Das Straßburger Urteil des Menschengerichtshofes zum Kruzifix weist Fehlschlüsse und
Mängel auf. Das hat der deutsche Jurist Stefan Mückl bei einem Studientag zum Thema
„Religionsfreiheit – ein Menschenrecht im Wandel?“ in Rom dargelegt. Bei der vom deutschsprachigen
Priesterkolleg „Santa Maria dell’Anima“ organisierten Veranstaltung nahm der Freiburger
Staatsrechtler und Dozent der Päpstlichen Universität „Santa Croce“ das Urteil vom
November 2009 gegen Kruzifixe an italienischen Schulen förmlich „auseinander“. In
einer Analyse des Urteils wies er den Straßburger Richtern gravierende „handwerkliche
Mängel“ und ein „unzutreffendes Verständnis“ der Grundrechte nach. „Größtes Manko“
sei dabei ihr Ignorieren des „Einschätzungsspielraums“, der nationalen Regierungen
jeweils zusteht. Das Gericht habe sich „autoritativ an die Stelle der nationalen Instanzen
dekretiert“, hob der Jurist hervor. Auch für die Behauptung, das Kreuz könne zur „emotionalen
Verstörung“ von Schülern führen, gebe es keinerlei Belege, so der Staatsrechtler weiter.
– Auf dem Programm des Studientages standen Vorträge namhafter Juristen der Päpstlichen
Universitäten Gregoriana, Santa Croce und Lateran. Auch der Österreichische Botschafter
beim Heiligen Stuhl, Martin Bolldorf, sowie zahlreiche Diplomaten anderer Staaten
waren anwesend. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte in dem umstrittenen
Urteil Kruzifixe in staatlichen Schulen als Verstoß gegen das Erziehungsrecht der
Eltern gewertet. Die Straßburger Richter gaben damit einer Italienerin recht, die
im Namen ihrer zwei Kinder gegen den Staat geklagt hatte. Im März 2010 hatte der Gerichtshof
dann einen Berufungsantrag Italiens angenommen.