2010-05-17 11:33:58

Österreich: Jetzt bloß keinen billigen Pragmatismus


Die gegenwärtige Krise, in der sich die Kirche in den deutschsprachigen Ländern befindet, erschöpft sich nicht allein in den Missbrauchsfällen. Das glaubt der Bischof von Graz, Egon Kapellari. In Mariazell feierte er einen Gottesdienst für die Teilnehmer einer großen Konferenz von Pfarrgemeinderäten, die am Wochenende zu Ende ging. Dabei meinte Kapellari zur Kirchenkrise, sie rühre tiefer und an die eigentliche „Substanz und Strahlkraft des christlichen Glaubens inmitten einer säkularen Gesellschaft“ überhaupt. „Bloß pragmatische Maßnahmen würden den Ernst der Krise verkennen und verfehlen.“

Die Kirche müsse sich weiterhin trotz aller Schrumpfungen um „Breite“ bemühen – und gleichzeitig um die „Dimension Tiefe“. Doch zwischen Breite und Tiefe sei eine Spannung feststellbar, die zur Zerreißprobe führen könne. Auch sei „die Sozialgestalt der Kirche heute inmitten einer sehr mobilen Gesellschaft einem Druck zum Wandel ausgesetzt“, der bald auch die Pfarren noch stärker als bisher erfassen werde, prognostizierte Kapellari. „Was können, was müssen wir loslassen, was unbedingt behalten? Auf diese lapidare Frage gibt es keine einfache und übereinstimmende Antwort“.

Der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer appellierte in Mariazell an Österreichs Katholiken, die gegenwärtige kirchliche Krise als „Lernort zur Neuorientierung“ zu nutzen. Der von vielen Menschen empfundene Schmerz über die Enthüllungen in der Kirche könne als „Geburtswehen für Neues“ verstanden werden. Zugleich warnte Scheuer jedoch vor voreiligem Optimismus: „Krise bedeutet nicht automatisch Reife und Offenheit für Neues - es bedarf der Unterscheidung der Geister.“ Wenn man die Krise als Herauforderung und Chance begreife, dann müsse man sich vor einem Denken hüten, „dass alles für irgendetwas schon gut sein wird. Das wäre dann eine unzulässige Instrumentalisierung der Kinder“, mahnte Bischof Scheuer vor dem Hintergrund der Missbrauchsfälle. Stattdessen sei „wahrzunehmen, wo die Krisen Nährboden für offene Verweigerung und Resignation sind oder wo sie ein Lockruf in das je größere Abenteuer des Lebens sind.“ Nicht eingestandene Ängste und unbewältigtes Leiden könnten hingegen zu Verhärtungen und Abstumpfungen beitragen.

(kap 17.05.2010 sk)







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