D-Seelsorger: „Maltas Kirche versucht dagegen zu steuern“
Er ist ein Priester
von der Insel Malta, sorgt aber als Seelsorger für die Deutschen dort: John Sammut.
Der Geistliche residiert im Städtchen Mosta im Landesinnern, das für seinen barocken
Dom bekannt ist. Hinter seinem Elternhaus hat er Hühner in einem Gitter, in der Garage
hängt noch das bäuerliche Werkzeug seiner Eltern, und im Garten stehen Apfelsinenbäume:
ein „Bauernhof in der Stadt“, wie es auf Malta nicht selten ist. Stefan Kempis sprach
mit Father Sammut über die Papstreise.
Malta ist jetzt schon seit Mai
2004 in der EU, und dennoch spricht der Präsident von einem starken sozialen Wandel,
der derzeit hier im Gange ist. Was passiert denn mit Malta? Es ist doch jetzt sicher
in der EU angekommen…
„Ich glaube, es ist ein subtiler Wechsel von
einer sozialen zu einer liberalen Marktwirtschaft im Gang. Die Gesellschaft wird immer
liberaler, und das heißt: Diejenigen in der Gesellschaft, die schon reich und mächtig
sind, werden noch mächtiger, und die anderen werden etwas beiseite gedrängt. Zwar
versuchen wir als Kirche, dagegen zu steuern, aber die liberale Mentalität ist doch
immer stärker spürbar. Wer stark ist, gesund ist, wer Geld und Kontakte hat, kommt
voran, und die anderen verlieren.“
Auch das Christentum verliert etwas
an Strahlkraft, und gleichzeitig stehen wir im Moment im Mittelpunkt von Missbrauchsskandalen
– da heißt es oft: Früher war die Mentalität der Kirche auf Malta eine gewisse Omertà.
Sie war solidarisch, das war positiv, aber gleichzeitig auch ein geschlossener Club,
und wer nicht dazugehörte, hatte es schwer. Muss die Kirche die jetzigen Wechsel,
die schleichende Liberalisierung, bedauern, oder bedeuten sie auch eine Chance?
„Es
gibt in der Kirchengeschichte immer wieder neue Wandel und große Herausforderungen.
Manchmal ist die Kirche – ihr Klerus und die Bevölkerung- daran gewachsen, aber das
ist nicht immer automatisch so bei solchen Herausforderungen. Was die Missbrauchsskandale
betrifft – das finde ich manchmal übertrieben, und vor allem: Die Skandale betreffen
nur 0,5 Prozent des Ganzen. Aber wenn man Interesse an den Kindern hat, dann muss
man alles erzählen, nicht nur die Skandale der Priester! Ich bedauere die Missbrauchsfälle
sehr und finde die Aufklärung wichtig- aber um das Wohl der Kinder zu wahren, muss
man alles erzählen, nicht nur die Skandale der Priester!“
Die
Kirche zieht auch deswegen Pfeile auf sich, weil sie bisher als relativ geschlossene
Gesellschaft auftrat, die sich um Einheit und fast um ihr Parallelsystem zur Welt
da draußen bemühte. Jetzt schwappt die Welt da draußen aber immer mehr in unsere kirchliche
Welt hinein. Erzbischof Cremona von La Vallette hat auf der Bischofssynode gesagt:
Viele in der Kirche auf Malta haben eine große Nostalgie, schauen zurück und sind
der neuen Zeit noch nicht gewachsen. Stimmt diese Diagnose?
„Das
ist nicht einfach zu beantworten – was heißt Nostalgie in diesem Zusammenhang? Die
Feste zum Beispiel. Jede Stadt richtet heute zu jeder Gelegenheit Feste aus, und man
feiert – aber die Frage ist doch: Inwieweit können wir als Christen feiern? In die
Feste ist zuviel Materialismus hineingekommen, und dadurch verlieren sie ihre Eigenart
als christliche Feste, vor allem, dass alle an einem Fest teilnehmen sollen und nicht
nur diejenigen, die Geld haben, die Zeit haben oder noch jung sind. Unsere Feste sind
für Familien; soll man diesen großen Wert fallenlassen? Also, ich glaube, das ist
keine Nostalgie. Nostalgie kann vielleicht bedeuten, dass wir erwarten, dass der Staat
mehr auf die Kirche setzt – aber im Moment glaube ich, dass die Säkularisierung eine
gute Entwicklung ist in der Hinsicht, dass der Staat viel an Verantwortung übernommen
hat im Schul- und im Gesundheitswesen. Allerdings bleibt dann da immer noch die Frage:
Was steht dahinter? Soll man zum Beispiel in der Schule nur Fachleute formen oder
nicht auch den Charakter bilden? Ich finde, dass man heute in der Ausbildung viel
Wert auf Technik legt, aber nicht so viel Wert auf die Ausbildung des Charakters…
Also, das würde ich nicht einfach Nostalgie nennen.“
Was erwarten Sie
sich vom Besuch des Papstes? Was kann Benedikt XVI. hier hinterlassen oder verändern?
„Verändern?
Nicht viel. Aber ich glaube: Das Allerwichtigste ist, dass man feiert. Jeder freut
sich doch, wenn ein Freund nach Hause kommt, und das ist doch immer ein Anlass zum
Feiern! Das Erste für uns, wenn der Papst nach Malta kommt, heißt: Feiern. Darum diese
schöne Umgebung, die vielen Fahnen, die Familien und Kinder, alle wollen den Papst
gerne begrüßen… also, in diesem Sinn ein Fest zu feiern. Und man sollte sich nicht
wie der ältere Bruder im Gleichnis vom verlorenen Sohn verhalten, der irgendwie nicht
rein kam in das Fest. Einige haben immer noch diese Mentalität: Sie lassen sich von
Kleinigkeiten davon abbringen, mit dem Papst und der Bevölkerung zu feiern.“
Nach
einem Patronatsfest in einer der Städte von Malta wird hinterher aufgeräumt: Das Fest
war schön, und Punkt. Aber wenn es zum dritten Mal in der Neuzeit überhaupt nur zu
einem Papstbesuch auf Malta kommt, dann erwarten doch die Journalisten unvermeidlich
mehr davon und fragen hinterher: Was hat sich geändert, gibt es jetzt z.B. mehr Berufungen?
„Ich
glaube, es ist das Allerwichtigste, dass wir jetzt unsere Identität noch einmal bestärken.
Das heißt: Inzwischen erleben wir so viele Angriffe auf unseren Glauben und auch auf
unser Verhalten als Christen – aber wenn der Papst hier ist und mit uns feiert, und
wir feiern auch mit ihm, feiern die Messe und hören seine Predigt, dann werden wir
dadurch in unserem Glauben bestätigt. Ich erwarte mir nicht mehr als das: Man erinnert
sich später immer an diese schönen Feierlichkeiten, das gehört dazu, und man wächst
weiter in seinem Glauben und ist darin bestärkt.“