Das Interview mit Bischof Alois Schwarz zum Priesterjahr
RV: Wir gehen
auf das Ende des Priesterjahres zu, in das Priesterjahr hinein sind diese Missbrauchsfälle
gekommen, aber wir reden ja auch schon länger über zurückgehende Zahlen, sowohl von
Gläubigen als auch von Priestern, bei gleichbleibender Pfarrzahl sozusagen, was ja
auch sehr viel Spannungen verursacht. Was sind Ihrer Meinung nach die größten, oder
die größte Herausforderung des Priesterseins, die jetzt auf uns zukommen?
Schwarz:
Also ich sehe die große Herausforderung des Priesterseins darin, wie kann er in der
heutigen Zeit, in der so säkularen Welt die Spur zur Spiritualität legen. Wie kann
er den Weg zur Mystik gleichsam freilegen, um dem Menschen zu helfen, seine inneren
Quellen der Gottsuche zu entdecken. Das ist für mich die ganz große Herausforderung
in der heutigen Zeit, und da sind die Priester in der Zukunft noch mehr gefordert,
die spirituellen Quellen zu entdecken. Ich beobachte ja, dass die Menschen oft viel
spirituellen Ersatz suchen - in Esoterik, in philosophischen Strömungen, in manchen
Praktiken, die sie sich aneignen, und eigentlich haben wir in unserem europäischen
Raum aus der christlichen, aus der jüdisch-christlichen Tradition heraus einen großen
Schatz an mystischen Quellen. Und wenn es dem Priester gelingt, diese Quellen freizulegen
in seiner alltäglichen Arbeit, dann werden die Menschen ihn als Gesprächspartner suchen.
RV:
Also ein Mystagoge?
Schwarz: Das eine ist, er muss Mystagoge sein, also
hinführen zum Heiligen, das andere ist, er muss ein sehr lebenserfahrener Deuter von
Alltagsgeschichten sein – das suchen die Leute ja auch, sie suchen eine Deutung ihres
Lebens, sie suchen gleichsam Sinnstiftung und fragen, wie geht es bei der Vergänglichkeit
des Lebens den Blick für das Schöne zu wahren. Und vielleicht ist genau das etwas,
was unsere Religion, ich sage jetzt das Christentum, auszeichnet: dass wir einen Blick
auf Vergänglichkeit haben – und gleichzeitig einen Blick auf das Schöne. Also, in
dieser Paradoxie leben wir, und diese Spannung mit den Leuten zu besprechen, auszuhalten,
sich da einzulassen auf ihre Vergänglichkeit und ihnen gleichzeitig den Blick auf
Herrlichkeit - oder ich kann es auch anders sagen - auf den offenen Himmel hin zu
öffnen.
RV: Gleichzeitig wird das Priestersein aber ganz rein materiell
nicht einfacher, die Zahlen werden geringer. Das wird ja auch nicht von heute auf
morgen sich ändern. Sie sind ja auch in der Bischofskonferenz für Priesterseminare,
für die Priesterausbildung also zuständig. Was brauchen wir für Elemente in unserer
Priesterausbildung, um solche Priester, die das können, unter den augenblicklichen
Bedingungen, heranzubilden?
Schwarz: In der Priesterausbildung ist wichtig,
was wir in Österreich mit dem Propädeutikum versuchen, dass die Männer, die kommen,
zunächst ihren eigenen Glaubensweg sehr präzise unter Anleitung der Rektoren reflektieren.
Dass sie selber in ihrer eigenen Glaubensgeschichte herausschälen, was ihre Motive
sind, und was sie auf diesem Weg zum Priestertum hin an katechetischen Hilfen brauchen.
Das Priesterseminar ist ja für mich die große Katechese auf die Weihe hin, und diese
Katechese des Priesterseminars gilt es jetzt neu anzuschauen, im Blick auf die menschlichen
Entfaltungsmöglichkeiten, im Blick auf die geistig-geistliche Prägung und im Blick
vor allen Dingen auch auf die theologische Auseinandersetzung. Ich glaube, wir brauchen
in Zukunft Priester, die eine starke theologische Ausbildung haben, die also mit der
Gabe der Vernunft den Glauben deuten können. Ich denke, dass ist die ganz große Herausforderung
an die Priesterseminare, also dass wir nicht in einer Art Nivellierung nach unten,
nehmen, wer halt eine spirituelle Sinnsuche in sich entdeckt hat, sondern dass wir
Männer suchen, die eine große intellektuelle Spannweite haben und gleichzeitig auf
der Spurensuche nach Spiritualität sind.
RV: Im Norden Deutschlands
gibt es das sehr unschöne Wort der „Seelsorgekolchose“, weil da ja teilweise in gigantischen
Flächen Seelsorge betrieben werden muss. Der Priester, ich habe das selber in Chile
erlebt, muss dann teilweise wild durch die Gegend fahren, dass also quasi Sonntag
ist, wenn der Pfarrer kommt. Das sind natürlich nicht Bedingungen, unter denen so
etwas Wurzeln fassen kann. Werden Priesteramtskandidaten auf diese sehr belastende
Situation ausreichend vorbereitet?
Schwarz: Ich glaube, der Regens muss
im Laufe der Priesterausbildung bei den Kandidaten herausfinden, helfen, für welche
Form des priesterlichen Einsatzes ist der Betreffende begabt. Bei mir ist es so: Nicht
jeder, der Priester wird, muss gleichsam Pfarrer von mehreren Pfarren werden. Wir
brauchen auch den Priester, der als Spiritual da ist, wir brauchen den Priester, der
in der Trauerbegleitung da ist, einen anderen Priester wieder, der in der geistlichen
Begleitung sich auszeichnet, wir haben einen Priester, der da ist für die Pilger-
und Wallfahrtsbewegung. Und andere Männer sind wieder geeignet, einen größeren Raum
als Seelsorger gleichsam missionarisch zu betreuen. Ich denke, zumindest ich versuche
das als Bischof, meine Seminaristen zu entlasten, dass jeder für sich sieht, er muss
gleichsam so Großraumpfarrer werden.
RV: Abschließende Frage: Im
Rückblick, was hat dieses Priesterjahr für Sie in Ihrer Diözese für Sie selber an
Funken geschlagen, an Dingen gebracht?
Schwarz: Also wir hatten das Priesterjahr
begonnen mit einer großen gemeinsamen Feier zur Eröffnung des Priesterjahres, wo die
Priester zusammengekommen sind und die Erfahrung gemacht haben, dass wir als Presbyterium
zusammenstehen. Dann hat das Priesterjahr auch in der Herausforderung durch die Missbrauchsfälle
ein neues Zusammenstehen der Priester gebracht. Als Priester dafür einzustehen den
Weg mit der Kirche zu gehen, auch wenn man in der Öffentlichkeit belächelt, manchmal
sogar beschimpft oder mit Aggressionen bedacht wird, das führte zu einem inneren Zusammenstehen
des Presbyteriums. Wir werden das Priesterjahr mit einer Priesterwallfahrt abschließen,
um wieder deutlich zu machen: Die Priester in unserer Diözese stehen zusammen, sie
verdächtigen einander nicht, sondern sie versuchen einander zu helfen, auch im Bestehen
der Herausforderung der konkreten Lebensform der Ehelosigkeit um des Himmelreiches
willen.