Kirgistan: Auch Kirche leidet unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen
Im Süden Kirgistans
herrscht Bürgerkrieg. Bei Zusammenstößen zwischen Kirgisen und Usbeken sind bisher
über hundert Menschen getötet und mehr als 1.400 verletzt worden, zehntausende sind
auf der Flucht in das Nachbarland Usbekistan. Es ist der schwerste ethnische Konflikt
seit zwei Jahrzehnten. Auch die katholische Kirche des Landes ist betroffen; besonders
in den beiden Städten Osch und Jalalabad. In Jalalabad sollen Banden Häuser gestürmt
und Menschen auf offener Straße erschossen haben. Der Apostolische Administrator in
Kirgistan, Bischof Nikolaus Messmer, erzählt im Interview mit uns: „Wir haben
Priester dort, genauer gesagt Jesuiten, die sehr unter dem Konflikt leiden. Wir beten,
dass dort rasch wieder Friede herrscht. Wir rufen die Kirgisen auf, als Muslime in
den Moscheen und als Christen in den Kirchen für Gerechtigkeit zu beten. Wir hoffen,
dass Gott unser Land segnet und Auswege aus dieser Situation zeigt.“
Beobachtern
zufolge sind die Auseinandersetzungen zwischen der einheimischen kirgisischen Bevölkerung
und der usbekischen Minderheit auf Machtkämpfe lokaler krimineller Gruppen zurückzuführen.
In Kirgistan ist die Grenze zwischen Politik und organisierter Kriminalität in den
letzten fünf Jahren zunehmend verschwommen. Vor allem im Süden des Landes, durch den
rauschgiftrouten von Afghanistan nach Europa führen, haben Kriminelle eine mächtige
Position erlangt. Der Bischof: „Es gab Provokationen von der Verwandtschaft
und den Anhängern des ehemaligen Präsidenten Bakijews, die sich zwischen die Usbeken
und Kirgisen gestellt haben. Einige usbekische Familien haben sich in der Krisenregion
an unsere Jesuitenpatres gewendet und baten um Schutz.“
Durch gezielte
Morde unter Kirgisen und Usbeken sollen die Unruhestifter die seit langem in Spannung
lebenden Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgebracht haben. Der ehemalige Präsident
Kurmanbek Bakijew war im April gestürzt worden; von seinem Exil in Weißrussland erklärte
er zuletzt, er habe mit der jüngsten Gewaltwelle im Süden Kirgistans nichts zu tun.
Bischof Nikolaus Messmer:
„Was den Menschen hier am meisten fehlt, ist der
fehlende Strom-, Gas- und Wasserzugang. Es fehlen schlichtweg Produkte. Sie hatten
nirgendwo die Möglichkeit, Brot zu kaufen. Das hat mir der Pfarrer von Jalalabad gesagt.
Heute hat mich Caritas USA angerufen und gefragt, wie sie helfen könnten. Im Moment
ist der Zugang zu den Produkten ein Schwerpunkt für die Kirgisen in den Städten und
Dörfern im Süden des Landes.“
Etwa die Hälfte der Bevölkerung im Südteil
des Landes gehören der usbekischen Volksgruppe an; im ganzen Land sind es knapp 15
Prozent. Kirgistans Übergangsregierung hatte Russland mehrfach erfolglos um Militärhilfe
gebeten. Mit eigenen Kräften werde Kirgistan der Lage nicht mehr Herr, so Interimspräsidentin
Rosa Otunbajewa. Letzten Informationen zufolge erwägt Russland nun einen Einmarsch
mit Friedenstruppen.