Ein muslimischer Gymnasiast
darf sein Mittagsgebet nicht auf dem Schulgelände verrichten. Das gefährde den Schulfrieden,
entschied das Berliner Oberverwaltungsgericht. Die Türkische Gemeinde begrüßt das
Urteil. Die katholische Kirche hingegen zieht eine gemischte Bilanz. Einerseits erkenne
man die Schwierigkeiten von Schulen an, den Wunsch von Schülern nach Gebetsmöglichkeiten
mit dem eigenen Anspruch auf Neutralität vereinbaren zu müssen, so Stefan Förner,
Sprecher des Erzbistums Berlin gegenüber dem Kölner Domradio. Man müsse aber auch
„beten dürfen.“ Förner:
„Nach der Entscheidung
des Verwaltungsgerichts, das anders entschieden und die Religionsfreiheit an höchster
Stelle gewichtet hat, sind wir überrascht. Das Oberverwaltungsgericht hat nun gesagt,
man müsse hier eine Einschränkung der Religionsfreiheit in Kauf nehmen - zum Schutz
anderer Verfassungsgüter. Das ist im Prinzip eine Umkehrung der Argumentation. Das
kam unerwartet für uns, das kann man anders nicht sagen. Weil: Beten muss man dürfen.“
Das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg begründete sein Urteil unter anderem damit,
dass die Erlaubnis für Ritualgebete für Schüler anderer Glaubensrichtungen oder für
Nichtgläubige eine „Einschränkung“ bedeute.
„Man muss sehen: Warum
betet jemand? Wenn man das jetzt mal ganz katholisch betrachtet, kann man immer und
überall beten, ohne dass man sich groß erhebt oder niederkniet. Natürlich gibt es
das kniende Gebet, das ist ein besonderes Gebet. Aber Beten kann man immer und überall,
ohne einen besonderen Anlass. Und ohne die Stimme zu erheben. Es gibt natürlich schon
den berechtigten Verdacht, dass es Schüler gibt, die mit diesem Gebet auch noch etwas
anderes zum Ausdruck bringen wollen. Dass sie im Prinzip eine Provokation damit verbinden
oder eine Art Missionierung - was man letztlich nie richtig nachweisen kann. Dass
man das ernst nimmt, dass es auch innerhalb des Islams sehr unterschiedliche und konkurrierende
Gruppen gibt, die es an dieser Schule auch gibt, dass das Gericht darauf eingeht -
das muss man durchaus anerkennen.“
Weiter begründete das Gericht sein
Urteil damit, dass die Inanspruchnahme der Religionsfreiheit in Form ritueller Gebete
ein Konfliktpotential berge. Förner:
„Ich wäre vorsichtig optimistisch,
dass man trotzdem den christlich-islamischen Dialog führen kann, der muss ja nicht
nur an der Schule stattfinden. Sondern es gibt ja auch viele andere Begegnungsmöglichkeiten,
wo das passieren kann. Auch unterschiedliche Ebenen. Gemeinsam Beten mit Muslimen
können wir nicht, einen gemeinsamen Dialog führen, das können wir.“
Mit
seinem Urteil habe das Oberverwaltungsgericht Berlin Ritualgebete ja nicht grundsätzlich
verboten, sondern nur den Schulen das Recht zum Verbot eingeräumt.
„Die
Frage ist, inwiefern so ein Raum dann angenommen werden kann, angenommen wird und
wem er hilft. Das müsste konkret die Schule lösen. Ich habe den Eindruck: Wenn man
den Schulen zutraut, sensibel mit dem Thema umzugehen, werden die in der jeweiligen
Situation auch zu einer tragfähigen Lösung kommen. Man muss sehen, dass es hier bei
dem Fall um eine Schule ging, die wirklich alle Religionsgemeinschaften an ihrer Schule
hat. Es gibt ja ganz unterschiedliche Milieus, unterschiedliche Umgebungen, wo sich
die religiöse Wirklichkeit der Gesellschaft anders darstellt.“