Belgien: Scharfe Auseinandersetzung um Polizeiaktion gegen Kirche
Der Streit in Belgien um das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen die Kirche wird
schärfer. Missbrauchsopfer kritisierten die Beschlagnahme der Akten der unabhängigen
Untersuchungskommission als Vertrauensbruch. Im Rundfunksender „Radio 1“ warf der
als Jugendlicher missbrauchte Soziologe Jan Hertogen den Behörden Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen
und gegen das Recht auf Privatleben vor. Er habe seinen Fall der Kommission zur Kenntnis
gebracht, aber keinesfalls eine Einschaltung der Justiz gewollt. Er reichte Klage
gegen die Adriaenssens-Kommission ein, weil sie seine Akten nicht ausreichend geschützt
habe. Er hoffe, so Hertogen, die Kommission so zwingen zu können, ihrerseits juristisch
gegen die Justizbehörden vorzugehen. Der flämische Minister Jo Vandeurzen warnte vor
einem Vertrauensverlust bei Missbrauchsopfern. Sie hätten die Wahl, sich an die Justiz
zu wenden oder nicht. Diese Entscheidung müsse beachtet werden. Kirchliche Stellen
prüfen derzeit juristische Schritte gegen die Polizeiaktion. Der Anwalt von Kardinal
Godfried Danneels, Fernand Keuleneer, äußerte Zweifel an der Rechtmässigkeit der Razzia.
Es sei unzulässig, unterschiedslos Dossiers zu beschlagnahmen und erst danach zu prüfen,
ob sie irgendwelche strafrechtlich relevanten Fakten enthielten, sagte er der Gazet
van Antwerp. Die Haussuchungen erweckten den Eindruck, dass die Kirche öffentlich
an den Pranger gestellt werden solle. Politiker von Liberalen und Sozialisten verwahrten
sich ihrerseits gegen Kritik aus dem Vatikan. Der liberale Politiker Denis Ducarme
und der sozialistische Abgeordnete Bruno Tuybens riefen Außenminister Steven Vanackere
auf, vom Vatikan Respekt vor den politischen und Justiz-Institutionen des Landes zu
verlangen. Sie reagierten damit auf scharfe Kritik aus dem Vatikan am Vorgehen der
Behörden. Vanackere kündigte an, er werde den Nuntius, Erzbischof Giacinto Berloco,
persönlich zu einem „offenen und konstruktiven Gespräch“ einladen.