2010-06-04 08:29:01

Fronleichnam: Priestertum Christi verwandelt die Welt


Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt des Heiligen Vaters zum Hochfest des Leibes und Blutes unseres Herrn, Fronleichnam.



Liebe Schwestern und Brüder,

das Priestertum des Neuen Testaments ist vollständig an die Eucharistie gebunden. Deswegen sind wir heute – fast am Ende des Priesterjahres – eingeladen, den Zusammenhang zwischen Eucharistie und dem Priestertum Christi zu betrachten. In die gleiche Richtung weisen uns auch die erste Lesung und der Antwortpsalm, die uns die Person des Melchisedek vorstellen. Der kurze Passus aus dem Buch Genesis (Gen 14:18-20) bestätigt, dass Melchisedek, der König von Salem, „Priester des höchsten Gottes“ war und deswegen „Brot und Wein“ anbot und „Abram segnete“, der von einem Sieg in einer Schlacht zurückkehrte. Abram selber gab ihm den zehnten Teil von allem. Der Psalm hingegen enthält in seinem letzten Vers eine feierliche Formulierung, ein Urteil von Gott selbst, der über den König Messias sagt: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“ (Ps 110:4).

Von dieser Schriftstelle aus nimmt der Autor des Hebräerbriefes seine Anregung für seine weite und umfassende Ausführung. Und wir haben in der Antifon geantwortet: „Du bist Priester auf ewig“ – geradezu ein Glaubensbekenntnis, das am heutigen Fest eine besondere Bedeutung bekommt. Es ist die Freude der Gemeinschaft, die Freude der ganzen Kirche, die heute das allerheiligste Sakrament betrachtend und anbetend in ihm die wirkliche und dauernde Anwesenheit Jesu erkennt, des ewigen Hohenpriesters.

Die zweite Lesung und das Evangelium richten unsere Aufmerksamkeit dagegen auf das eucharistische Geheimnis. Aus dem 1. Korintherbrief (11:23-26) ist das grundlegende Stück ausgewählt, in dem der heilige Paulus in dieser Gemeinde die Bedeutung und den Wert des Abendmahls der Herrn wieder wachruft, das der Apostel überbracht und gelehrt hatte, das aber in Gefahr war, vergessen zu werden. Das Evangelium dagegen ist eine Erzählung des Wunders der Brote und der Fische, in der Fassung des Heiligen Lukas: ein Zeichen, das von allen Evangelisten überliefert wird und das die Gabe vorankündigt, die Christus selbst geben wird, dadurch dass er der Menschheit das ewige Leben gibt. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Geschehnissen: Als er das Brot und die Fische für die Menge teilte, dankte Jesus dem himmlischen Vater für seine Vorsehung, gewiss, dass es Ihm nicht an Speise für die vielen Menschen fehlen werde. Im letzten Abendmahl dagegen verwandelt Jesus das Brot und den Wein in seinen eigenen Körper, damit seine Jünger durch Ihn gestärkt würden und in einer engen und echten Gemeinschaft mit Ihm leben können.

Die erste Sache, die wir immer erinnern müssen, ist, dass Jesus kein Priester nach jüdischer Tradition war. Er stammte nicht aus einer priesterlichen Familie. Er stammte nicht von Aaron ab, sondern von Juda, und deswegen war ihm der Weg zum Priestertum versperrt. Die Person und die Handlungen Jesu von Nazareth fanden nicht in der Nachfolge der antiken Priester statt, sondern in der der Propheten. Dieser Linie folgend distanziert Jesus sich von einem rituellen Verständnis von Religion und kritisierte die Vorstellung, die die Bedeutung der menschlichen Sünde auf rituelle Reinheit und nicht auf die Gebote Gottes legte, also auf die Liebe Gottes und des Nächsten, die „weit mehr sind als alle Ganzbrandopfer und alle Opfer“ (Mk 12:33). Sogar im Inneren des Tempels von Jerusalem, dem allerheiligsten Ort, tut Jesus ein wahrhaft prophetisches Zeichen, als er die Geldwechsler und die Tierverkäufer vertreibt, also all die Dinge, die man für die traditionelle Opferung brauchte. Deswegen wird Jesus nicht als priesterlicher Messias betrachtet, sondern als prophetischer und königlicher. Auch sein Tod, den wir Christen zu Recht ein Opfer nennen, hatte nichts von den alten Opfern, im Gegenteil, er war das ganze Gegenteil: die Ausführung eines Todesurteils durch Kreuzigung, das beschämendste, ausgeführt vor den Mauern Jerusalems.

In welchem Sinn ist Jesus also Priester? Das sagt uns die Eucharistie. Wir können beginnen mit den einfachen Worten, die Melchisedek beschreiben: Er brachte Brot und Wein (Gen 14:18). Dies ist es, was Jesus im letzten Abendmahl tat: Er brachte Brot und Wein, und in dieser Geste hat er sich selbst und seinen ganzen Auftrag zusammen gefasst. In dieser Handlung, im Gebet, das dem vorangeht und in den Worten, die sie begleiten, ist die ganze Bedeutung des Geheimnisses enthalten, wie es der Hebräerbrief in einem entscheidenden Passus ausdrückt, den wir wiederholen müssen: „Als er auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden und wurde von Gott angeredet als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks“ (Hebr 5:7-10). In diesem Text, der klar auf die geistliche Agonie von Gethsemani anspielt, wird das Leiden Christi als Gebet und als eine Gabe dargestellt. Jesus begegnet seiner „Stunde“, die ihn zum Tod am Kreuz führen wird, in tiefem Gebet, das in der Einheit seines Willens mit dem des Vaters besteht. Dieser doppelte und doch eine Wille ist ein Wille der Liebe. Gelebt in diesem Gebet, wird die Tragödie, der Jesus sich stellt, zu einer Gabe, zu einem lebendigen Opfer.

Der Hebräerbrief sagt, dass Jesus erhört wurde. In welchem Sinn? In dem Sinn, dass Gott Vater ihn aus dem Tod befreit und auferweckt hat. Er wurde erhört wegen seiner vollen Aufgabe des eigenen Willens an den des Vaters: Das Bild der Liebe Gottes konnte sich perfekt in Jesus vollenden, der, gehorsam bis zum Ende, bis zum Tod am Kreuz, zum „Grund der Erlösung“ wurde für alle, die Ihm gehorsam sind. Er wird so zum Hohepriester, dass er die gesamte Sünde der Welt auf sich nimmt; als das „Lamm Gottes“. Es ist der Vater, der ihm das Priestertum in dem Moment übertragen hat, als Jesus durch den Tod in die Auferstehung ging. Es ist kein Priestertum nach der Ordnung des Gesetzes des Mose (Lev 8-9), sondern nach der Ordnung Melchisedeks, nach der prophetischen Ordnung, ein Priestertum, das ganz von seiner einzigartigen Beziehung zu Gott abhängt.

Kehren wir zurück zum Hebräerbrief, der sagt: „Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“. Das Priestertum Christi enthält das Leiden. Jesus hat wahrhaft gelitten, und hat dies für uns getan. Er war der Sohn und musste den Gehorsam dem Vater gegenüber nicht lernen, aber wir schon, wir brauchen dieses Lernen. Weil der Sohn unsere Menschlichkeit angenommen hat und er sich für uns „erziehen“ ließ durch das Leiden, hat er sich durch das Leiden verwandeln lassen, wie das Weizenkorn, das in die Erde fallen und sterben muss, um Frucht zu tragen. Durch diesen Prozess ist Jesus „zur Vollendung gelangt“, auf Griechisch teleiotheis. Wir müssen bei diesem Ausdruck verweilen, weil er sehr bedeutsam ist. Er deutet auf die Erfüllung eines Weges, genauer des Weges der Erziehung und der Verwandlung des Sohnes Gottes durch das Leiden, durch die schmerzvolle Passion. Dank dieser Verwandlung wurde Jesus Christus Hohepriester und konnte so alle retten, die sich Ihm anvertrauen. Der Begriff teleiotheis, zurecht übersetzt als „zur Vollendung gebracht“, stammt aus einer Wortwurzel, die in der griechischen Version des Pentateuch, der ersten fünf Bücher der Bibel, immer benutzt wird, um die Weihe der alten Priester anzuzeigen. Diese Entdeckung ist überaus wertvoll, denn sie sagt aus, dass die Passion für Jesus wie eine Priesterweihe war. Er war nicht Priester nach dem Gesetz, sondern wurde es auf ganz existenzielle Weise in seinem österlichen Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung: Er hat sich selbst hingegeben als Sühne und der Vater hat ihn durch die Erhebung über alle Schöpfung zum Bringer des universalen Heiles gemacht.

Kehren wir in unserer Betrachtung zur Eucharistie zurück, die in Kürze im Zentrum unserer liturgischen Versammlung stehen wird. In ihr hat Jesus sein Opfer vorweggenommen, nicht ein rituelles Opfer, sondern ein persönliches. Im letzten Abendmahl handelt er bewegt von jenem ewigen Geist, dem er sich am Kreuz anempfiehlt (Heb 9:14). Dankend und segnend verwandelt Jesus Brot und Wein. Es ist die göttliche Liebe, die verwandelt: die Liebe, mit der Jesus in Vorwegnahme seine Selbsthingabe für uns annimmt. Diese Liebe ist nichts anderes als der Heilige Geist, der Geist des Vaters und des Sohnes, der das Brot und den Wein heiligt und ihre Substanz wandelt in den Leib und das Blut des Herrn und ihn dadurch gegenwärtig macht. Im Sakrament wird dasselbe Opfer gegenwärtig, das dann zum blutigen Opfer des Kreuzes wird. Wir können daraus schließen, dass Christus wahrer und echter Priester ist, weil er erfüllt war von der Kraft des Heiligen Geistes, es war der Gipfel der Liebe, der ganzen Fülle der Liebe Gottes, und dies „in der Nacht, in der er verraten wurde“, in der „Stunde der Finsternis“ (Lk 22:53). Diese göttliche Macht, dieselbe, die die Fleischwerdung des Wortes vollbrachte, vollbringt die Verwandlung der extremen Gewalt und der extremen Ungerechtigkeit in einem großen Akt der Liebe. Das ist das Werk des Priestertums Christi, das die Kirche geerbt hat und durch die Zeiten weitergibt, in der zweifachen Form des allgemeinen Priestertums der Getauften und des Weihepriestertums, um die Welt durch die Liebe Gottes zu verwandeln. Alle, Priester und Gläubige, nähren uns an derselben Eucharistie, wir alle werfen uns nieder, um sie zu verehren, weil in ihr unser Lehrer und Herr gegenwärtig ist, weil in ihr der wahre Leib Christi gegenwärtig ist, Opfer und Priester, Heil der Welt.



Kommt, jubeln wir mit Freudengesängen, kommt, beten wir an!



Amen








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