Der Streit zwischen
dem tschechischen Staat und der katholischen Kirche um den Prager Veitsdom ist offiziell
beigelegt. Seit Gründung der Tschechischen Republik hatte es Auseinandersetzungen
darüber gegeben, wer rechtmäßiger Eigentümer des wichtigsten böhmischen Gotteshauses
ist. Nun verzichtet die Kirche auf ihre Eigentumsansprüche – mit dieser Einigung wurden
die juristischen Streitigkeiten für beendet erklärt. Der Leiter von Radio Prag, Gerald
Schubert, bewertet den entscheidenden Schritt im Gespräch mit uns so:
„Damit
ist auf jeden Fall ein langjähriger Streit zu Ende gegangen. Es gab immer wieder Entscheidungen,
die angefochten und in andere Instanzen verlagert wurden. Ich glaube, mit der Unterschrift,
die gestern Nachmittag recht symbolträchtig von Staatspräsident Vaclav Klaus und dem
noch recht neuen Erzbischof Dominik Duka gesetzt wurde, wurde ein bedeutendes Signal
ausgesandt, nämlich, dass der Veitsdom ein wichtiges Symbol des Staates und der Kirche
und eben auch der gemeinsamen tschechischen Kultur ist.“
Nach
diesem langen Weg sei es jetzt doch recht zügig zu dem Vertragsabschluss gekommen,
urteilt der Österreicher.
„Das hat wohl mit der Person des neuen Prager
Erzbischofs zu tun: Schon vor einigen Wochen, als er zum Erzbischof ernannt wurde,
hat man gemunkelt, dass das schnell gehen könnte, weil er in dem Ruf steht, ein nahes
Verhältnis zu Staatspräsident Klaus zu haben, und dass die beiden sich relativ rasch
einigen könnten. Aber natürlich war das nicht nur eine Entscheidung zwischen den beiden.
Auch von den übrigen maßgeblichen politischen Kräften des Landes ist die Entscheidung
durchweg positiv bewertet worden.“
Staatspräsident
Klaus äußerte die Hoffnung, dass die Lösung des Konflikts inspirierend sein könne,
um auch andere offene Fragen zwischen Staat und Kirche einvernehmlich zu lösen. Für
eine generelle Annährung zwischen Staat und Kirche spreche das, wie Schubert betont,
aber noch nicht. Der Vertragsabschluss sei eher pragmatischer Natur.
„Im
Vertrag steht, wie die Gebäude verwaltet werden, wer was bezahlt und ähnliches. Ich
glaube eher, der lange Weg hin zum Vertrag sagt etwas über das Verhältnis zwischen
Staat und Kirche in der Tschechischen Republik aus – das nicht unbedingt das beste
ist, was aber auch nicht an oberster Stelle auf der täglichen Agenda steht. Denn die
Tschechische Republik ist ein Land, wo das größte Stück des Kuchens aus Leuten ohne
Bekenntnis besteht - und dann kommt lange nichts. Und erst irgendwann kommen dann
die Katholiken, und dann die Menschen anderen christlichen Glaubens. Ein Streit zwischen
Kirche und Staat wie um den Veitsdom hat dann nie den gesellschaftlichen Zündstoff,
den er vielleicht in anderen Staaten hat, wo die katholische oder christliche Gemeinde
doch viel größer ist.“
Ein schönes Bild gebe der
gemeinsame Rat, der von nun an mit der Fürsorge des Veitsdoms betraut ist, dennoch,
findet der Direktor von Radio Prag.
„Dieser Rat besteht aus sieben Männern.
Das sind die sieben Männer, die auch die Schlüssel zu den tschechischen Kronjuwelen
haben, die alle Jubeljahre mal aus der Versenkung geholt werden. Und zwar ist das
der Präsident, der Prager Erzbischof, der Prager Oberbürgermeister, die Vorsitzenden
beider Parlamentskammern, der Regierungschef und der Propst des Domkapitels. Das ist
ein ganz interessantes Detail am Rande, dass diese sieben Männer also jetzt auch einen
Rat bilden, der den Betrieb dieser kirchlichen Anlagen auf der Prager Burg quasi überwachen
und bewerten soll.“
Der Veitsdom war in den 1950er Jahren
von der damaligen kommunistischen Führung des Landes „nationalisiert“ worden. Die
katholische Kirche und der tschechische Staat hatten seit fast zwei Jahrzehnten um
die Kathedrale prozessiert, deren Bau unter Kaiser Karl IV. begonnen wurde. Die jüngste
Gerichtsentscheidung hatte den Dom erneut dem Staat zugesprochen. Kritiker waren der
Meinung, dass damit der Raub der Kathedrale unter dem kommunistischen Regime legitimiert
würde. Dukas Vorgänger auf dem Stuhl des Prager Erzbischofs, Kardinal Miloslav Vlk,
hatte dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt und wollte gegebenenfalls vor dem Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof ziehen. Die Einigung über die Kathedrale kam gut einen Monat
nach der Amtseinführung Dukas zustande.