Kardinal Scherer: „Zölibatsdebatte wird nie enden“
Der brasilianische
Kardinal Odilo Scherer zieht eine sehr positive Bilanz des Priesterjahres, das am
Freitag zu Ende geht: Es habe vielen Priestern in aller Welt wieder neu vor Augen
geführt, was ihre Berufung ausmacht. Das unterstrich Scherer, der Benediktiner und
Erzbischof von Sao Paolo ist, im Gespräch mit Radio Vatikan. Zu den Missbrauchsskandalen,
die es auch in der brasilianischen Kirche gegeben hat, meinte der Kardinal: „Ja,
ausgerechnet während des Priesterjahres ist es zum Skandal gekommen! Das sind vielleicht
die Wege, wodurch Gott uns geführt hat: Das Priesterjahr sollte eigentlich ein gutes
Bild der Priester zeichnen, und es ist ausgerechnet durch Skandale (bzw. durch die
Verbreitung von Skandalen) dazu gekommen, dass die Kirche sich damit beschäftigt hat.
Ich möchte sagen: Es brauchte eine Reinigung, eine wirkliche „askesis“ von Priestern
und von der Kirche selbst – so dass wir uns jetzt am Ende des Priesterjahres vielleicht
mehr dessen besinnen, was wichtig ist für Priester und was Priester nicht tun und
nicht sein sollen.“
Kandidaten für das Priesteramt rät Kardinal Scherer,
sich „erst einmal Zeit zu lassen, zu beten und nachzudenken“ – u.a. darüber, ob sie
die Zölibatsverpflichtung wirklich „freiwillig“ übernehmen. Zur Debatte um die Ehelosigkeit
der Priester meint Scherer:
„Ich würde sagen: Nicht wegen des Zölibats ist
das Priesterbild in der Krise. Das Priesterbild gerät eher dann in die Krise, wenn
Priester nicht das tun, was sie tun sollen in der Kirche! Den Zölibat werden wohl
nicht alle Menschen verstehen oder wahrnehmen – das skandalisiert schon seit dem Beginn
der Kirche, seit der Zeit der Apostel. Da werden wir nichts ändern können: Da werden
wir ohne Ende debattieren, ohne Ergebnis... Das gehört zum Evangelium – es ist ein
Zeichen für das Reich Gottes.“ Nicht äußern wollte sich Scherer
zu der Frage, ob Jerzy Popieluszko nicht ein „moderner Patron der Priester“ wäre.
Der polnische Geistliche war am letzten Sonntag in Warschau selig gesprochen worden;
der kommunistische Geheimdienst hatte den „Solidarnosc“-Priester 1984 ermordet. Als
Patron der Priester war ursprünglich der Pfarrer von Ars, Jean-Marie Vianney, im Gespräch.
Der Papst entschied sich im letzten Augenblick aber um und will einen anderen benennen.
Das gab der Vatikan an diesem Donnerstag bekannt.
In unserem Audio-Angebot
können Sie das ganze Interview mit Kardinal Scherer hören.