„Aufklärung und Christentum
stehen nicht im Gegensatz zueinander. In der Moderne wird das Christentum politisch
relevant.“ Es sind kraftvolle Thesen, mit denen die Veranstaltungsreihe „Das Christentum
als Motor der Moderne“ beginnt. An diesem Dienstag trafen sich Vertreter aus Kirche,
Kultur und Wissenschaft in Rom auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Diskussion.
Unter
den Teilnehmern des Runden Tisches fand sich auch der Vorsitzende des Zentralrates
der deutschen Katholiken, Alois Glück. In den kühlen Gemäuern des „Istituto Sturzo“
zwischen Pantheon und Piazza Navona haben wir den höchsten Laienvertreter der deutschen
Katholiken getroffen und gefragt, was das „C“ als Motor der Moderne bedeutet.
„Das
bedeutet Gestaltungsauftrag in einer Umbruchszeit, also nicht Rückzug auf eine individualistische
Glaubenshaltung. Wir haben ganz besondere Chancen in dieser Zeit, gerade jetzt, weil
viele Scheingewissheiten zusammengebrochen sind, wie etwa, dass Markt und Wettbewerb
alle Probleme lösen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir einen kompetenten, vom Evangelium
her geleiteten Beitrag leisten und uns mit Engagement einbringen.“
Neben
Alois Glück sprach auch der Vizepräsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Rocco
Buttiglione. Er machte auf einen Fehler aufmerksam, den vor allem die christlichen
Parteien in den letzten Jahren gemacht hätten.
„Wir sind
zu oft von der Voraussetzung ausgegangen, dass, um zu einer Mehrheit zu kommen, wir
unser Christentum verwässern müssen. Das ist falsch. Es gibt heute in der Bevölkerung
eine christliche Erneuerung. Viele Leute, die in ihrem Leben durch das christliche
Ereignis bereichert wurden, die eine neue Sinngebung gefunden haben. Diese Menschen
sind bereit, sich auch politisch zu engagieren. Sie spüren, dass der christliche Glaube
sie dazu führt, sich auch politisch zu engagieren.“
Das
Wichtigste sei es jedoch, sagt Glück, das „C“ auch in konkrete politische und soziale
Taten umzusetzen: „Es sind gewissermaßen drei Aspekte, die wir miteinander
verbinden müssen: Den inneren Kompass unserer Überzeugungen; die Kompetenz in der
Sache – für mich gehört zur christlichen Spiritualität auch die Bereitschaft, sich
in einer immer komplexeren Welt die Sachkompetenz anzueignen, damit wir auch inhaltlich
etwas zu sagen haben. Gesinnungsstark zu sein, genügt allein nicht, das ist dann eher
die Position des Moralisierens, des Abgrenzens, des Verurteilens. In einer pluralen
Welt gehört es natürlich auch dazu, eine grundsätzliche Kompromissbereitschaft zu
haben. Wir können nicht davon ausgehen, dass in der Welt von heute unsere Wertepositionen
immer eins zu eins übersetzt werden können.“
Der innere
Überzeugungskompass, die Sachkompetenz und die Kompromissbereitschaft sind also die
Fixpunkte eines christlichen Engagements in der Moderne, meint Glück. Gerade zu Zeiten
der viel zitierten Krise in Wirtschaft und Gesellschaft böten sie eine Chance:
„Die
jetzige Situation kann man als Suche nach einer neuen Ordnung beschreiben. Ordnung
beginnt immer bei den Werten. Das Zentrale ist das jeweilige Menschenbild. Ich denke,
was wir als christliches Menschenbild bezeichnen, ist: Dass die Würde des Menschen
abgeleitet ist von der Vorstellung als Ebenbild Gottes und dass das Menschenbild keine
Unterscheidung kennt nach Nützlichkeit, Rasse oder was auch immer – damit es überhaupt
eine humane Zukunft gibt.“
Es gebe keine Christen mehr in der Politik,
beklagte kürzlich Papst Benedikt XVI. Ganz im Gegenteil, erzählt Rocco Buttiglione:
Viele Politiker seien sehr christlich. Das Problem sei, dass sie nicht als Christen
in der Politik wirksam würden. Das müsse sich ändern, meint der Vizepräsident der
italienischen Abgeordnetenkammer:
„Wir brauchen eine
Präsenz von Christen in der Politik, die zusammenarbeiten, die ein gemeinsames Programm
haben, die fähig sind, klarzumachen, dass christliche Werte für das Europa von heute
unentbehrlich sind – um Europa vor dem Verschwinden aus der Geschichte zu retten.“
Vor
allem brauche es aber eine neue Kultur der Verantwortung, fordert der ZdK-Präsident
Glück, und zwar nicht nur im Hier und Jetzt:
„Was die
größte Verantwortung unserer Zeit ist, ist aber die Verantwortung für die Nachwelt,
jenseits aller Nützlichkeit für den Moment. Die Fähigkeit zur Selbstbegrenzung, das
ist eigentlich das Thema, das ich mit dem Begriff Nachhaltigkeit verbinde. Wir haben
mit dem Begriff der christlichen Sozialethik sehr viel anzubieten, insbesondere mit
dem Subsidiaritätsprinzip, das fast einen Generalschlüssel für eine Revitalisierung
der Gesellschaft bietet. Wir müssen uns dementsprechend einbringen, und zwar mit Kompetenz.“