2010-04-25 08:57:05

Zum runden Geburtstag: Ein Gespräch mit Reinhold Würth


RealAudioMP3 Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth, heute Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrates der Würth-Gruppe, wurde am 20. April 1935 in Öhringen geboren, 1949 trat er als erster Lehrling in die Schraubengroßhandlung seines Vaters in Künzelsau ein. 1952 schloss er mit der Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer die Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann erfolgreich ab. Im Alter von 19 Jahren übernahm Reinhold Würth 1954 nach dem frühen Tod des Vaters die Geschäftsleitung. Aus dem regionalen Geschäft baute Reinhold Würth in den kommenden Jahrzehnten ein weltweit agierendes Handelsunternehmen auf. Heute ist die Würth-Gruppe in 84 Ländern mi 85.000 Mitarbeitern tätig. Der Erfolg liegt vor allem an der charismatischen Persönlichkeit von Reinhold Würth.
*Herr Professor Dr. Würth, es freut mich und ich danke Ihnen, dass ich Sie heute den Hörerinnen und Hörern von Radio Vatikan in einem Geburtstagsgespräch – Sie sind eben 75 geworden -  vorstellen darf.. Wir müssen versuchen, die wichtigsten Eckpfeiler Ihres bisherigen Lebenslaufes in 15 Minuten zusammenzufassen. – Dazu gehören: weltweites Unternehmertum, ungewöhnlicher Einsatz für Bildung und Kultur, großzügiges Mäzenentum, die Bedeutung, die Sie der Familie und dem Glauben an Gott beimessen. Herr Würth, Sie  gehören der Neuapostolischen Kirche an – eine Familientradition, die Sie weitertragen,  – Sie sind also Christ, nicht aber Katholik. Sie haben an der Restaurieung der weltberühmten ‘Capella Palatina’ in Palermo als Sponsor maßgebend mitgewirkt, Sie sind vor Jahren wegen einer Streueraffäre auch in die negativen Schlagzeilen geraten - auch dies wollen wir in dieser Sendung aus Chronistenpflicht nicht unerwähnt lassen –.  Und Sie sind – wie beinahe alle Menschen - von schweren Schicksalsschlägen nicht verschont geblieben.  Aber,Herr Dr. Würth, von außen betrachtet sind Sie jedenfalls – ein vom Schicksal besonders begünstigter Mensch. Reich, berühmt, erfolgreich. Sehen Sie das auch so und wie gehen Sie damit um?

‘Wenn ich auf meine 75 Jahre zurückschaue, dann haben Sie in der Tat recht. Ich war in dieser ganzen Zeit zwei Tage im Krankenhaus, ich hatte nie eine Operation, bin in den 60 Berufsjahren gerade vier Arbeitstage krank gewesen, ich habe das Glück im 54. Jahr mit der gleichen Frau verheiratet zu sein, ich bin sehr dankbar für mein Leben, wie es bis heute gelaufen ist, obwohl auch wir Schicksalsschläge hatten: wir haben drei Kinder, ein Sohn ist geistig behindert, durch einen Impfschaden. Das war ein großes, großes Drama und Unglück und dann habe ich eine Enkeltochter mit neun Jahren durch einen Autounfall verloren.Also,  es hat auch negative Dinge gegeben……’

Auf welchen Prinzipien beruht nun der weltweite Erfolg Ihres einst bescheidenen Unternehmens?

‘In wenigen Worten gesagt: Schrauben sind nichts besonderes. Wenn Sie mit diesen Produkten zum anerkannten Weltmarktführer geworden sind, dann ist das nicht in erster Linie und ausschließlich in der Qualität der Produkte zu finden, in der Dienstleitung, die wir unseren Kunden bieten, sondern das hat auch mit der Führungskultur zu tun: wie wir mit den Mitarbeitern umgehen, wie wir die Leistung der Mitarbeiter sehen, Ich habe von allen Anfang an mit Dank und Anerkennung gearbeitet, habe den Mitarbeitern meinen Respekt für die Leistung zum Ausdruck gebracht, habe nach dem Grundsatz: ‘Tue recht und scheue niemand’ eine gewisse Liberalität im Unternehmen gepflegt. Es soll, darf und muss jeder seine Meinung sagen, Dann habe ich auf Berechenbarkeit, Geradlinigkeit und Zuverlässlichkeit zu den Mitarbeitern und zu den Kunden geachtet. Ich glaube, das hat insegsamt dann dazu geführt, dass sich das Unternehmen Würth einen guten Respekt erarbeitet hat und heute sehr anerkannt ist’.

*Ich könnte mir vorstellen, dass zu den wichtigsten Erfolgsattributen wie  Fleiß, Ausdauer, Zähigkeit und Energie auch die Fähigkeit gehört, Menschen zu begeistern?

‘Natürlich, das ist ja das große Thema der Motivation der Mitarbeiter. Ich habe in meiner jahrzehntelangen Erfahrung gelernt, dass man Mitarbeiter sehr wohl motivieren kann, erstens durch Vorbild, zweitens durch Argumente und drittens natürlich auch durch Leistungsanreize. Wenn man eben das erreicht, dass die Menschen im Unternehmen nicht mehr nur und in erster Linie wegen des Geldes arbeiten, sondern einfach Spaß an der Freude finden, in diesem Unternehmen gemeinsam tätig zu sein, dann hat man gewonnen. Das ist ja nicht anders wie bei einem Fussballklub oder vielleicht sogar bis in ein Kirche hinein. Wenn die Führung, wenn die Leitung stimmt, dann funktioniert auch der Verein,’

*Die ganze Welt spricht von Wirtschaftskrise. Wie steht es wirklich um uns? Sie sind ein Großunternehmer, dem analytischer Verstand und eine hohe praktische Intelligenz nachgesagt wird. Europa lebt nun seit 65 Jahren ohne Krieg. Das hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Dennoch hat man den Eindruck, dass die Menschen, ein Großteil der Menschen nicht zufrieden sind. Bedarf es einer geschichtlichen Zäsur, um dass der Mensch wieder zufriedener wird?

*In der Tat: ich stelle fest, die Menschen sind heute trotz des unglaublichen Wohlstands, in dem wir heute leben, nicht glücklicher geworden, als sie vor 50 – 60 Jahren waren. Im Gegenteil, wenn die Menschen oft nicht mehr wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, dann werden sie einfach unzufrieden. Ich habe deshalb gelernt, man muss auch den Mitarbeitern Visionen vorgeben, man muss ihnen Ziele geben, an die sie glauben können, die sie auch mitrealisieren können, - Die Menschheit wächst  immer mehr, wir werden in wenigen Jahrzehnten mehr als 10 Milliarden Menschen sein. Irgendwo ist das Limit erreicht. Wenn man abstrahiert, muss man sagen: dann hilft sich die Natur irgendwie selbst, um die Erde bewohnbar zu halten. Der englische Wissenschaftler Steven Hockings geht ja soweit:  die Menschheit hat überhaupt keine Lebenschance, wenn es ihr nicht gelingt auf andere Sternen zu siedeln. Also das sind Thesen und Gedanken, die weit über unsere Tage und über unsere menschliche Zeitspanne hinausreichen’.

*Was hat Sie bewogen, Kunst , Bildung und Weiterbildung nicht für sich privat oder als Geldanlage zu sammeln, sondern auch der Offentlichkeit zugängig zu machen?

‘Zum einen haben wir ja in der deutschen Verafssung, in unserem Grundgesetz diesen Artikel 14, der die Sozialverpflichtung des Eigentums postuliert. Diesem Artikel fühle ich mich natürlich verbunden. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die emozionale. Ich habe allzuoft ganz wunderbar erleben dürfen, dass das Sprichwort: ‘Freude, die man gibt, kehrt ins eigene Herz zurück’ Gültigkeit hat. Ich habe die Kunstwerke meiner Sammlung zum großen Teil der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Und nicht außer Acht lassen darf und will ich natürlich den dritten Punkt: dass die öffentliche Präsentation von Kunst und Kultur auch einen guten Einfluss auf das Unternehmen Würth hat, weil, wenn wir die Capella Palatina in Palermo mitrestaurieren durften im Normannenpalast, und das in den Feuilettons der ganzen europäischen Presse wiedergegeben wird, dann kommt das auch am Ende dem Unternehmen zu Gute.’

*Stichwort Steuermittlung 2008. Keine leichte Stunde für Sie: kann es sein, dass sich auch Neid dahinter versteckt hat? So etwas wie Undank ist der Welten Lohn?

‘Ich kann zu dieser Geschichte nur so viel sagen: dieses Steuerstrafverfahren ist abgeschlossen, durch einen Strafbefehl. Ich habe in diesen 60 Berufsjahren mindestens 15 Betriebsprüfungen mitgemacht, die alle ohne einen Hauch von Disharmonie abgelaufen sind, und wenn dann im Zusammenhang mit der 16. plötzlich hundert Ledernacken vor dem Haus stehen und den Betrieb auseinandernehmen, dann ist das schon sehr skuril. Ich kann eines sagen: auch im Angesicht des Vatikan: ich habe nie einen Cent Schwarzgeld gehabt. Gar nie. Wenn ich irgendwo 200 Mark, Euro oder Schweizer Franken Sitzungsgelder bekommen habe, dann habe ich die immer schön brav von meinem Steuerberater mitanmelden lassen. Also insofern ist es eine Geschichte, die man mit einem Fragezeichen versehen kann ‘

*Irgendwo gibt es ein schönes Bild, das Sie zusammen mit dem früheren Papst Johannes Paul II. zeigt. Welchen Eindruck hatten Sie bei dieser Begegnung?

‘Ja, ich bin zwei Mal dem damaligen Papst begegnet. Ich bin ja nicht Katholik, aber ich habe beide Begegnungen als sehr beeindruckend empfunden. Der Papst war für mich eine große Persönlichkeit in der Weltgeschichte, auch in der Weltpolitik und er hat die katholische Kirche geprägt. Für mich persönlich war er eine respektheischende Persönlichkeit, die geradlinig war, die einfach beeindruckend war. Und diesen Eindruck nehme ich für mein ganzes Leben mit’.

*Hatten Sie schon einmal eine Begegnung mit dem heutigen Papst Benedikt XVI?

‘Nein hatte ich nicht’.

*Würden Sie uns trotzdem sagen, was Sie über das bisherige Pontifikat dieses Papstes denken?

‘Wenn Sie von außen in die katholische Kirche hineinschauen, können Sie kein vertieftes Urteil abgeben. Aber, wenn Sie die Meinung eines Nichtkatholiken hören wollen, dann stelle ich eben fest, dass der jetzige Papst die poltische Linie seines Vorgängers fortsetzt, eins zu eins, und dass die Kirche eben als eine traditionalistische Institution erscheint, die Schwierigkeiten hat, sich dem Wandel der Zeiten ein kleinwenig anzupassen’.

*Sie gehören ja nicht der katholischen, sondern der neuapostolischen Kirche an. Um was handelt es sich da?

‘Ich bin neuapostolisch geboren, habe dieser Kirche mein ganzes Leben angehört, ich war in der Jugend fast fanatisch erzogen worden, das hat sich aber sehr gelegt. Ich bin heute in erster Linie eher Christ, gehe auch Sonntags in die Kirche natürlich. Wir folgen dieser Erweckungsbewegung, die in den 1830er Jahren in Großbritannien sehr stark gewesen ist und von dort wurde diese Kirche aufgebaut, sie heute einige 30-40 Millionen Mitglieder hat in der Welt.’

*Sie sind in der Öffentlichkeit nicht nur als Konzern-Unternehmer, als Förderer von Wissenschaft und Forschung, als Kunstsammler und Mäzen, sondern auch als Lehrender und Hochschulprofessor präsent. Wie ist es dazu gekommen?

Ja, die Hochschule… da kam ein Ruf von der Universität Karlsruhe in Übereinstimmung mit der Landesregierung von Baden-Württemberg Ich habe das Institut für  ‘entrepreneurship’ aufgebaut. Man sagte an der Uiversität, man bräuchte für einen solchen Lehrstuhl am besten enen Praktiker, der nicht aus dem Lehrbuch doziert, sondern der sein eigenes Leben vorstellt. Ich glaube, ich konnte da viel bewirken, in diesen vier Jahren des Aufbaus des Instituts. Ich bin heute noch mit einigen meiner Studenten in gutem Kontakt und beobachte mit Freude, dass das, was ich gelehrt habe, sehr wohl Früchte trägt.’


*In der Bibel wird Reichtum an sich nicht negativ gesehen. Es gibt bei Matthäus aber die berühmte Stelle, in der es heißt: ‘Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt’. Wie gehen Sie mit dieser Stelle um?

‘Ich würde diese Aussage in der Heiligen Schrift nicht in erster Linie  mit der Menge von Geld, die ein Mensch hat, in Übereinstimmung bringen, sondern mit der geistigen Einstellung zum Geld. Ich komme ja von ganz unten, ich habe in meinen ersten Jahren noch, wenn ich auf die Reise ging, um Kunden zu besuchen, wenn ich mit dem Auto den Berg hinunterfuhr, den Motor ausgemacht, um ein bisschen Benzin zu sparen. Also ich weiß, was sparen heißt. Das habe ich auch heute nicht vergessen, obwohl wir heute 2,7 Milliarden Euro Eigenmittel in der Bilanz stehen haben im Konzern. Insofern würde ich mir schon wünschen, dass ich vor diesem Nadelöhr bestehe. Wissen Sie, ich versuche mit diesem Geld ja auch viele gemeinnützige Dinge zu tun und was ganz wichtig ist, es sind immerhin 58.000 Arbeitsplätze entstanden mit diesem Geld. Das ist ja kein Selbstzweck, auch was noch weiter zuwächst wird reinvestiert in den Betrieben und ich kann mir schon vorstellen, dass wir in einigen Jahren 100.000 Arbeiter beschäftigen. Und ich glaube, dass dies dann auch der Gemeinnützigkeit dient.’.


*Wie lautet Ihr Schlusswort, Herr Würth?

‘Ich würde mir wünschen, dass die Menschen mehr Toleranz üben, dass die Menschen mehr Großzügigkeit zeigen, dass die Menschen in Bescheidenheit sich üben und dankbar sind für das, was sie haben. Das ist nicht selbstverständlich. Da glaube ich gehört auch eine gewisse Dankbarkeit gegenüber dem Schicksal, gegenüber dem Schöpfer, gegenüber Gott dazu’.

Aldo Parmeggiani, Rom







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