2010-04-27 10:28:44

Vatikan: Markus-Evangeliar fasziniert Wissenschaft


RealAudioMP3 Aquileia, das ist eine Stadt ganz im Nordosten von Italien in der Provinz Udine. Einer Überlieferung nach soll Markus dort hingereist sein und den damals neuen christlichen Glauben verkündet haben. Doch es war nicht nur die Mission, außerdem soll der Überlieferung nach Markus in Aquileia sein Evangelium selbst geschrieben haben. Das Evangeliar von Aquileia wird seit Jahrhunderten von Pilgern als Markus-Reliquie verehrt. Und es ist, ja, man muss es so sagen, eine wahre Fundgrube für die Wissenschaft. Radio Vatikan hat mit Uwe Ludwig, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Duisburg-Essen gesprochen. Er ist Mitautor von „L`Evangeliario di San Marco“, einem Buch über das Markus-Evangeliar, das in diesen Tagen in den vatikanischen Museen vorgestellt wurde.

„Das Problem ist, dass man die Herkunft der Handschrift ja nicht aufgrund einer urkundlichen Dokumentation beschreiben kann, sondern nur aufgrund von die Schrift betreffenden stilistischen Hinweisen und da sagen die Spezialisten, dass diese Handschrift wahrscheinlich in Bereich Ravenna entstanden ist im 6. Jahrhundert. Dann wissen wir aber, aufgrund der Namen, die in dem Codex enthalten sind, dass das Buch im 9. Jahrhundert und im 10. Jahrhundert im Raum Aquileia verwendet wurde.“

Und dann gerät die Handschrift für einige Zeit in Vergessenheit - bis:

„Im 12. und 13. Jahrhundert als man in der Kirche von Aquileia die Behauptung aufstellt, wir hier in Aquileia, wir besitzen die von Markus geschriebene Original-Handschrift des Evangeliums... Was natürlich eine schwierige Sache ist, das zu behaupten, weil der Tradition gemäß Markus sein Evangelium in Rom verfasst hat und zwar in engem Zusammenwirken mit Petrus. Es wird dann sogar explizit in den Chroniken, von den Geschichtsschreibern, ein zweites Evangelium erfunden, also Markus hätte wohl sozusagen in Kooperation mit Petrus ein erstes Evangelium geschrieben und dann aber später in Aquileia ein zweites und dieses besitze man.“

Die Kunde von der Original-Handschrift verbreitet sich sehr schnell und so lockt das Evangeliar viele Pilger nach Aquileia. Hier liegt für den deutschen Professor der Forschungsschwerpunkt. Das Evangeliar gibt sehr gut Aufschluß über die mittelalterliche Gesellschaft, denn es ist auch ein sogenanntes Verbrüderungsbuch. Hier wurden Personen eingetragen, die dann ins Gebet aufgenommen wurden. Aus den tausenden Namen versucht Uwe Ludwig seine Schlüsse zu ziehen.

„Wenn also der erste christliche König von Bulgarien eingetragen ist, dann spricht es ja dafür, dass es diese Beziehungen gab. Man muss das nicht unbedingt unter dem Aspekt der Beziehungen zwischen der Gedenkbuchführenden, dem Besitzer des Verbrüderungsbuches und den eingetragenen Personen betrachten, sondern man kann auch die häufig in Gruppen, in Familien, in bestimmten Konstellationen, also Gesandtschaften, Pilgergruppen und eingetragene Personengruppen als solche erforschen und bekommt damit einen Eindruck von der Gesellschaft des Mittelalters, also in diesem Falle jetzt des frühen Mittelalters.“

Aber das Evangeliar dient auch vielen anderen Fachleuten als Forschungsquelle:

„Das Evangeliar von Cividale hat für die Wissenschaft in vielerlei Hinsicht Bedeutung. Es ist zum einen eine Markus-Reliquie, ist also dementsprechend für die Reliquienforschung von zentraler Bedeutung. Es ist eine alte, sehr alte Handschrift, eines der ältesten Zeugnisse der Bibelversion nach Hieronymus, also der Vulgataversion und hat also für die Bibelwissenschaft zentrale Bedeutung. In das Evangeliar sind im Laufe der Jahrhundert liturgische Marginalnoten aufgenommen worden, um es für die Benutzung im Gottesdienst brauchbar zu machen, also ist es für die Liturgiewissenschaft von zentraler Bedeutung.“

Das Buch „L`Evangeliario die San Marco“ ist im Gaspari-Verlag erschienen, bis jetzt nur in Italienisch. Das Evangeliar ruht heute aufgeteilt an drei Orten: in der Nähe von Aquileia in Cividale, in Venedig und in Prag.

(rv 27.04.2010 kk)








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