Betroffen und bestürzt hat sich Militärbischof Walter Mixa über den tödlichen Raketenangriff
auf deutsche Soldaten in Afghanistan geäußert. Die Militärsorge stehe hinter den Soldaten
und sei ihnen gerade in diesen schweren Stunden nahe. Bei einer Patrouille nahe der
Provinz Baghlan waren am Donnerstag vier deutsche Soldaten in Afghanistan getötet
und fünf verletzt worden. Dass Krieg nicht im Fokus des Afghanistaneinsatzes sein
darf, daran erinnert Matthias Gillner. Er ist Dozent für katholische Sozialethik an
der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
Rede vom Krieg
höhlt Gewaltverbot aus
In Deutschland richte sich die Benennung des Afghanistaneinsatzes
als „Krieg“ gegen die Verharmlosung der Militäroperationen, so Gillner. Das sei auch
verständlich, denn eine solche Verharmlosung habe schließlich reale Auswirkungen auf
die Sicherheit der Soldaten vor Ort. Die klare Benennung des Einsatzes als Krieg habe
für die Soldaten auch mehr rechtliche Klarheiten geschaffen, fügt Gillner an. Dennoch
berge die Rede vom Krieg aus Sicht der katholischen Friedensethik aber „erhebliche
Gefahren“. Der Sozialethiker erklärt:
„Zum einen wird ganz allgemein einer
weiteren Aushöhlung des in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Gewaltverbots
Vorschub geleistet, denn das Völkerrecht ächtet jeden Angriffskrieg und verpflichtet
zum Gewaltverzicht. Es erinnert daran, dass Krieg nie wieder – das ist die Gefahr
– ein legitimes, wenn auch äußerstes Mittel der Politik wird. Das Ziel der kirchlichen
Friedensethik ist also eindeutig, Gewaltanwendung aus der internationalen Politik
zu verbannen. Mit der Konzentration auf den Kriegsbegriff wird die eigentliche Zielbestimmung
des Afghanistan-Einsatzes, und der ist durchaus vereinbar mit der katholischen Friedensethik,
aus den Augen verloren.“
Auf Aufbauarbeit konzentrieren
Der
Fokus müsse also vom Kriegsbegriff auf die Aufbauarbeit verschoben werden, so Gillner.
Friedensarbeit bedeute nämlich langfristiger Aufbau an der sozialen und wirtschaftlichen
„Front“.
„Zum einen geht es um die Herstellung nationaler Sicherheit,
zum anderen um die Veränderung von wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die
einen elementaren Menschenrechtsschutz besonders für Frauen und Kinder gewährleisten.
Aus Sicht der kirchlichen Friedensethik muss jeder militärische Einsatz immer mit
der politischen Perspektive verbunden sein, die mehr beinhaltet als nur die Bekämpfung
aktuellen Unrechts, sondern eben ein Baustein auf dem Weg zu gerechtem Frieden leistet.“
Diese
Verbesserung der Infrastrukturen des Landes könne insgesamt zur Befriedung der Region
beitragen, so Gillner. Aber eben nicht um jeden Preis:
„Das heißt
aber nicht, dass die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in gefährliche
Kämpfe verwickelt werden soll. Man muss immer aufpassen, dass man in keine Spirale
der Gewalteskalation hineinkommt."
Langfristige Friedensarbeit
trägt Früchte
Darüber hinaus dürften die bisherigen Leistungen der Aufbauarbeit
nicht aus dem Blick verloren werden, erinnert Gillner. So habe man drei Viertel der
afghanischen Bevölkerung medizinisch versorgt, Verkehrswege erneuert und die Wasserversorgung
gesichert. Auch in der Schulbildung für Kinder, vor allem für Mädchen, habe man viel
erreicht.
„Es geht darum, den Afghanen selbst dazu zu verhelfen,
Frieden in ihrem Land zu stiften. Das heißt in ersten Linie, den zivilen Wiederaufbau
zu verbessern.“
Matthias Gillner unterrichtet die Fächer Friedensethik,
Menschenrechte, moralische Urteilsbildung und Dialog der Religionen. Diese sind Teil
der Ausbildung für Führungskräfte bei der Bundeswehr.