Österreich: Alte Menschen sind in ihrer Sinnsuche allein
Demografischer Wandel mal anders: Wenn es sonst um den wachsenden Anteil alter Menschen
am Bevölkerungsdurchschnitt geht, stehen in der Regel Themen wie Rente oder Pflegeangebote
auf dem Programm – bei „Alter und Altwerden aus Sicht der Religionen“, einem Kongress
an der Universität in Wien, wurde da aber der mahnende Zeigefinger geschwungen. Der
demografische Wandel führe auch dazu, dass es immer mehr gesunde und hochmotivierte
alte Menschen gebe. Kirche müsse sich nicht nur als Lobby zur sozialen Absicherung
verstehen, sondern insbesondere auch auf spirituelle Fragen dieser Altersschicht Antworten
bieten. Der Wiener Religionswissenschaftler Professor Johann Figl ist Organisator
der Tagung, die an diesem Samstag zu Ende geht, und zugleich Präsident der österreichischen
Gesellschaft für Religionswissenschaft:
„Die spezifische Antwort des Christentums
ist eigentlich, dass man in jedem Alter in unmittelbarer Nähe zu Gott ist, und das
hohe Alter ist erst in der Moderne, erst in den letzten 30-40 Jahren ein besonderes
Thema geworden. Die Aufgabe der Pastoral wäre, hier auch eine Antwort zu geben, dass
alte Menschen, durch ihre größere Verfügbarkeit, durch ihre größere Freizeit auch
eine größere Offenheit haben, religiös angesprochen werden - insofern ist das eine
größere Herausforderung, auf die die Kirche in der Gegenwart antworten müsste.“ Die
Nähe zu Gott sei zwei in jedem Alter gegeben, aber die Beziehung zu Gott bleibe über
die Lebensstationen hinweg nicht gleich:
„Ich denke, dass jedes Lebensalter
einen besonderen Bezug zu Gott hat und dass sich aber auch entsprechend den einzelnen
Lebensphasen dieses Verhältnis zu Gott individuell ändert. Der alte Mensch denkt in
anderer Weise über Gott und das Jenseits nach als vielleicht der junge Mensch oder
der Mensch, der mitten im Leben steht. Diese Aspekte zu beachten, ist auch ein Beitrag
dieses Symposiums.“
Bei dem Treffen in Wien wurden Alter und Spiritualität
auch in unterschiedlichen Religionen verglichen. So ging es etwa um das Altern im
Buddhismus, oder es wurden Lebensstationen bei einem traditionellen afrikanischen
Volk nachgezeichnet. Das Lebensalter war schon immer in den einzelnen Religionen wichtig,
meint der Religionswissenschaftler Figl; gerade jetzt in Zeiten des demografischen
Wandels sollten es die Kirchen aber noch mehr berücksichtigen.
„Wir haben
immer mehr gesunde Alte - da stellen sich auch immer mehr neue Fragen, was ist der
Sinn dieser Lebensphase, was kann ich, für das, was mir geschenkt worden ist, im Leben
zurückgeben, der nächsten Generation... Hier ist eine neue Mentalität nötig. Hier
ist aber auch eine neue Begleitung erforderlich: Die alten Menschen sind in ihrer
Sinnsuche oft allein, weil man ja gar nicht so direkt auf sie eingeht. Das sind neue
Herausforderungen aber auch neue Chancen und neue Möglichkeiten in dem Dialog mit
den alten Menschen.“