2010-04-17 12:18:12

Die Betrachtung zum Sonntag


RealAudioMP3 Noch einmal, heißt es in diesem letzten Kapitel des Johannesevangeliums - dem Evangelium vom Sonntag - zeigte sich der Auferstandene seinen Freunden. Während die ersten beiden Male mit einer Zeitangabe versehen waren – am Abend des ersten Tages der Woche, des Auferstehungstages, und dann acht Tage darauf – so fehlt diesmal ein Datum. In der Logik der Erzählung mag wohl etwas Zeit seit den ersten Malen vergangen sein, dann wir befinden uns nicht mehr in Jerusalem, sondern zurück in Galiäa. In der alten Heimat. Im Alltag, aber auch am Ursprung, dort, wo die Sache mit Jesus begonnen hatte, von wo die Bewegung losgegangen war.

Die Jünger sind wieder daheim, in Galiläa am See. Petrus und einige andere gehen dort fischen. Ihre Ausfahrt ist aber erfolglos. Als sie zurückkommen, steht da einer am Ufer und meint, sie sollten es eben noch mal versuchen und das Netz auf der anderen Seite auswerfen. Wenn ich mich in die Szene hineinfühle, dann mögen Petrus und die anderen vielleicht gedacht haben: „Bitte, wenn er meint, der da am Ufer, dann machen wir es eben so. Er kann ja recht haben. Mag sein, dass wir die Fischgründe hier nicht mehr so gut kennen, schließlich waren wir ja doch eine Zeit weg. Unterwegs mit Jesus.“

Nach all den Aufregungen heim zu kommen, muss auch gut getan haben, denke ich mir. Das Gewohnte gibt Sicherheit. Aber, geht das – sich einfach wieder in das Frühere einzufügen? Hat die Jünger das Leben mit Jesus nicht doch mehr verändert, als oberflächlich zu sehen ist? Kann das Leben im Umkreis Gottes nicht auch untauglich machen für die früheren Verhältnisse, die alten Lebensformen?

Vielleicht sind die Jünger ja auch nach Galiläa zurückgegangen, um den verlorenen Faden wiederzufinden. Vielleicht wollten sie zurück zu den Ursprüngen. In der Hoffnung, dort, wo sie die erste Begeisterung für den Messias gepackt hatte, den Schwung wiederzukommen, der sie getragen hatte. Vielleicht mit der Sehnsucht, die Verbindung zu ihm neu aufnehmen zu können, sie fester zu knüpfen, nach den flüchtigen, verwirrenden Erfahrungen in Jerusalem, als er ihnen erschien als Auferstandener. Und doch erkennen sie ihn am See nicht sofort.

Erst langsam dämmert es ihnen. Hilfreich ist dabei vielleicht der Eindruck, sie erlebten ein Deja-vu, denn die Szene könnte den Jüngern bekannt vorkommen. Ganz am Anfang, damals, als Jesus zum ersten Mal in der Gegend auftauchte, da war es nämlich genau so: ein erfolgloser Fischzug und dieser seltsame Zimmermann steht am Ufer und sagt mit einer umwerfenden Sicherheit, sie sollten es eben nochmal versuchen. Dabei war es doch mehr als zweifelhaft, dass der vom Fischen überhaupt was versteht. Aus reiner Sympathie, das weiß Petrus, ist er damals noch einmal ausgefahren. Und hat ein übervolles Netz zurückgebracht, unglaublich. Danach hat Jesus vom Menschenfischen geredet, erinnert sich Petrus, „und wir haben alles stehen und liegen gelassen und sind mitgezogen“.

Jetzt nicht in die Nostalgie abgleiten, Petrus!, möchte ich ihm zurufen. Bleib wach. Damals wie jetzt geht es um die neue Chance für das Volk Gottes – auf Jesu Wort hin. Auch jetzt lohnt es sich, Deiner Liebe für ihn zu vertrauen und Dich in seinen Dienst, in seine Sendung zu stellen. Denn die Geschichte mit Jesus ist wirklich nicht aus, die Erneuerung des Volkes hat gerade erst begonnen. Sie beginnt jetzt noch einmal neu – aus dem Tod heraus, im Licht der Auferstehung.

Laut unserem Evangelientext ist es Johannes, der Petrus hilft, Jesus zu erkennen: „Merkst du nicht, dass er das ist?“ Und Petrus, wie immer ungestüm, stürzt sich ins Wasser und läuft Jesus entgegen. Auch das macht er nicht zum ersten Mal – doch diesmal wankt der Boden nicht und niemand sinkt ein.

Die Begegnung ist dann ganz schlicht: ein Kohlenfeuer; ein paar gemeinsam gegessene Bissen. Kommt und esst, sagt Jesus. Er ist der Einladende. Er hat das, was nährt. Gefragt werden muss da nichts. Alles ist klar; berührend einfach: Nachdem er sie noch einmal auf den See hinausgeschickt hat und sie mit vollen Netzen zurückkommen, sorgt der Auferstandene einfach für die Seinen. Hat ein Feuer angezündet, brät Fisch und Brot und nährt sie damit. Eine ruhige, intime Szene.

So selbstverständlich möchte auch ich mit Christus zusammensein; mich von ihm versorgen lassen; einfach beieinander verweilen, so dass keine Worte mehr nötig sind. Welch ein Glück!

Und doch ist das kein oberflächliches, unschuldiges, seichtes Glück. Denn da ist z.B. dieses Kohlenfeuer. Gar nicht solange her ist es, da standen Soldaten um ein Kohlenfeuer, im Hof des Hohenpriesters, und da antwortete Petrus auch auf die dritte Nachfrage, ob er nicht zu den Anhängern des eben verhafteten Delinquenten gehöre, ein drittes Mal mit Nein. Wieder ist es nun der frühe Morgen, nach dem Fischzug in der Nacht, wieder trifft Petrus der Blick Jesu in der Dämmerung. Angst, Verrat, Schmerz und Verlassenheit mögen noch zwischen ihnen spürbar gewesen sein. Denn wieder wird Petrus dreimal gefragt. Jesus fragt: Liebst Du mich?

Was für eine schwere Frage! Was würde ich, was könnte ich antworten? Ruft nicht auch bei mir diese Frage die Erinnerung auf die vielen Male auf, in denen ich meine Liebe zu Jesus verraten habe, nicht dazu stehen konnte, dass ich zu ihm gehöre, dass ich Christin bin, Kirchenmitglied? Kann ich, trotz und angesichts meines Verrats noch zu meiner Liebe stehen? Glaube ich sie mir selbst noch?

Petrus findet schließlich den Ausweg aus den Selbstzweifeln: die Erkenntnis, dass Jesus mich besser kennt als ich mich selbst – und dass ich mich gerade deshalb seiner Liebe ganz anvertrauen kann. „Du weißt alles“, sagt Petrus und hält hier nichts mehr für sich zurück, lässt los, gibt sich ganz in Jesu Hände. So ist er nun auch dafür gerüstet, sich sogar dorthin führen zu lassen, wo sich sein menschlicher Selbsterhaltungstrieb weigern möchte. Die Entscheidung zur konsequenten Nachfolge ist hier in der Tiefe bereits gefallen. Sie besteht im Wesentlichen darin, mich mit meiner Sehnsucht danach, ihn zu lieben, und mit allen meinen Zweifeln und meinem Scheitern daran, Jesus ganz zu überlassen. Er ist es, der um mich um eine Liebe weiß – besser als ich selbst.

Wer sich selbst so loslassen kann, ist geeignet, andere zu führen, Hirte oder Hirtin zu sein.

Nicht die Makellosigkeit ist dafür entscheidend, sondern die Fähigkeit, aus dem Kreisen um sich selbst auszusteigen – auf Jesus und die anderen hin.

Eine Freundin erzählte neulich, wie sie beim Sterben eines für sie prägenden Priesters dabei sein konnte, der zudem Kirchenrechtler war. In seinen letzten Stunden habe ihn die Sorge ungeheuer bewegt: Was werde ich Jesus auf diese Frage antworten: Liebst du mich? Ehrlich rang er damit, bis sich ein erlösendes Wort in ihm durchsetzte, mit dem auf den Lippen er sterben konnte: Liebe vor Recht.
Die Frage nach der Liebe ist keine Frage im Gerichtssaal. Es ist eine intime Frage. Es ist die Frage dessen, der das Kohlenfeuer des Verrats wandelt zum nährenden Feuer der Gemeinschaft mit ihm und untereinander. Welch ein tiefes Glück!

(rv 17.4.2010 ord)







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