Papstreise nach Sulmona und zu Papst Coelestin V.: Der Papst, der auf sein Amt verzichtete
Papst Benedikt XVI.
besucht an diesem Sonntag das mittelitalienische Sulmona. Anlass ist der 800. Geburtstag
von Papst Coelestin V., der lange Zeit nahe der Abruzzen-Stadt als Einsiedler lebte.
Laut Programm will Benedikt XVI. vor den Reliquien des Heiligen in der Krypta der
Kathedrale beten. Zentrales Ereignis der 19. inneritalienischen Reise von Benedikt
XVI. ist am Vormittag eine Messe unter freiem Himmel in der Innenstadt von Sulmona
und ein Treffen mit Jugendlichen. Mit einem Besuch an Coelestins Grab wird Papst
Benedikt XVI. einmal mehr die Aufmerksamkeit auf einen seiner Vorgänger lenken, der
eine der außergewöhnlichsten Figuren ist, die je auf dem Stuhl Petri saßen. Und obwohl
Rom und seine Umgebung an Papstgräbern wirklich nicht arm ist, ist es bereits sein
zweiter Besuch am Grab dieses Papstes. Im letzten Jahr hatte er dort als Zeichen der
Verbundenheit sogar sein Pallium – die Stola der Erzbischöfe – niedergelegt. Grund
genug für uns, zu fragen, was so besonders an diesem mittelalterlichen Papst war.
Pater Klaus Schatz, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Jesuitenhochschule
Sankt Georgen:
„Das besondere an Coelestin ist, dass er nach weniger
als einem halben Jahr als Papst abgedankt hat, weil er seiner Aufgabe nicht gewachsen
war. Es hat zwar auch andere Päpste in der Geschichte gegeben, die zurückgetreten
sind, Coelestin V. bietet aber den einzigen Fall eines Rücktritts eines Papstes, dessen
Legitimität nicht bestritten war.“
Es waren schwierige Zeiten, das Papsttum
steckte in einer Krise und viele römische Adelsfamilien stritten mit allen Mitteln
um die Macht in Mittelitalien. Die Papstwahlen fielen dem zum Opfer und so gab es
immer wieder lange Zeiten ohne Papst.
„Wir sind im Jahre 1294. Vorangegangen
war eine von vielen in diesem Fall über zwei Jahre dauernde Sedisvakanz. Coelestin
war ein Mönch, ein frommer Einsiedler, Pietro Morone mit Namen. Er stand im Rufe der
Heiligkeit und hatte wohl durchaus spirituelles Format. Man kann auch nicht sagen,
er sei eine völlig weltfremde Persönlichkeit gewesen, er hatte wohl Leitungserfahrung
im klösterlichen Bereich. Er hatte eine Botschaft an das Konklave gerichtet und das
göttliche Strafgericht angedroht, wenn sie nicht bald einen Papst wählen würden.“
Und
das tat das Konklave dann auch, und es wählte diesen frommen Einsiedler. Als Zeichen
der Demut ritt er zu seiner Krönung nach L'Aquila auf einem Esel ein und in der religiös
aufgeheizten Zeit war dieser Papst für Viele ein Zeichen.
„Er wurde
von vielen Kreisen überschwänglich begrüßt als der Engelspapst, der Papa Angelicus.
Aber es zeigte sich bald, dass er auf dem glatten Parkett der Politik völlig überfordert
war und ein so kompliziertes Instrument, wie es die römische Kurie schon am Ende des
13. Jahrhunderts war, nicht in den Griff bekam.“
So trat er zurück, einige
Historiker behaupten, er tat dies nicht freiwillig. Sein Nachfolger Bonifaz VIII.,
berühmt geworden durch die Bulle „Unam Sanctam“, führte einen Machtkampf mit dem französischen
König. Aber er fürchtete seinen Vorgänger, den Engelspapst, auch.
„Bonifaz
VIII. fürchtete, dass sich um den ehemaligen Papst Coelestin V., Pietro Morone, ein
Widerstandskreis sammeln würde und setzte ihn nach einem gescheiterten Fluchtversuch
fest. Daraufhin ist Pietro Morone in dieser Haft gestorben.“
Beide – Bonifaz
und Coelestin – stehen für zwei völlig verschiedene Extreme des mittelalterlichen
Papsttums. Auch lange nach dieser kurzen Episode des Papstes Coelestin schwanken die
Urteile über ihn:
„Die kirchlichen Kämpfe gingen natürlich weiter und
verschärften sich. Um so mehr, da der Rücktritt von Coelestin V. für viele, die auf
ein erneuertes Papsttum gehofft hatten, die große Enttäuschung war. Diese Enttäuschung
klingt auch bei Dante an, der Coelestin V. in seiner Göttlichen Komödie verurteilt,
bzw. in die Vorhölle zu den Lauen und Unentschiedenen versetzt hat. Dort trifft er
den Schatten dessen, der „feige beging den großen Amtsverzicht“. Der Vorwurf lautet,
aus Egoismus, aus Sorge um das eigene Seelenheil, sei Coelestin V. der Verantwortung
entflohen.“