkompetenz anzueignen, damit wir auch inhaltlich etwas zu sagen haben. Gesinnungsstark zu sein, genügt allein nicht, das ist dann eher die Position des Moralisierens, des Abgrenzens, des Verurteilens. In einer pluralen Welt gehört es natürlich auch dazu, eine grundsätzliche Kompromissbereitschaft zu haben. Wir können nicht davon ausgehen, dass in der Welt von heute unsere Wertepositionen immer eins zu eins übersetzt werden können.“

 
Der innere Überzeugungskompass, die Sachkompetenz und die Kompromissbereitschaft sind also die Fixpunkte eines christlichen Engagements in der Moderne, meint Glück. Gerade zu Zeiten der viel zitierten Krise in Wirtschaft und Gesellschaft böten sie eine Chance:

 
„Die jetzige Situation kann man als Suche nach einer neuen Ordnung beschreiben. Ordnung beginnt immer bei den Werten. Das Zentrale ist das jeweilige Menschenbild. Ich denke, was wir als christliches Menschenbild bezeichnen, ist: Dass die Würde des Menschen abgeleitet ist von der Vorstellung als Ebenbild Gottes und dass das Menschenbild keine Unterscheidung kennt nach Nützlichkeit, Rasse oder was auch immer – damit es überhaupt eine humane Zukunft gibt.“

Es gebe keine Christen mehr in der Politik, beklagte kürzlich Papst Benedikt XVI. Ganz im Gegenteil, erzählt Rocco Buttiglione: Viele Politiker seien sehr christlich. Das Problem sei, dass sie nicht als Christen in der Politik wirksam würden. Das müsse sich ändern, meint der Vizepräsident der italienischen Abgeordnetenkammer:

 
„Wir brauchen eine Präsenz von Christen in der Politik, die zusammenarbeiten, die ein gemeinsames Programm haben, die fähig sind, klarzumachen, dass christliche Werte für das Europa von heute unentbehrlich sind – um Europa vor dem Verschwinden aus der Geschichte zu retten.“

Vor allem brauche es aber eine neue Kultur der Verantwortung, fordert der ZdK-Präsident Glück, und zwar nicht nur im Hier und Jetzt:

 
„Was die größte Verantwortung unserer Zeit ist, ist aber die Verantwortung für die Nachwelt, jenseits aller Nützlichkeit für den Moment. Die Fähigkeit zur Selbstbegrenzung, das ist eigentlich das Thema, das ich mit dem Begriff Nachhaltigkeit verbinde. Wir haben mit dem Begriff der christlichen Sozialethik sehr viel anzubieten, insbesondere mit dem Subsidiaritätsprinzip, das fast einen Generalschlüssel für eine Revitalisierung der Gesellschaft bietet. Wir müssen uns dementsprechend einbringen, und zwar mit Kompetenz.“

 
(rv 08.07.2010 tb)
 







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