2010-06-07 14:48:33

Das Interview mit Bischof Alois Schwarz zum Priesterjahr


RealAudioMP3 RV: Wir gehen auf das Ende des Priesterjahres zu, in das Priesterjahr hinein sind diese Missbrauchsfälle gekommen, aber wir reden ja auch schon länger über zurückgehende Zahlen, sowohl von Gläubigen als auch von Priestern, bei gleichbleibender Pfarrzahl sozusagen, was ja auch sehr viel Spannungen verursacht. Was sind Ihrer Meinung nach die größten, oder die größte Herausforderung des Priesterseins, die jetzt auf uns zukommen? 

Schwarz: Also ich sehe die große Herausforderung des Priesterseins darin, wie kann er in der heutigen Zeit, in der so säkularen Welt die Spur zur Spiritualität legen. Wie kann er den Weg zur Mystik gleichsam freilegen, um dem Menschen zu helfen, seine inneren Quellen der Gottsuche zu entdecken. Das ist für mich die ganz große Herausforderung in der heutigen Zeit, und da sind die Priester in der Zukunft noch mehr gefordert, die spirituellen Quellen zu entdecken. Ich beobachte ja, dass die Menschen oft viel spirituellen Ersatz suchen - in Esoterik, in philosophischen Strömungen, in manchen Praktiken, die sie sich aneignen, und eigentlich haben wir in unserem europäischen Raum aus der christlichen, aus der jüdisch-christlichen Tradition heraus einen großen Schatz an mystischen Quellen. Und wenn es dem Priester gelingt, diese Quellen freizulegen in seiner alltäglichen Arbeit, dann werden die Menschen ihn als Gesprächspartner suchen.



RV: Also ein Mystagoge? 

Schwarz: Das eine ist, er muss Mystagoge sein, also hinführen zum Heiligen, das andere ist, er muss ein sehr lebenserfahrener Deuter von Alltagsgeschichten sein – das suchen die Leute ja auch, sie suchen eine Deutung ihres Lebens, sie suchen gleichsam Sinnstiftung und fragen, wie geht es bei der Vergänglichkeit des Lebens den Blick für das Schöne zu wahren. Und vielleicht ist genau das etwas, was unsere Religion, ich sage jetzt das Christentum, auszeichnet: dass wir einen Blick auf Vergänglichkeit haben – und gleichzeitig einen Blick auf das Schöne. Also, in dieser Paradoxie leben wir, und diese Spannung mit den Leuten zu besprechen, auszuhalten, sich da einzulassen auf ihre Vergänglichkeit und ihnen gleichzeitig den Blick auf Herrlichkeit - oder ich kann es auch anders sagen - auf den offenen Himmel hin zu öffnen.



RV: Gleichzeitig wird das Priestersein aber ganz rein materiell nicht einfacher, die Zahlen werden geringer. Das wird ja auch nicht von heute auf morgen sich ändern. Sie sind ja auch in der Bischofskonferenz für Priesterseminare, für die Priesterausbildung also zuständig. Was brauchen wir für Elemente in unserer Priesterausbildung, um solche Priester, die das können, unter den augenblicklichen Bedingungen, heranzubilden? 

Schwarz: In der Priesterausbildung ist wichtig, was wir in Österreich mit dem Propädeutikum versuchen, dass die Männer, die kommen, zunächst ihren eigenen Glaubensweg sehr präzise unter Anleitung der Rektoren reflektieren. Dass sie selber in ihrer eigenen Glaubensgeschichte herausschälen, was ihre Motive sind, und was sie auf diesem Weg zum Priestertum hin an katechetischen Hilfen brauchen. Das Priesterseminar ist ja für mich die große Katechese auf die Weihe hin, und diese Katechese des Priesterseminars gilt es jetzt neu anzuschauen, im Blick auf die menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten, im Blick auf die geistig-geistliche Prägung und im Blick vor allen Dingen auch auf die theologische Auseinandersetzung. Ich glaube, wir brauchen in Zukunft Priester, die eine starke theologische Ausbildung haben, die also mit der Gabe der Vernunft den Glauben deuten können. Ich denke, dass ist die ganz große Herausforderung an die Priesterseminare, also dass wir nicht in einer Art Nivellierung nach unten, nehmen, wer halt eine spirituelle Sinnsuche in sich entdeckt hat, sondern dass wir Männer suchen, die eine große intellektuelle Spannweite haben und gleichzeitig auf der Spurensuche nach Spiritualität sind.



RV: Im Norden Deutschlands gibt es das sehr unschöne Wort der „Seelsorgekolchose“, weil da ja teilweise in gigantischen Flächen Seelsorge betrieben werden muss. Der Priester, ich habe das selber in Chile erlebt, muss dann teilweise wild durch die Gegend fahren, dass also quasi Sonntag ist, wenn der Pfarrer kommt. Das sind natürlich nicht Bedingungen, unter denen so etwas Wurzeln fassen kann. Werden Priesteramtskandidaten auf diese sehr belastende Situation ausreichend vorbereitet? 

Schwarz: Ich glaube, der Regens muss im Laufe der Priesterausbildung bei den Kandidaten herausfinden, helfen, für welche Form des priesterlichen Einsatzes ist der Betreffende begabt. Bei mir ist es so: Nicht jeder, der Priester wird, muss gleichsam Pfarrer von mehreren Pfarren werden. Wir brauchen auch den Priester, der als Spiritual da ist, wir brauchen den Priester, der in der Trauerbegleitung da ist, einen anderen Priester wieder, der in der geistlichen Begleitung sich auszeichnet, wir haben einen Priester, der da ist für die Pilger- und Wallfahrtsbewegung. Und andere Männer sind wieder geeignet, einen größeren Raum als Seelsorger gleichsam missionarisch zu betreuen. Ich denke, zumindest ich versuche das als Bischof, meine Seminaristen zu entlasten, dass jeder für sich sieht, er muss gleichsam so Großraumpfarrer werden.



RV: Abschließende Frage: Im Rückblick, was hat dieses Priesterjahr für Sie in Ihrer Diözese für Sie selber an Funken geschlagen, an Dingen gebracht? 

Schwarz: Also wir hatten das Priesterjahr begonnen mit einer großen gemeinsamen Feier zur Eröffnung des Priesterjahres, wo die Priester zusammengekommen sind und die Erfahrung gemacht haben, dass wir als Presbyterium zusammenstehen. Dann hat das Priesterjahr auch in der Herausforderung durch die Missbrauchsfälle ein neues Zusammenstehen der Priester gebracht. Als Priester dafür einzustehen den Weg mit der Kirche zu gehen, auch wenn man in der Öffentlichkeit belächelt, manchmal sogar beschimpft oder mit Aggressionen bedacht wird, das führte zu einem inneren Zusammenstehen des Presbyteriums. Wir werden das Priesterjahr mit einer Priesterwallfahrt abschließen, um wieder deutlich zu machen: Die Priester in unserer Diözese stehen zusammen, sie verdächtigen einander nicht, sondern sie versuchen einander zu helfen, auch im Bestehen der Herausforderung der konkreten Lebensform der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen.



(rv 07.06.2010 tb)








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