In München ist am
Sonntag der 2. Ökumenische Kirchentag zu Ende gegangen. Etwa 100.000 Menschen nahmen
auf der Theresienwiese am Schlussgottesdienst teil. Die Organisatoren des Kirchentags
riefen zu mehr gemeinsamem Engagement der Christen in der Gesellschaft und zu Reformen
in den Kirchen auf. Dabei forderten sie in Sachen Mahlgemeinschaft der Kirchen neue
Lösungen, vor allem mit Blick auf konfessionsgemischte Ehepaare.
Abschlussgottesdienst
auf der Wies`n
Der katholische Kirchentags-Präsident Alois Glück sagte
in dem Gottesdienst: „Wir müssen mutiger voranschreiten!“ Gerade in konfessionsverbindenden
Ehen litten viele schmerzlich an der fehlenden Eucharistiegemeinschaft. „Wir brauchen
hier dringend eine Lösung“, rief Glück aus. Unter Beifall betonte er zugleich: „Die
Ökumene in Deutschland ist wetterfest“ – eine Anspielung auf das nasskalte Wetter
auf der Wies`n.
Der evangelische Kirchentagspräsident Eckard Nagel betonte,
durch das Münchener Großereignis habe die Ökumene in Deutschland ein neues Gesicht
bekommen. Dazu gehöre die Tischgemeinschaft der getrennten Kirchen, wie sie am Freitagabend
mit einer orthodoxen Mahlfeier praktiziert worden war. Christus fordere hier zu einem
neuen, gemeinsamen Aufbruch auf. Zudem wandte er sich gegen „unrealistische Wachstumsversprechen“.
Glück sprach auch die aktuelle Lage der katholischen Kirche an und forderte
einen neuen Aufbruch. Die Katholiken seien in einer schwierigen Situation zum Kirchentag
gekommen. Durch die Missbrauchsfälle sei ihre Kirche „in einer schweren Vertrauenskrise“.
Wörtlich erklärte Glück, der auch Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
ist: „Wir leiden an unserer Kirche, wir leiden mit unserer Kirche. Aber sie ist weiter
unsere Kirche.“ Er hoffe, dass diese Krise zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen
Laien, Priestern und Bischöfen führe, so Glück.
„Viel spricht für einen
3. ÖKT“
Erzbischof Robert Zollitsch rief zu Dankbarkeit auf. Sie führe
zu Gott und stärke die Gemeinschaft untereinander. Mit dieser Haltung werde man zu
Christen, „deren Glaube ansteckt und überzeugt“. Der Vorsitzende der katholischen
Deutschen Bischofskonferenz sagte wörtlich: „Dieses Hoffnungszeichen braucht unser
Land, braucht Europa, braucht die Welt.“ Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche
in Deutschland kritisierte, „wir gutsituierten Christenmenschen“ träumten nicht von
der Umkehrung aller Verhältnisse, sondern „allenfalls von friedlicher Veränderung“.
Hungernde sollten gesättigt werden, ohne dass die Reichen dafür hungerten, so Präses
Nikolaus Schneider.
Die zwei gastgebenden Bischöfe zogen eine positive Bilanz
des Ökumenischen Kirchentags. Der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich
sagte, er halte Fortschritte in der Frage des gemeinsamen Abendmahls für möglich.
Der Münchner katholische Erzbischof Reinhard Marx zeigte sich besonders beeindruckt
von der Freude, die vom ÖKT ausgehe. Zigtausende junge und alte Christen hätten sowohl
Gottesdienste gefeiert als auch kritisch diskutiert. „Das macht Hoffnung“, so Marx
wörtlich. Die Frage nach einem möglichen 3. Ökumenischen Kirchentag beantworteten
sie zurückhaltend positiv. Friedrich erklärte, darüber wolle man bewusst erst nach
den Erfahrungen des Münchner ÖKT reden. Er persönlich denke, „dass viel für einen
3. Ökumenischen Kirchentag spricht“. Marx betonte, die Verantwortlichen setzten sich
demnächst zusammen, um Bilanz zu ziehen. „Danach sehen wir weiter“, so der Erzbischof.
Augoustinos:
Päpstlicher Ehrenprimat für alle Christen möglich
Der ÖKT stand unter
dem Motto „Damit ihr Hoffnung habt“. Zu gut 3.000 Veranstaltungen kamen seit Mittwoch
laut Organisatoren mehr als 130.000 Dauerteilnehmer und Zehntausende Tagesgäste. Am
Samstag Abend demonstrierten Tausende von Christen mit einer Menschenkette zwischen
den Bischofskirchen Münchens für Mahlgemeinschaft von Katholiken und Protestanten.
Dazu hatte die Bewegung „Wir sind Kirche“ aufgerufen. Am letzten Arbeitstag des ÖKT
dominierten Kritik an den Banken, Forderungen nach einer gerechteren Wirtschaftsordnung
und Appelle zu weiterer Entwicklungshilfe den Kirchentag.
Ausserhalb des Kirchentagsprogramms
haben rund 400 Christen am Samstagabend ein „ökumenisches Abendmahl“ gefeiert. Der
Gottesdienst fand in einem überfüllten Hörsaal der Technischen Universität statt.
Es sei nicht möglich gewesen, für die Feier einen Kirchenraum zu bekommen, sagte der
suspendierte katholische Priester Gotthold Hasenhüttl. Die Veranstalter des Kirchentags
und die beteiligten Kirchen hatten vor dem Glaubenstreffen mehrfach an die Teilnehmer
appelliert, von solchen Grenzüberschreitungen abzusehen. Der emeritierte Saarbrücker
Theologieprofessor und der evangelische Ruhestandspfarrer Eberhard Braun aus Lenningen
leiteten die Feier und standen auch gemeinsam an einem zum Altar umfunktionierten
Schreibtisch. Für die Gebetstexte griffen sie auf die sogenannte Lima-Liturgie des
Weltkirchenrats von 1982 zurück. Hasenhüttl hatte bereits am Rande des 1. ÖKT 2003
in Berlin einen Gottesdienst gefeiert, bei dem er ausdrücklich Nicht-Katholiken zur
Kommunion einlud. Daraufhin untersagte ihm der damalige Trierer Bischof Reinhard Marx,
heute Erzbischof von München, die Ausübung seines Priesteramts und entzog ihm die
kirchliche Lehrerlaubnis.
Für Kontroversen sorgte die frühere evangelische
Bischöfin Margot Kässmann mit der Äußerung, die Pille sei ein „Geschenk Gottes“; dem
widersprach Erzbischof Zollitsch sehr entschieden. Schneider äußerte, niemand könne
ernsthaft meinen, dass Gott „die Pille auf die Erde gebracht hat". Kässmann, die seine
Vorgängerin an der Spitze der deutschen evangelischen Kirche war, gehe es um den verantworteten
Umgang mit Sexualität.
Der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos erklärte
am Samstag auf dem Kirchentag, er halte ein Ehrenamt des Papstes für alle Christen
für möglich. Das Oberhaupt der katholischen Kirche könne für die Christenheit „als
Erster unter Gleichen“ eine ähnliche Rolle spielen wie der Patriarch von Konstantinopel
für die Orthodoxie, so Augoustinos. Dabei verwies er auf das Zeugnis der frühen Kirche.
Für einen solchen „Ehrenprimat“ gibt es auch Unterstützung von einzelnen evangelischen
Bischöfen.
Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann betonte, die katholische Kirche
erwarte nicht, dass der Papst für die anderen Kirchen dieselbe Stellung haben müsse
wie für sie selbst. Der Wandel des Papstamtes in 2.000 Jahren zeige, dass es hier
„eine ganze Menge Gestaltungsmöglichkeiten“ gebe. Vor wenigen Wochen hatte sich der
badische Landesbischof Ulrich Fischer für die Anerkennung eines Ehrenprimats des Papstes
durch evangelische Bischöfe ausgesprochen. Ähnlich hatte sich schon in früheren Jahren
der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich geäußert.
(kna/kipa/rg
16.05.2010 sk)
Unser Audio-Beitrag: Eine Kurz-Umfrage unter Teilnehmern
des Kirchentags. Quelle: ZDF.