2010-06-07 16:33:56

Polen: Seligsprechungsfeier für Popieluszko


RealAudioMP3 „Ich freue mich, dass Polen einen Fürsprecher bei Gott haben wird.“ Das hat Marianna Popieluszko gesagt. An diesem Sonntag ist Jerzy Popieluszko, der Sohn der 100-Jährigen, selig gesprochen worden. Mit einem Gehstock ist die Mutter des berühmten Widerständlers der Freiheitsbewegung Solidarnosc an das Mikrofon der Altarbühne getreten und betete vor dem offiziellen Gottesdienst den Rosenkranz. Rund 150.000 Gläubige waren zu der Feier auf dem Pilsudski-Platz in Warschau zusammengekommen. Der Präfekt der vatikanischen Heiligsprechungskommission, Erzbischof Angelo Amato, verlas das Seligsprechungsdekret von Papst Benedikt XVI.. Dieter Bingen ist Direktor des Deutschen Polen Instituts (DPI). Wieso Jerzy Popielusko, der 1984 ermordete Priester, zur Symbolfigur des kirchlichen Widerstandes wurde, dazu sagt Bingen:


„Jerzy Popieluszko war der herausragende Priester, der sich in der Zeit der Solidarnosc und nach der Verhängung des Kriegsrecht vor allem auf die Seite der Verteidiger der Menschenrechte und Bürgerrechte stellte und den Unterdrückten, den Verfolgten und ihren Familien geholfen hat. So ist er ein Symbol geworden für das Zeugnis der Kirche – eben zugunsten der Menschen gegen eine Macht, die grundlegende Menschen- und Bürgerrechte negiert hat.“

Besonderes Aufsehen erregte er als Kaplan in Warschau mit seinen mutigen Predigten.

„Er hat die Unterdrückung, die Verfolgung der Solidarnosc-Anhänger kritisiert. Seine Macht war die Macht des Wortes. Vor allem hat er aber auch konkret den Verfolgten und Anhängern der Solidarnosc mit humanitären Maßnahmen geholfen. Es gab ja auch Aktionen zu Gunsten der Aktivitäten, die aus seiner Kirche, der Stanislaw-Kostka-Gemeinde dann durchgeführt worden sind. Popieluszko war ja Pfarrer der Gemeinde, die in der Nähe der großen Stahlfabrik, der Warschauer Stahlfabrik gelegen war. Und so ist er eben ein Symbol der Unterstützung für die Arbeiterrechte geworden.“

Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes entführten Popieluszko am 19. Oktober 1984. Sie schlugen und traten ihn. Schließlich banden sie ihm Steine an die Füße und warfen ihn in einen Stausee nahe Warschaus. Dort ertrank der 37-Jährige.

„Dieser Mord war ein weiterer Beschleuniger des Zusammenbruchs des kommunistischen Regimes. Hier wurde wirklich ein sehr engagierter Priester, der sich für die Menschenrechte eingesetzt hat, ermordet. Wer die Rolle der katholischen Kirche in Polen kennt, weiß, was das zu bedeuten hatte. Gegen diese Kirche konnte eine Partei nicht wirklich mit offenem Visier vorgehen und musste dann auch zugeben, dass aus einem ihrer Bereiche dieser Mord begangen worden ist.“

Hunderttausende Menschen nahmen damals an der Totenfeier teil. Popieluszkos Grab wurde zu einem Wallfahrtsort. Am 16. Juni 1987 betete hier auch Papst Johannes Paul II.. Von den Menschen und der Kirche ist Popieluszko höchst anerkannt, so dass ein Seligsprechungsverfahren im Februar 1997 aufgenommen wird.

- Nach dem Flugzeugabsturz mit tödlichen Folgen für Polens Präsident Lech Kaczynski stehen am 20. Juni Neuwahlen in dem Land an. Es bewerben sich um das Amt Kaczynski Bruder Jaroslaw und Regierungschef Donald Tusk. Wie sieht das Erbe Popieluskos aus? Wie politisch ist heute die Kirche Polens? Dazu sagt Professor Bingen:

„Die katholische Kirche ist ja auch in der Zeit der Demokratie immer Mahner gewesen, was also jetzt die Werte anbetraf, vor allem auch die sozialen mit der Abtreibungsgesetzgebung. Sie war nach dem Tode von Papst Johannes Paul II. auch inneren Spannungen ausgesetzt und hat nicht die Stärke gezeigt, die man von ihr in der Nachfolge der Mission von Johannes Paul II. erwartet hat... Es gibt unterschiedliche Flügel in der katholischen Kirche und immer wieder auch die Verführung, sich direkt nicht als Episkopat, aber als einzelner Bischof oder auch als Priester in das politische Geschäft einzumischen und dann auch teilweise nicht frei zu sein von parteipolitischem bzw. indirekt parteipolitischem Engagement. Das ist eine große Herausforderung für die katholische Kirche: Dem Versuch zu entgehen, von den Parteien instrumentalisiert zu werden.“

(rv/kna 07.06.2010 kk)







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