Kardinal Walter Kasper
ist seit diesem Donnerstag offiziell Pensionär. Der Schweizer Bischof Kurt Koch beerbt
ihn als Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Die Umzugskartons
werden aber trotzdem nicht gepackt. Kasper bleibt in Rom, seinem alten Arbeitsort,
wohnen. „Ich möchte nicht meine ganzen Bücher über die Alpen schleppen“, sagte er
bei seinem Abschied vor Journalisten. Er sei viel umgezogen in seinem Leben und so
ein Umzug sei eine fürchterliche Sache. Der Kardinal hat eine Bilanz seiner Dienstjahre
als Sekretär und später Präsident des Einheitsrates gezogen.
„Den Dialog
kann man nicht planen, es sind freie Partner in diesem Prozess. Vielleicht geht es
schneller, als ich gedacht habe, was ich natürlich hoffe. Aber man muss auch realistisch
bleiben, geduldig und ungeduldig zugleich… Ich bin am Ende meines Dienstes in der
Kurie und im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen angekommen. Meine Gefühle
sind gespalten: Auf der einen Seite ist es etwas ganz Normales, mit 77 Jahren emeritiert
zu werden, das ist keine Politik oder Strategie, es ist sogar eine Befreiung. Auf
der anderen Seite gebe ich eine Arbeit auf, die ich mit Enthusiasmus gemacht habe,
die ich stets als Baustelle für die Zukunft der Kirche angesehen habe.“
Bereits
mit 31 Jahren hatte Kasper eine Professur für Theologie in Münster inne, später dozierte
er in Tübingen, bevor er Bischof von Rottenburg-Stuttgart wurde. Dann der Ruf nach
Rom. Johannes Paul II. entschied vor elf Jahren, dass Kardinal Kasper für den Einheitsrat
arbeiten solle. Offizielle Aufgabe des Rates ist es, „den Dialog und die Zusammenarbeit
mit anderen Kirchen und christlichen Weltgemeinschaften zu fördern“.
„Ökumene
ist für die Kirche kein Luxusgut, sondern ein konstituierendes Element. Das Zweite
Vatikanische Konzil spricht in der Tat von der Ökumene als einem Hauptziel. Das Gleiche
gilt für die religiösen Beziehungen zum Judentum, die auch zu meinem Aufgabenbereich
gehörten. Ich bin Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. sehr dankbar für
das Vertrauen, das sie mir für diese wichtige Aufgabe entgegengebracht haben. Ich
habe immer versucht, sie in Loyalität und Treue – zwei für mich unverzichtbaren Prinzipien
– zu erfüllen. Ökumene war für mich kein privates Interesse, sondern ein Dienst in
der Kirche, an der Kirche und für die Kirche. Ökumene wird nicht am Schreibtisch oder
in akademischen Reden gemacht, Dialog ist Leben, Dialog ist fester Bestandteil des
kirchlichen Lebens.“
Symbolhaft gesprochen ist die Ökumene ein unsichtbares
Kloster, meint Kardinal Kasper. Er erklärt: In einem sichtbaren Kloster lebt und betet
man gemeinsam. Im unsichtbaren ökumenischen Kloster lebt und betet man ebenfalls gemeinsam
– nur eben über die ganze Welt verstreut – aber vereint im Glauben. Doch gerade zu
Beginn seines Dienstes im Einheitsrat hakte es schon mal. Kasper berichtet von den
Anfängen im Dialog mit den orthodoxen östlichen Kirchen.
„Als meine Arbeit
vor elf Jahren begann, gab es keinen Dialog mit diesen Kirchen mehr. Das erste Treffen
mit dem Patriarchen war extrem schwierig, nicht nur aufgrund theologischer Differenzen,
sondern auch aufgrund kultureller, sprachlicher und persönlicher Differenzen. Die
sprachliche Kommunikation ist nicht einfach und die kulturellen Unterschiede sind
enorm. Und trotzdem: Seit 2003 haben wir uns innerhalb von fünf Jahren wieder angenähert
und es ist eine richtige Freundschaft entstanden. Gemeinsam haben wir ein Schreiben
ausgearbeitet, das zeigt, wie wir trotz 1.500 Jahren der Trennung das selbe Verständnis
vom Geheimnis des Sakramentes, der Amtsstruktur und der Mission der Kirche aufrechterhalten
haben. Für mich war das fast ein Wunder des Geistes.“
Er habe zunächst
Angst gehabt, als Deutscher auch die Aufgabe des Dialoges mit dem jüdischen Volk aufzunehmen,
erzählt Kardinal Kasper. Er verweist auf die Last der Geschichte. Doch seine jüdischen
Gesprächspartner hätten ihn sehr überrascht:
„Ich habe nicht nur Partner
gefunden, sondern Freunde. Und so glaube ich, sind wir in der Lage gewesen, dieses
Netz an persönlichen Kontakten zu schaffen. Wir haben von Anfang an viel gemacht,
wir haben von der Vergangenheit und dem Holocaust gesprochen, das ist selbstverständlich.
Dann sind meine jüdischen Freunde zu mir gekommen und haben gesagt: Wir haben viel
von der Vergangenheit gesprochen. Aber Vergangenheit ist Vergangenheit, es ist wichtig,
sich an diese Dinge zu erinnern, aber jetzt sprechen wir von der Zukunft - für unsere
Kinder und Kindeskinder, für eine bessere Zukunft, in der es nicht mehr solche schrecklichen
Dinge wie die Shoah gibt. Es ist klar: Nach einer so komplizierten und leidvollen
Geschichte, wie der zwischen Kirche und Judentum, gab es in diesen zehn Jahren manchmal
Konflikte, Probleme, Missverständnisse. Da waren z.B. die Fürbitte für die Juden am
Karfreitag, die Frage der Mission, der Proselytismus, der Fall Williamson und andere
Dinge. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich normalerweise innerhalb von drei
Wochen diese Wogen glätten konnte. Ich habe telefoniert, Briefe geschrieben, wir haben
uns getroffen. In den Medien gingen die Probleme weiter, aber unter uns waren die
Dinge sehr schnell geklärt. Auch die Juden haben mir jetzt am Ende gesagt, dass ich
erreicht habe, ‚Nostra Aetate’ [Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils über die
nichtchristlichen Religionen, Anm. d. Red] mit Leben zu füllen.“
Etwas
enttäuscht zeigt sich der Kardinal über den Verlauf des Dialogs mit den protestantischen
Kirchen. Die Irritationen über das Dokument ‚Dominus Iesus’ seien leider nach wie
vor nicht überwunden.
„Das Dokument Dominus Iesus steht für die katholische
Doktrin und damit stimme ich überein. Aber man könnte diese Dinge auch in einer besser
verständlichen Weise sagen. Tatsächlich ist es in dieser Art kränkend für andere Kirchen
geworden. Nicht, weil es falsch ist, sondern weil man es in einer besser verständlichen
Weise hätte sagen können. Das haben wir nicht geschafft. Im Grunde bedeutet
es aber, dass wir keinen Konsens über das Konzept Kirche haben. Die Protestanten nennen
sich Kirche, und haben das Recht, sich so zu nennen. Aber sie haben ein anderes Kirchenkonzept,
als wir es haben. Und deswegen muss man differenzieren und diese Unterschiede deutlich
machen, die wir bis jetzt noch nicht komplett überwunden haben. Es kann keine Kränkung
sein, es ist auch eine Herausforderung, den Dialog an dieser Stelle fortzuführen.
Das ist der entscheidende Punkt in diesem Dokument.“
Aber man dürfe
nicht immer nur zurückschauen, sondern müsse in die Zukunft blicken und den Dialog
fortführen, meint Kasper. Es gebe nun einmal Unterschiede im Glauben, da müsse man
realistisch bleiben. Die Kirchen und alle Christen müssten dennoch zusammenarbeiten
und sich im persönlichen Gespräch begegnen. Der Kardinal mahnt: In der globalisierten
Welt von heute gibt es sehr viele extrem gefährliche Konflikte. Zwar hat Papst Benedikt
XVI. das Rücktrittsgesuch von Kardinal Kasper an diesem Donnerstag offiziell angenommen
– doch das bedeutet nicht, dass sich der Kardinal von nun ab ausschließlich in seine
Bibliothek zurückzieht.
„Ich werde nicht arbeitslos sein, und einfach
in Pension gehen. Erst mache ich eine Pause, dann kehre ich zu meinem Metier, der
Theologie, zurück. Das ist etwas, was mir große Freude bereitet. Vielleicht engagiere
ich mich auch in der Priesterausbildung, zunächst in Rom, aber es ist auch einfach
für mich, in Deutschland zu arbeiten. Aber ich bleibe hier in Rom.“