„Nun sag, wie hast
du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst
nicht viel davon.“ So lautet die Frage Gretchens an Faust, in „Der Tragödie erster
Teil“. Es entwickelt sich eine typische Religionsdiskussion: Er, Faust, hinterfragt
ihre Frage, was sie denn genau meine, und sie fühlt sich der Diskussion nicht gewachsen
und gibt das Fragen auf, überzeugt, dass diese Hinterfragungen nur verstecken sollen,
dass Faust eigentlich nicht glaube. Das mit den Fragen und den Antworten zu Religion
und den eigenen Überzeugungen ist also gar nicht so einfach - es lohnt sich, genauer
hinzuschauen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat in dieser Woche eine neue Studie
vorgestellt, die sie vom Institut für Demoskopie Allensbach und vom Institut Sinus
Sociovision hat erstellen lassen. Letzteres ist bekannt geworden durch die Milieuorientierung
seiner Aussagen, die berühmt gewordenen Sinus-Milieus. Welche ästhetisch und duch
Zugang zu Bildung geprägten Milieus verhalten sich wie? Wir haben Georg Frericks gefragt.
Er ist Unternehmensberater für katholische Medienunternehmen bei der Medien Dienstleistungsgesellschaft
der Deutschen Bischofskonferenz, Auftraggeber für den jetzt vorgestellten Trendmonitor
religiöse Kommunikation. 2009 war der Befragungszeitraum für die Studie; befragt
wurden nur Katholiken. Es sollte nach den ersten Studien 1999 und 2002 ein Bild gewonnen
werden, wohin sich Kirchlichkeit und Bindung in der deutschen katholischen Kirche
entwickelt. Überraschend war vor allem,
„...dass die Kirche eigentlich
die sogenannte bürgerliche Mitte, also den Mainstream in Deutschland, nicht so gut
erreicht, wie wir erhofft hätten. Denn in einer Untersuchung, die wir auf Grundlage
der Sinus-Milieus vor fünf Jahren durchgeführt haben, bezeichnete diese bürgerliche
Mitte die Kirche noch als Teil ihrer familiären Nahwelt. Irgenwie hat man als Kirche
vielleicht noch das Gefühl, dieses Milieu zu erreichen, und nach den Ergebnissen des
MDG Trendmonitors muss man jetzt sagen, dass das sicherlich unzureichend der Fall
ist.“
Die Nachrichten über die Studie hat dominiert, dass die Zustimmung
zur Kirche nicht wie vielleicht erwartet zurückgegangen sei - also eigentlich eine
gute Nachricht. Das sieht Frericks mit Blick auf die Milieus jedoch anders.
„Die
Zustimmung zur Kirche bleibt stabil, verbessert sich vielleicht sogar, aber das könnte
eben auch – wie jetzt die Soziologen sagen – damit zusammenhängen, dass schon viele
der Kirche den Rücken gekehrt haben. Auf der anderen Seite sieht man auch, dass wir
eben die progressiveren, jüngeren Milieus als Kirche noch völlig unzureichend erreichen.“
Was
tun? Traditionelle pastorale Strategien, die sich an die ganze Gemeinde der Gläubigen
richten, helfen nicht weiter.
„Bischof Gebhard Fürst sagte bei der Präsentation
sehr treffend, dass die Kirche eigentlich eine milieuspezifische Kommunikationsstrategie
bzw, Strategien bräuchte, um die Milieus in ihrer Ästhetik, aber auch in ihrer inhaltlichen
Anschlussfähigkeit auch zu erreichen. Wobei er auch darauf hinwies, dass die Kirche
zunächst einmal nicht sich selbst verkauft... in dem Sinne, dass wir nicht fragen
sollten, wie sich die Kirche besser darstellen könnte, sondern dass die Kirche eine
Botschaft hat.“
Und in dieser Orientierung an der Botschaft Christi liege,
so Frericks, auch die einzige Chance, kirchenferne und Kirche ablehnende Milieus zu
erreichen. Aber es gibt immer noch eine große Zustimmung zur Kirche und zu ihrer
Rolle unter den Katholiken, und das sind auch gute Nachrichten für Benedikt XVI.
„Das
fällt auch politiv auf, dass die Rolle des Papstes durchaus mehr Einverständnis bekommt
als noch 2002, also zum Ende des Pontifikates von Papst Johannes Paul II.; und gleichzeitig
aber – und das ist das Schöne – durchaus, nachdem vielleicht eine erste Anfangseuphorie
über den deutschen Papst wieder etwas abgeebbt ist und vielleicht auch kirchlicher
Alltag eingekehrt ist. Trotzdem ist die Zustimmug um etliches höher als noch 2002.“
Was
die Konfliktpunkte angeht, habe die Studie spitz formuliert; es wurde nach Abtreibung,
Frauenpriestertum, Zölibat und generell zur Sexualmoral gefragt. Es zeigt sich Zustimmung
zur Kirche, wenn es um karitative Dinge und Frieden und Gerechtigkeit geht, aber Ablehnung,
wenn es um die persöniche Lebensführung geht. Aber auch hier lohnt sich ein genaueres
Hinsehen:
„Wenn man sich das milieuspezifisch noch einmal anschaut, dann
wird das wieder sehr aufschlussreich. Die traditionellen Milieus, die das Rückgrat
unserer Noch-Volkskirche in Deutschland bilden, weisen durchaus eine hohe Zustimmung
auch zu diesen Punkten auf, während die moderneren, progressiveren, jüngeren Milieus
eine noch extremere Ablehnung diese Punkte aufweisen, als wenn man jetzt einfach den
statistischen Durchschnitt über die Bevölkerung zieht. Diese Punkte polarisieren sogar
sehr stark.“
Es gibt die These, dass wir in Beszug auf kirchliche Bindung
mittlerweile nicht mehr von einem Schwinden, sondern schon von einem Bruch sprechen
müssen. Auch hierzu können wir aus dem Trendmonitor etwas erfahren. Die Sinus-Milieus
der Traditionsverwurzelten und Konservativen bieten relativ hohe Zustimmung zu Kirche,
auch im Milieu der Etablierten findet sich einiges davon. Im sogenannten postmateriellen
Milieu findet sich immerhin noch eine kritische Auseinandersetzung, aber der Rest
der Gesellschaft, und das ist die überwiegende Mehrheit (über zwei Drittel der Katholiken
sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz und in Österreich) ist doch recht weit
entfernt von alledem, wofür Kirche steht und was Kirche sein will. Wie kann man
dem entgegenwirken? Wie sehen die milieuspezifischen Kommunikationsstrategien aus,
von denen Bischof Fürst sprach? Viel Hoffnung wird hier auf das Internet und auf neue
Medien gesetzt - kaum ein Bistum, das in dieser Hinsicht nicht eine Initiative hat:
„Das
war noch ein wichtiger Aspekt des Trendmonitors, dass die Ursprungsfrage, oder eine
der Ursprungsfragen, die wir uns gestellt haben, als der Trendmonitor ins Leben gerufen
wurde, lautete: Kann mediale Kommunikation Lücken schließen, die vielleicht in der
personalen Kommunikation in der Kirche existieren? Und da muss man ganz klar sagen:
Diese Lücken existieren genau so wie vor zehn, wie vor zwanzig Jahren. Die mediale
Kommunikation bildet keine Brücke zu Menschen, die die Kirche auf anderem Weg nicht
erreicht.“ (rv 19.6.2010 ord)