Die Koalition aus
Union und FDP wird nicht mehr lange halten – das meinen laut einer ARD-Umfrage 62
Prozent der Deutschen nach der Wahl des Bundespräsidenten. Aber ist die Regierung
wirklich geschwächt nach der nervenraubenden Abstimmung von Mittwoch? Nein, meint
Klaus Schubert vom Exzellenzcluster Religion und Politik der Uni Münster. Das Ganze
war eine Ohrfeige für die Bundeskanzlerin, so der Professor für Politikwissenschaften,
doch das bedeutet nicht, dass die deutsche Regierung nun vor dem Scheitern steht.
„Die
Wahl kann man vielleicht mit einem Ventil vergleichen. Und zwar für den großen Unmut
innerhalb der CDU, insbesondere über die Art und Weise, wie die Auswahl des Kandidaten
zu Stande gekommen ist, dass die Basis nicht mit einbezogen wurde und alles, „hoppla-hopp“
gewissermaßen, über die Köpfe hinweg. Sicher ist auch noch ein bisschen ein Denkzettel
enthalten für die schlechte Außendarstellung der CDU und der schwarz-gelben Regierung.
Und deswegen hat man sicher im ersten und auch im zweiten Wahlgang die ziemlich schlechten
Ergebnisse eingefangen. Aber im dritten Wahlgang wurde ja die absolute Mehrheit erreicht,
die Partei und die schwarz-gelbe Koalition haben sich gefangen, haben den Kandidaten
bestätigt und jetzt ist auch Schluss damit. Also: Denkzettel und nach 14 Tagen ist
das spätestens vergessen soweit, ab heute ist wieder Normalität.“ Für großes
Aufsehen hatte im Vorfeld der Wahl ein Appell von Kurt Biedenkopf gesorgt. Er hatte
eine freie Entscheidung für die Wahlberechtigten in der Bundesversammlung gefordert
und vor einer parteipolitischen Instrumentalisierung gewarnt. Nach der Wahl gab es
dafür auch Kritik, der Sieg von Wulff sei so in die Nähe verfassungspolitischer Illegitimität
gerückt worden, heißt es etwa in einem Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
(Donnerstagausgabe).
„Was Biedenkopf gemacht hat, war meiner Meinung
nach schon erklärlich für eine Position aus Ostdeutschland. Wenn Sie an die Wiedervereinigung
denken, von Deutschland Ost und Deutschland West, hat es Akteure gebraucht, die unter
ungeheurem persönlichen Einsatz dazu beigetragen haben, dass das möglich ist. Und
eine Person unter den vielen, die den allergrößten Teil des Lebens sozusagen für Freiheit
und Demokratie aufgeboten haben, das war eben Gauck. Und zwar vor der Wiedervereinigung
und auch nach der Wiedervereinigung. Insofern ist die Nominierung und dann sicher
auch das sehr gute Abschneiden von Herrn Gauck so etwas wie eine Anerkennung seines
Lebenswerkes. Wenn Biedenkopf im Vorfeld sagte, hier muss jeder frei abstimmen können,
hier müssen auch andere Kriterien, als Parteikriterien gelten, dann hat er sicher
als Ostdeutscher – westdeutscher Herkunft – und als ehemaliger sächsischer Ministerpräsident
gesprochen.“ Was können wir von dem neuen Bundespräsidenten erwarten? Wulff
betont in Interviews, dass Religion und Glaube für ihn sehr wichtig sind. Kirchenvertreter
weisen im gleichen Atemzug auf Wulffs Scheidung und seine erneute Trauung hin.
„Wulff
ist natürlich jemand, der ein wertkonservativer katholischer Bundespräsident ist,
übrigens erst der zweite katholische Bundespräsident in unserer Bundesgeschichte,
der allerdings über seine Tätigkeit als Ministerpräsident gezeigt hat, dass er als
Wertkonservativer in diesen modernen Zeiten durchaus weiterführende wegweisende Entscheidungen
treffen kann. Er ist also was die praktische Politik betrifft, ein Modernisierer,
was die Werte betrifft, ist er aber ein konservativer.“ (rv 02.07.2010 kk)