D: Norbert Walter will „Ordnung und Moral im EU-Finanzsystem“
Die Europäische Union
befindet sich in der größten wirtschaftlichen Krise ihrer bisherigen Geschichte. Das
ist die einhellige Meinung vieler Ökonomen und Politiker. Bei der Finanzkrise gehe
es nicht um den Kapitalismus sondern um Lüge und Diebstahl. Das betonte der Kanzler
der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, der argentinische Bischof Marcelo
Sanchez Sorondo, im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Europäischen Union fehle ein nachhaltiger
Ordnungsrahmen, sagt uns der ehemalige Chef-Volkswirtschaftler der Deutschen Bank,
Norbert Walter.
„Es geht nicht ohne einen Ordnungsraum. Es geht nicht ohne
Regulierung. Am Ende wird unser ganzes System unerträglich komplex, verrechtlicht
und belastet, wenn wir alles über Gesetze regeln wollen und nichts mehr über Moral
sicherstellen können. Wir brauchen Menschen, auf die man sich verlassen kann. Das
gilt in großen wie in kleinen Gemeinschaften. Auf diese Bedeutung von Moral für das
Funktionieren einer Gesellschaft und einer Wirtschaft ist nach meiner Einschätzung,
in unserer Gesellschaft insgesamt aber auch in meinem Fach – der Ökonomie – viel zu
wenig hingewiesen worden.“
Aus dem Fall „Griechenland“ müsse die Europäische
Union Lehren ziehen für eine langfristige Wirtschaftspolitik, so der deutsche Ökonom
Walter.
„Wir brauchen Sicherheit darüber, dass Fälschungen – wie in der
Vergangenheit vorgekommen sind – nicht mehr vorkommen. Wir brauchen also internationale
Institutionen, die die Rechnungslegung von EU-Ländern überprüfen. Diese Institutionen
existieren bereits, wir müssen sie aber in den Stand setzen, diese Arbeit zu machen.
Wir brauchen danach auch Einflussnahme der Länder, die jetzt helfen und somit ihre
eigenen Steuerzahler belasten. Diese Länder müssen das Recht haben, anderen Ländern,
die bislang keine seriöse Wirtschaftspolitik gemacht haben, in ihren Entscheidungen
hineinzureden. Man kann nicht Hilfe von jemandem erwarten und dann hinterher so tun,
als ob man vollkommen selbständig sei. Ich glaube, dass die Griechen jetzt und bald
auch die Portugiesen dies lernen müssen, so schmerzhaft und schwierig das erscheinen
mag.“