Aquileia, das ist
eine Stadt ganz im Nordosten von Italien in der Provinz Udine. Einer Überlieferung
nach soll Markus dort hingereist sein und den damals neuen christlichen Glauben verkündet
haben. Doch es war nicht nur die Mission, außerdem soll der Überlieferung nach Markus
in Aquileia sein Evangelium selbst geschrieben haben. Das Evangeliar von Aquileia
wird seit Jahrhunderten von Pilgern als Markus-Reliquie verehrt. Und es ist, ja, man
muss es so sagen, eine wahre Fundgrube für die Wissenschaft. Radio Vatikan hat mit
Uwe Ludwig, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Duisburg-Essen
gesprochen. Er ist Mitautor von „L`Evangeliario di San Marco“, einem Buch über das
Markus-Evangeliar, das in diesen Tagen in den vatikanischen Museen vorgestellt wurde.
„Das Problem ist, dass man die Herkunft der Handschrift ja nicht aufgrund
einer urkundlichen Dokumentation beschreiben kann, sondern nur aufgrund von die Schrift
betreffenden stilistischen Hinweisen und da sagen die Spezialisten, dass diese Handschrift
wahrscheinlich in Bereich Ravenna entstanden ist im 6. Jahrhundert. Dann wissen wir
aber, aufgrund der Namen, die in dem Codex enthalten sind, dass das Buch im 9. Jahrhundert
und im 10. Jahrhundert im Raum Aquileia verwendet wurde.“
Und dann gerät
die Handschrift für einige Zeit in Vergessenheit - bis:
„Im 12. und 13.
Jahrhundert als man in der Kirche von Aquileia die Behauptung aufstellt, wir hier
in Aquileia, wir besitzen die von Markus geschriebene Original-Handschrift des Evangeliums...
Was natürlich eine schwierige Sache ist, das zu behaupten, weil der Tradition gemäß
Markus sein Evangelium in Rom verfasst hat und zwar in engem Zusammenwirken mit Petrus.
Es wird dann sogar explizit in den Chroniken, von den Geschichtsschreibern, ein zweites
Evangelium erfunden, also Markus hätte wohl sozusagen in Kooperation mit Petrus ein
erstes Evangelium geschrieben und dann aber später in Aquileia ein zweites und dieses
besitze man.“
Die Kunde von der Original-Handschrift verbreitet sich sehr
schnell und so lockt das Evangeliar viele Pilger nach Aquileia. Hier liegt für den
deutschen Professor der Forschungsschwerpunkt. Das Evangeliar gibt sehr gut Aufschluß
über die mittelalterliche Gesellschaft, denn es ist auch ein sogenanntes Verbrüderungsbuch.
Hier wurden Personen eingetragen, die dann ins Gebet aufgenommen wurden. Aus den tausenden
Namen versucht Uwe Ludwig seine Schlüsse zu ziehen.
„Wenn also der erste
christliche König von Bulgarien eingetragen ist, dann spricht es ja dafür, dass es
diese Beziehungen gab. Man muss das nicht unbedingt unter dem Aspekt der Beziehungen
zwischen der Gedenkbuchführenden, dem Besitzer des Verbrüderungsbuches und den eingetragenen
Personen betrachten, sondern man kann auch die häufig in Gruppen, in Familien, in
bestimmten Konstellationen, also Gesandtschaften, Pilgergruppen und eingetragene Personengruppen
als solche erforschen und bekommt damit einen Eindruck von der Gesellschaft des Mittelalters,
also in diesem Falle jetzt des frühen Mittelalters.“
Aber das Evangeliar
dient auch vielen anderen Fachleuten als Forschungsquelle:
„Das Evangeliar
von Cividale hat für die Wissenschaft in vielerlei Hinsicht Bedeutung. Es ist zum
einen eine Markus-Reliquie, ist also dementsprechend für die Reliquienforschung von
zentraler Bedeutung. Es ist eine alte, sehr alte Handschrift, eines der ältesten Zeugnisse
der Bibelversion nach Hieronymus, also der Vulgataversion und hat also für die Bibelwissenschaft
zentrale Bedeutung. In das Evangeliar sind im Laufe der Jahrhundert liturgische Marginalnoten
aufgenommen worden, um es für die Benutzung im Gottesdienst brauchbar zu machen, also
ist es für die Liturgiewissenschaft von zentraler Bedeutung.“
Das Buch
„L`Evangeliario die San Marco“ ist im Gaspari-Verlag erschienen, bis jetzt nur in
Italienisch. Das Evangeliar ruht heute aufgeteilt an drei Orten: in der Nähe von Aquileia
in Cividale, in Venedig und in Prag.