Hunderttausende Liter
Öl fließen seit dem Untergang der Ölbohrinsel Deepwater Horizon vor mehr als einem
Monat jeden Tag in den Golf von Mexiko. Die Schuld an der Naturkatastrophe trägt der
Energiekonzern BP - und trotzdem ist jetzt vor allem die Politik zum Umdenken aufgerufen.
Das stellt der katholische Journalist und Publizist Franz Alt im Gespräch mit dem
Kölner Domradio klar.
„Das ist wirklich eine riesige Katastrophe, die
wir dort erleben. Und das Eigenartige ist: Es wäre nicht notwendig. Wir brauchen kein
Öl, wir brauchen kein Atom, wir brauchen keine Kohle. Wir haben schon lange Alternativen,
wir wissen seit Jahrzehnten, dass wir rasch den hundertprozentigen Umstieg auf erneuerbare
Energie organisieren müssen. Und trotzdem verbrennen wir heute noch an jedem Tag so
viel Kohle, Gas und Öl, wie die Natur in einer Million Tagen angesammelt hat. Das
ist das größte Verbrechen - auch ohne diesen Unfall. Einfach der Einsatz von Kohle,
Gas und Öl ist das größte Verbrechen, das die Menschheit je an künftigen Generationen
begangen hat. Dabei haben wir alle Alternativen der Welt, es intelligenter und anders
zu machen.“ Die Frage nach der Verantwortung führe dabei unweigerlich
zu der Frage, ob im Meer überhaupt gebohrt werden dürfe, so Alt:
„Das müsste
verboten werden! Wir haben mal angefangen damit, nach dem Zweiten Weltkrieg in fünf
Metern Tiefe zu bohren. Die Ölbohrinsel im Golf von Mexiko liegt in 1.500 Metern Tiefe.
Demnächst sollen es 4.000 Meter sein. Wir sind überhaupt nicht vorbereitet, die entsprechenden
Unfälle auch wieder in den Griff zu bekommen, das sehen wir gerade jeden Tag. Die
einzige Konsequenz, die politisch gezogen werden muss, heißt: Tiefenbohrungen im Meer
müssen grundsätzlich verboten werden. Und wir müssen die Alternativen, die wir schon
haben, stärken. Das wäre verantwortliche Politik. Alles andere ist nicht mehr zu verantworten.“ Angesichts
dieser Fakten müsse eigentlich ein Ruck durch die Politik und die öffentliche Meinungsbildung
gehen. Bislang, das bedauert der Publizist, bleibe der allerdings aus:
„Die
aktuellen Finanzkatastrophen treiben uns immer mehr um als die eigentlichen Katastrophen.
Die Finanzkrise ist eine Krise von zwei, drei Jahren. Die Energiekrise ist die Überlebensfrage
der Menschheit, eine Jahrtausendkatastrophe. Wir Journalisten sind nur auf das Aktuelle
fixiert. Wir sind gegenwartsversessen und zukunftsvergessen. Das ist eines unserer
Hauptprobleme. Deshalb werden die entscheidenden Fragen immer hinten angestellt und
nicht so behandelt, wie sie eigentlich behandelt werden sollten.“ Das
liegt nach Meinung des Journalisten auch an der schier unauflösbaren und omnipräsenten
Verquickung von Energie-Lobby und Politik:
„Der Krieg im Irak war ein Krieg
um Öl - um nichts sonst. Wenn im Irak nur Bananen wachsen würden, wäre dort kein einziger
amerikanischer Soldat. Und jetzt die Ölkatastrophe! Was muss eigentlich noch passieren,
bis wir politisch diese Verflechtung entflechten? Auch in Deutschland ist das so.
Die Energie-Wirtschaft hat verhindert, dass wir eine Rot-Rot-Grüne Regierung bekommen
haben. Die Energie-Wirtschaft wird verhindern, dass wir eine Schwarz-Grüne Koalition
bekommen. Diesen Zusammenhang müssen wir Journalisten endlich thematisieren, dann
geht es ans Eingemachte. Die Energie-Wirtschaft ist eine Mafia, in den USA und Deutschland,
ein Staat im Staat! Das ist das eigentliche Problem. Und sie wird nicht demokratisch
kontrolliert und im Zaum gehalten.“ (domradio 27.05.2010 vp)