„Nur wer gut informiert ist, kann mitreden“ – Missbrauchsdebatte braucht Wissenschaftlichkeit
und Rationalität
„Viel Staub und wenig Wissen“ sei in den letzten Monaten rund um das Thema Missbrauch
aufgewirbelt worden. Das findet der Autor des Buches „Kirche und Pädophilie – Eine
offene Wunde“, Pater Giovanni Cucci, der die Neuerscheinung am Dienstagabend an der
Päpstlichen Hochschule Gregoriana vorstellte. Thomas Blanck hat mit seinem Koautor,
Pater Hans Zollner, über die Motivation hinter dem Buch gesprochen.
Bisher
hätten sich viele angebliche Experten zum Missbrauch in der Kirche zu Wort gemeldet,
ohne über das nötige Sachverständnis zu verfügen, beschreibt Jesuitenpater Zollner.
Deshalb sei es an der Zeit gewesen, sich dem Thema mit einem rationalen Ansatz zu
nähern:
„Wir wollten einfach das darstellen, was aus einer wissenschaftlich
fundierten Sicht gesagt werden kann: Was sind die Zahlen über die Opfer, was sind
die Zahlen über die Täter? Welche psychodynamischen und welche soziologischen Hintergründe
gibt es? Wie kommen Menschen dazu, Missbrauchstäter zu werden? Was passiert mit den
Opfern? Wir wollten mit diesem Buch eine Vision anbieten, eine Perspektive, wo man
nicht am Phänomen der Pathologie, des Krankseins, hängen bleibt, sondern weiter drüber
hinausschaut und erkennen kann, was das vor allem für die Ausbildung von Priestern,
von Ordensleuten, von Hauptamtlichen in der Kirche bedeutet.“
Bei
der Präsentation waren auch viele junge Seminaristen, viele Novizen und Novizinnen
anwesend. Sie betreffe die Frage, wie mit dem Thema Pädophilie jetzt und in Zukunft
umgegangen werde, besonders stark, so Zollner:
„Alle Ausbilder sollen auf
einem bestimmten Niveau eine psychologische Kompetenz haben. Und dann sollen fallweise
auch psychologische Fachleute hinzugezogen werden, um herauszufinden, wo in der gesamten
Ausbildung neuralgische Punkte sind, wo man aufpassen muss. Also besonders im Bereich
der psychoaffektiven Reife, dass dort die Seminaristen und Novizen und Novizinnen
in einer Art uns Weise herangebildet werden, dass sie mit ihrem Körper, mit ihrer
Sexualität, mit ihrem Beziehungswesen gut umgehen lernen.“
Nur
drei Prozent der Missbrauchsfälle kommen aus dem Rahmen der Kirche, belegt die Neuerscheinung
der beiden Jesuiten. Trotzdem war und ist das mediale Echo auf diese Fälle riesig.
Oftmals sei dabei das Interesse an einer Schlagzeile größer als der Wunsch, differenziert
und ausgewogen zu berichten, bedauert Pater Zollner. Und dennoch habe die große Aufmerksamkeit
für das Thema auch positive Seiten:
„Die größte Sorge muss für die Kirche
sein, dass sie selber das lebt, was sie verkündet und deshalb ist es berechtigt, wenn
die Öffentlichkeit da hinschaut, es ist berechtigt, wenn die Medien dort nachhelfen,
wo die Kirche offensichtlich selber nicht in der Lage war, gut hinzuschauen. Nur muss
man dazu halt gut informiert sein – und dazu soll unser Buch dienen.“