Mit Freude grüße ich die Patriarchen
und Bischöfe der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften im Nahen Osten, die zu diesem
Anlaß nach Zypern gekommen sind, und ich danke besonders Seiner Exzellenz Youssef
Soueif, dem Maronitischen Erzbischof von Zypern, für die Worte, die er zu Beginn dieser
Meßfeier an mich gerichtet hat. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an Seine Seligkeit
Chrysostomos II. Ich möchte euch auch sagen, wie froh ich bin, daß ich die Gelegenheit
habe, die Eucharistie mit so vielen Gläubigen aus Zypern zu feiern, einem Land, das
durch das apostolische Wirken des heiligen Paulus und des heiligen Barnabas gesegnet
wurde. Euch alle grüße ich von Herzen und danke euch für die Gastfreundschaft und
den großzügigen Empfang, den ihr mir bereitet habt. Einen besonderen Gruß richte ich
an die Einwanderergemeinschaften von den Philippinen, aus Sri Lanka und aus anderen
Ländern, die einen bedeutenden Anteil an der katholischen Bevölkerung auf dieser Insel
ausmachen. Ich bete, daß eure Gegenwart hier das Leben und den Gottesdienst der Pfarreien,
zu denen ihr gehört, bereichern möge und daß ihr eurerseits viel geistlichen Halt
aus dem alten christlichen Erbe dieses Landes schöpfen könnt, das ihr als neues Zuhause
erwählt habt. Heute feiern wir hier Fronleichnam, das Hochfest des Leibes und
Blutes unseres Herrn. Corpus Christi, der Name, den dieses Fest im Westen trägt,
bezeichnet in der Tradition der Kirche drei verschiedene Realitäten: den physischen
Leib Christi, der aus der Jungfrau Maria geboren wurde; seinen eucharistischen Leib,
das Brot vom Himmel, das uns in diesem großen Sakrament nährt; und seinen gemeinschaftlichen
Leib, die Kirche. Wenn wir über diese drei verschiedenen Aspekte des Corpus Christi
nachdenken, gelangen wir zu einem tieferen Verständnis des Geheimnisses der Gemeinschaft,
die jene, die zur Kirche gehören, miteinander verbindet. Alle, die in der Eucharistie
den Leib und das Blut Christi empfangen, dürfen „eins werden durch den Heiligen Geist“
(Zweites Eucharistisches Hochgebet) und bilden das eine heilige Volk Gottes. So wie
der Heilige Geist im Abendmahlssaal von Jerusalem auf die Apostel herabkam, so wirkt
derselbe Heilige Geist auch in jeder Meßfeier auf zweifache Weise: Er heiligt die
Gaben von Brot und Wein, so daß sie zum Leib und Blut Christi werden, und er erfüllt
alle, die diese heiligen Gaben als Nahrung empfangen, so daß sie ein Leib und ein
Geist werden in Christus. Der heilige Augustinus beschreibt diesen Vorgang auf
wunderbare Weise (vgl. Sermo 272). Er ruft uns in Erinnerung, daß das Brot
nicht aus einem einzigen Korn, sondern aus sehr vielen Körnern gemacht ist. Bevor
all diese Körner Brot werden können, müssen sie gemahlen werden. Damit spielt er auf
den Exorzismus an, dem sich die Katechumenen vor ihrer Taufe unterziehen müssen. Jeder
von uns, die wir zur Kirche gehören, muß aus der abgeschlossenen Welt seiner Individualität
heraustreten und die „Kameradschaft“ der anderen annehmen, die mit uns „das Brot brechen“.
Wir dürfen nicht mehr vom „Ich“ her denken, sondern vom „Wir“. Darum beten wir immer
Vater „unser“ und bitten um „unser“ tägliches Brot. Das Niederreißen der Mauern zwischen
uns und unseren Nächsten ist der erste notwendige Schritt, um in das göttliche Leben
einzutreten, zu dem wir berufen sind. Wir müssen von all dem befreit werden, das uns
einschließt und isoliert: von Angst und Mißtrauen gegenüber den anderen, von Habgier
und Egoismus sowie vom bösen Willen. Dann erst können wir das Risiko der Verwundbarkeit
eingehen, der wir uns aussetzen, sooft wir uns für die Liebe öffnen. Die Weizenkörner
werden, sobald sie gemahlen sind, zu einem Teig vermischt und gebacken. Das bezieht
der heilige Augustinus auf das Eintauchen in das Wasser der Taufe und die daraus folgende
sakramentale Gabe des Heiligen Geistes, die das Herz der Gläubigen mit dem Feuer der
Liebe Gottes entflammt. Dieser Vorgang, der die verstreuten Körner vereint und in
ein einziges Brot verwandelt, zeigt uns in einem suggestiven Bild das einende Wirken
des Heiligen Geistes über die Glieder der Kirche, das sich auf herausragende Weise
durch die Feier der Eucharistie vollzieht. Die an diesem großen Sakrament teilnehmen,
werden der gemeinschaftliche Leib Christi, da sie durch seinen eucharistischen Leib
genährt werden. „Sei das, was du sehen kannst“, sagt der heilige Augustinus und ermutigt
sie weiter: „und empfange das, was du bist“. Diese ausdrucksstarken Worte laden
uns ein, großzügig auf den Ruf zu antworten, „Christus zu sein“ für die Menschen,
denen wir begegnen. Wir sind jetzt sein Leib auf der Erde. In leichter Abwandlung
können wir mit einem der heiligen Theresia von Avila zugeschriebenen berühmten Wort
sagen: Wir sind die Augen, mit denen sein Mitleid auf die Notleidenden schaut; wir
sind die Hände, die er zum Segnen und Heilen ausstreckt; wir sind die Füße, deren
er sich bedient, um hinzugehen und Gutes zu tun; und wir sind die Lippen, die sein
Evangelium verkünden. Es ist aber wichtig festzuhalten, daß wir, wenn wir so an seinem
Heilswirken teilnehmen, nicht bloß das Andenken an einen toten Helden ehren, indem
wir das fortsetzen, was er getan hat. Ganz im Gegenteil: Christus lebt in uns, seinem
Leib, der Kirche, seinem priesterlichen Volk. Wenn wir ihn in der Eucharistie als
Nahrung empfangen und den Heiligen Geist in unsere Herzen aufnehmen, dann werden wir
wirklich der Leib Christi, den wir empfangen haben, dann sind wir tatsächlich in Gemeinschaft
mit ihm und untereinander und werden in Wahrheit seine Werkzeuge, die vor der Welt
Zeugnis für ihn geben. „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“
(Apg 4,32). In der ersten christlichen Gemeinde, die sich vom Tisch des Herrn
nährt, sehen wir das Ergebnis des einenden Wirkens des Heiligen Geistes. Sie teilten
untereinander ihre Güter, wobei jede Bindung an das Materielle durch die Liebe zu
den Brüdern und Schwestern überwunden wurde. Sie fanden gerechte Lösungen für ihre
Meinungsverschiedenheiten, wie wir es zum Beispiel bei der Beilegung der Auseinandersetzung
zwischen Hellenisten und Hebräern hinsichtlich der täglichen Versorgung sehen können
(vgl. Apg 6,1-6). Ein späterer Beobachter sagte: „Seht, wie diese Christen
einander lieben und wie sie bereit sind, füreinander zu sterben“ (Tertullian, Apologie,
39). Doch ihre Liebe war in keiner Weise nur auf ihre Glaubensbrüder beschränkt. Sie
sahen sich nicht als exklusive und bevorzugte Empfänger des göttlichen Wohlwollens,
sondern vielmehr als Boten, die gesandt sind, um die Frohbotschaft des Heils in Christus
bis an die Enden der Erde zu tragen. So verbreitete sich die Botschaft, die der auferstandene
Herr den Aposteln anvertraut hatte, im ganzen Nahen Osten und darüber hinaus in der
ganzen Welt. Liebe Brüder und Schwestern in Christus, heute sind wir so wie die
Christen damals dazu berufen, ein Herz und eine Seele zu sein, unsere Gemeinschaft
mit dem Herrn und untereinander zu vertiefen und vor der Welt für ihn Zeugnis zu geben.
Wir sind berufen, unsere Auseinandersetzungen zu überwinden, in Konfliktsituationen
Frieden und Versöhnung zu stiften und der Welt eine Botschaft der Hoffnung zu geben.
Wir sind berufen, uns für die Menschen in Not zu öffnen und unsere irdischen Güter
großzügig mit all jenen zu teilen, denen es weniger gut geht als uns. Und wir sind
berufen, ohne Unterlaß den Tod und die Auferstehung des Herrn zu verkünden, bis er
wiederkommt. Durch ihn, mit ihm und in ihm, in der Einheit, die der Heilige Geist
der Kirche schenkt, wollen wir Gott, unseren himmlischen Vater, verehren und preisen
in der Gemeinschaft mit allen Engeln und Heiligen, die in Ewigkeit sein Lob singen.
Amen.