Sie war eine der letzten
Zeitzeugen der „Weißen Rose“: An diesem Freitag wird die deutsche Widerstandskämpferin
Marie-Luise Schultze-Jahn in München beerdigt. In Nähe ihrer letzten Ruhestätte ruhen
viele weiteren Widerstandskämpfer wie die Geschwister Scholl und auch Hans Leipelt,
der damalige Lebensgefährte von Marie-Luise Schultze-Jahn. Er wurde am 29. Januar
1945 hingerichtet. Sie ist am Dienstag im Alter von 92 Jahren gestorben.
Die
ehemalige Widerstandskämpferin Marie-Luise Schultze-Jahn war Gegnerin des Hitler-Regimes.
Sie zählte zum Kreis der „Weißen Rose“. Nach dem Fall des Nazi-Regimes war ihr dann
eines besonders wichtig: Die Aufklärung über den Nationalsozialismus. Der theologische
Referent im Katholischen Kreisbildungswerk Bad Tölz, Herbert Konrad, hat in diesem
Zusammenhang oft mit Schultze-Jahn zusammengearbeitet. Der ehemalige Jugendreferent
erinnert sich, wie unermüdlich sie im Laufe ihres Lebens gegen das Vergessen kämpfte
und Schüler über den Nationalsozialismus aufklärte.
„Marie-Luise Schultze-Jahn
war eine sehr beeindruckende Persönlichkeit. So klein und zierlich sie auch äußerlich
erschien, so parteilich, energisch und entschieden war sie, wenn man mit ihr über
den Widerstand im Dritten Reich gesprochen hat, wo sie zum erweiterten Kreis der Weißen
Rose gehört hat. Ihr Gedächtnis daran war sehr wach. Sie war einer der letzten Zeitzeuginnen,
die in Schulen präsent war. Ich habe sie mit einer Ausstellung über die Weiße Rose
sehr intensiv kennen gelernt, wo sie einfach Rede und Antwort gestanden hat. Die Schüler
hingen ihr an den Lippen. Das war ein authentisches Zeugnis.“ Man schreibt
das Jahr 1943. Zusammen mit ihrem Freund Hans Leipelt beschließt sie, das Flugblatt
zu vervielfältigen und zu verbreiten. Marie-Luise Jahn wurde von den Nazis wegen ihrem
Engagement bei der „Weißen Rose“ zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.
„Es
waren zwei Pfeiler, die ihr immer wichtig waren. Zum einen war es die Erinnerung an
das, was in Deutschland passierte. Dazu zählt auch der Widerstand. Man sollte ihrer
Meinung nach die furchtbare Zeit nicht vergessen. Und es ging ihr auch darum, ihre
inneren Gefühle der Widerstandsgruppe und ihre Zivilcourage zu erklären. Zum anderen
wollte sie den Bezug zur Gegenwart herstellen. Die gesellschaftliche Situation ist
natürlich völlig anders, aber es gibt heute nicht minderwichtige Situationen, in denen
Parteilichkeit und Zivilcourage gefordert sind. Das geht im Kleinen los, wie beispielsweise,
wenn jemand in der Schule gemobbt wird, bis hin zu Vorgängen gegen Ausländer und Asylbewerber.
Sie war immer sehr aktuell und immer dran an den gesellschaftlichen Ereignissen. Sie
hat neben der Erinnerungsarbeit die aktuelle Zivilcourage eingefordert.“ Sie
war in verschiedenen Organisationen gesellschaftspolitisch engagiert, um immer wieder
auch vor Gefährdungen unserer Demokratie zu warnen. Herbert Konrad erinnert sich noch
gut an die Veranstaltungen, die er als Jugendreferent mit ihr organisierte.
„Sie
war sehr interessiert an der Bildungsarbeit. Sie forderte, dass man mehr Mahnmalveranstaltungen
durchführen solle. Sie wollte, dass solche Veranstaltungen mehr Relevanz in unserer
Gesellschaft einnehmen. Als ich sie zum letzten Mal hier bei uns getroffen habe, forderte
sie, unsere Aktion „Stolpersteine“ zu unterstützen. Es ging um Pflastersteine, die
in der Fußgängerzone mit Namen der jüdischen KZ-Opfern eingraviert verlegt und direkt
vor der Haustür, wo diese ursprünglich gelebt haben, positioniert werden. Das war
meine letzte persönliche Erinnerung an sie, bevor sie sich aus gesundheitlichen Gründen
zurückzog.“ (rv 01.07.2010 mg)