An der Grenze zwischen
Kirgistan und Usbekistan spielt sich ein humanitäres Drama ab. Zehntausende Menschen
sind vor den ethnischen Unruhen im Süden Kirgistans auf der Flucht; jetzt hat das
Nachbarland seine Grenzen geschlossen. Marianne Heuwagen, Direktorin des Deutschlandsbüros
der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“, steht in Kontakt mit ihrer Mitarbeiterin
Andrea Berg, die durch den abrupten Gewaltausbruch zuletzt in Kirgistan festsaß. Im
Interview mit dem Kölner Domradio gibt sie die Eindrücke der Kollegin weiter, die
in der umkämpften Stadt Osch weilte.
„Sie hat gesehen, wie Gangs
die Geschäfte geplündert, die Menschen vertrieben, wahllos in die Menge geschossen,
ihre Häuser angezündet und eine regelrechte Hetzjagd auf die usbekische Bevölkerung
veranstaltet haben.“
Nach Angaben der UNO und des Roten Kreuzes
sind inzwischen bis zu 80.000 Usbeken in das Nachbarland geflohen. Bis Usbekistan
seine Grenzen schloss, habe man nur Frauen und Kinder über die Grenze gelassen, so
Heuwagen:
„Meine Kollegin erzählte, dass die Flüchtlinge, die über
die Grenze gelassen werden, dann monatelang in Lagern festgehalten werden, wenn sie
nicht die Möglichkeit haben, bei Familienangehörigen unterzukommen. Offenbar hat die
usbekische Regierung Angst, dass auf diese Art und Weise Islamisten sich ins Land
schmuggeln. Usbekistan ist ja ein Land mit einem ganz strengen Regime und sehr strengen
Einreisebestimmungen. Also, es sieht so aus, als ob sich dort an der Grenze zwischen
Usbekistan und Kirgistan eine humanitäre Katastrophe abspielt.“
Dringend
nötig sei nun internationale Hilfe für die Flüchtlinge, so Human Rights Watch. Auf
die kirgisische Bitte um militärische Unterstützung zur Befriedung des Konfliktes
ging die russische Regierung bisher nicht ein. Die Menschenrechtsorganisation fordert
ein Eingreifen der Vereinten Nationen:
„Wir haben gefordert, dass
UNO-mandatierte Truppen dort einmarschieren und Sicherheit wieder herstellen - und
dass vor allem der Befehl der kirgisischen Regierung, scharf zu schießen, aufgehoben
wird. Heute beschäftigt sich die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit
mit dem Problem; es wird sicher militärische Hilfe von außen notwendig sein, um diese
desolate Lage wieder zu stabilisieren.“
Beobachtern zufolge sind die
Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Usbeken auf Machtkämpfe lokaler krimineller
Gruppen zurückzuführen. In Kirgistan ist die Grenze zwischen Politik und organisierter
Kriminalität in den letzten fünf Jahren zunehmend verschwommen. Vor allem im Süden
des Landes, durch den Rauschgiftrouten von Afghanistan nach Europa führen, haben Kriminelle
eine mächtige Position erlangt.