2010-06-11 15:34:26

Christentum und Säkularisierung, wie geht das zusammen? - Eine Tagung in Wien


Christentum und Säkularisierung – wie geht das zusammen? Sehr gut, meint Kardinal Christoph Schönborn. Die Errungenschaften des Christentums würden heute aber in einer Verkehrung gegen die Kirche verteidigt. Das gab der Wiener Erzbischof bei einer Podiumsdiskussion im Wiener „Institut für die Wissenschaft vom Menschen“ an diesem Donnerstag zu bedenken. Mit dabei war der kanadische Philosoph Charles Taylor, Autor des Buches „A secular age“, zu deutsch „Ein säkulares Zeitalter“.



Es brauche eine Annäherung von beiden Seiten – so ungefähr lassen sich die Worte von Kardinal Christoph Schönborn zusammenfassen. Die moderne Gesellschaft vergesse die Errungenschaften des Christentums – zum Beispiel die Wertschätzung von Emotionalität, Gefühl und Individuum, die Autonomie des Individuums auch gegen Gott – , ja sie bemächtige sich ihrer und meine sie gegen die Kirche selbst verteidigen zu müssen, führte Schönborn aus. Andererseits, so der Kardinal, ist aber auch bei Christen eine Angst vor Säkularisierung spürbar. Warum die säkulare Gesellschaft nicht als Chance begreifen, so der Appell des Erzbischofs. Als Chance für Dialog und Auseinandersetzung mit Menschen, ob sie nun gläubig sind oder nicht?



„Unsere Religion ist eine Religion des Logos, wir brauchen keine Angst vor Logos, Argumenten, dem Geist zu haben! Warum sollten wir die säkulare Gesellschaft fürchten?“



Papst Benedikt XVI. sei das beste Beispiel für diese argumentative Kraft, hob der Kardinal hervor. Im Bereich des interreligiösen Dialoges mit dem Islam hätte diese Fähigkeit zum Beispiel zu Fortschritten geführt. Die säkularisierte Gesellschaft fordere die Christen gerade dazu heraus, auf andere Menschen zuzugehen:



„Wir müssen neu lernen, zuzuhören - vor allem jenen Menschen, die sagen, dass sie ohne Transzendenzbezug, ohne Religion auskommen und die eine Erfahrung von Lebensfülle außerhalb der religiösen Suche machen. Ich denke, das kann zu einem echten Dialog führen – diese große Vielfalt an Erfahrungen, an Suchenden.“



Diese Offenheit sei „die Grundbedingung jedes gelingenden Dialogs“ und jedes Gesprächs über Religion heute. Sicher - dem Begriff der Säkularisierung gilt es mit Vorsicht zu begegnen – darüber zeigten Schönborn und Taylor Einigkeit. Trotzdessen sei die Frage der Religion aber in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker in den Vordergrund getreten, so Schönborn:



„Der Frage nach der Religion im öffentlichen Raum kann heute niemand ausweichen. Aber das ist auch faszinierend. Ich denke, das ist eine unerwartete Entwicklung für meine Generation: Wir hätten nie gedacht, dass die Frage nach der Religion zum Schlüsselthema würde für die Weltpolitik und die Entwicklung der Gesellschaft.“



Offenbar gebe es säkulare Angebote, die diesen Geschmack den Religionen nachempfinden könnten, gab Schönborn zu. Wohin treibt es also die „Suchenden“ und warum treibt es sie aus der Kirche hinaus? Diese Frage beschäftigt auch den kanadischen Philosophen Taylor. Er hat folgende Antwort: „Die Abkehr der Menschen von den traditionellen Institutionen wie der Kirche resultiert aus der Erfahrung, dass es darin zu einer „Verengung des Spirituellen“ gekommen ist. Indem das Lehramt die Weite des Spirituellen begrenzt und klare Grenzen setzt, stellt dies für die spirituelle Suche des Menschen einen „Kollateralschaden“ dar. Das Problem für mich ist das Lehramt, so hart das auch klingen mag.“



Um so drängender müssten die Kirchen eine Antwort auf die Frage finden, wie sie mit ausufernden spirituellen Suchbewegungen umgehen, gab der Philosoph zu bedenken. Die vielfältigen Suchbewegungen - seien sie nun spirituell oder nicht - gelte es sozusagen „zu bündeln“. Wichtig dabei, so eine Ergänzung von Kardinal Schönborn, sei die Frage nach der Freiheit. Aber richtig gestellt:



„Wo finden wir wirkliche Freiheit? Wo kann der Suchende heute den wirklichen Geschmack der Freiheit finden? Das ist für mich der Schlüssel der biblischen Offenbarung. Wir müssen fragen: Bringt ein säkulares Zeitalter die Freiheit voran?“





(kap 11.06.2010 pr)

 








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