Die Paulusgrotte - Keimzelle des maltesischen Christentums
Die Paulusgrotte gilt
den Maltesern als jener Ort, an dem der heilige Paulus drei Monate lang unter den
Römern gefangen saß und gelehrt hat. Unser Kollege Stefan Kempis war schon vor dem
Papstbesuch dort und beschreibt seine Eindrücke vor Ort:
La Valletta,
Busbahnhof, gleich vor den festungsartigen Mauern der Hauptstadt, die im 16. Jahrhundert
von den Malteserrittern angelegt wurde. Von hier fährt Bus Nummer 81 in einen noch
älteren Teil der Geschichte von Malta: 25 Minuten Fahrt für einen Sprung ins Jahr
60, in die Zeit des Apostels Paulus. Wir fahren nach Rabat, zur Pauluskirche: In der
alten Grotte darunter soll der Völkerapostel, wie die letzten Seiten der „Apostelgeschichte“
erzählen, drei Monate lang gelebt und gelehrt haben, als Gefangener des Römischen
Reichs. Der Bus fährt durch mehrere Städte und Dörfer, aber man merkt kaum die Übergänge,
eher ist es, als fahre man durch immer neue Viertel immer der gleichen Stadt. Fernab
der Küste ist Malta leicht hügelig, windig, trocken: Überall Kakteen, Palmen, gelblicher
Stein.
Ankunft in Rabat: Das Städtchen, in dem auch Benedikt XVI. bei
seinem Besuch übernachtet, liegt wie ein Adlernest auf einer Kuppe, beherrscht von
der Silhouette der barocken Basilika, mit ihrer rotweißen Kuppel. Im Innern des Gotteshauses
barocker Überschwang; Arbeiter legen letzte Hand an. Ein paar Stufen hinunter in die
dunkle Krypta, dann öffnet sich ein Gittertor zu einer Art Höhle: Hier in diesem kleinen
Raum schlug also die Stunde Null für Maltas Christentum.
„Paulus ist
unser Vater“, erklärt mit großer Selbstverständlichkeit Luis Suban, der Erzpriester
der Basilika. „Er ist unser Vater im Glauben. Da ist es doch natürlich, dass der Papst
1.950 Jahre nach Paulus` Schiffbruch nach Malta kommt… Übrigens“, so glaubt Suban,
„hat der Papst ja sowieso ein Faible für Malta. Sein zweiter Sekretär kommt von hier
und ein enger Mitarbeiter in der Glaubenskongregation, und wäre er nicht zum Papst
gewählt worden, wäre er im Juni 2005 nach Malta gekommen – das war schon alles geplant.
Ich hoffe, wir bereiten ihm einen schönen Empfang – der Besuch wurde ja im Februar
angekündigt, und wir sind immer noch nicht fertig mit den Vorbereitungen…“
Die
Grotte ist klein und eng; Besucher haben sie im Lauf der Jahrhunderte erweitert, indem
sie Staub von den Wänden kratzten, galt dieser doch als wundertätig, als Heilmittel
gegen Schlangengift.
„Da, wo die heutige Kirche liegt, war der Stadtrand des
antiken Melite; hier, gleich vor den Toren der Stadt, war das römische Gefängnis.
Und das hier ist eine Zelle dieses römischen Kerkers… Die Statue dort kommt aus der
Schule des Bernini, sie wurde von einem Großmeister des Barock hier aufgestellt. Dann
sieht man hier Bilder von Johannes Paul II., der ebenfalls 1990 diesen Ort besucht
hat – er hat hier zwanzig Minuten lang alleine gebetet! -, und das hier sind Lampen,
die die Johanniter und Malteserritter gestiftet haben. Hier schließlich sehen Sie
vier Lampen, die Papst Paul VI. gestiftet hat. Und diese Treppen dort führen in die
Katakomben…“
„Paulus-Katakomben“ – am Eingang zu diesem Komplex kommen
wir später vorbei, als wir wieder draußen sind an der frischen Luft. Der christliche
Friedhof stammt aus dem vierten Jahrhundert – erster sicherer Nachweis für eine christliche
Gemeinde auf der Insel, wenn man vom Zeugnis der „Apostelgeschichte“ einmal absieht.
Rabats Gassen sind eng, gewunden, orientalisch. In einem mit Büchern nur so vollgestopften
Zimmer besuchen wir noch auf einen Sprung den wohl eminentesten Paulusforscher der
Insel, den Priester John Azzopardi – er kommt aus einer der bekanntesten Familien
von Malta.
„Ich habe immer in einem Paulus-Ambiente gelebt“, sagt
Azzopardi, „alle meine Forschungen kreisen darum. Paulus auf Malta – das ist eine
eigene Kultur für sich. Er ist ein Symbol, er hat einen wichtigen Teil von Maltas
Identität mitgeformt. Darüber habe ich übrigens gerade ein Buch geschrieben, das ich
heute abend im Büro des Ministerpräsidenten vorstelle… Wir sind das einzige Volk der
Welt zusammen mit Griechenland, das den von Paulus gebrachten Glauben bis heute bewahrt
hat. Und wir sind die einzigen überhaupt, die ihn nicht nur Völkerapostel nennen,
sondern unseren Vater! Genau das steht auch in einer schönen lateinischen Inschrift
über der Paulusgrotte: Anderen ist er Lehrer, uns ist er Vater…“
Azzopardi
kann beredt schildern, wie herzlich Paulus, obzwar Gefangener, von den Maltesern dereinst
aufgenommen worden ist. Wenn Paulus allerdings heute Schiffbruch vor Malta erleiden
würde – das weiß auch der Geistliche – dann würde er ohne große Umstände in ein Internierungslager
für Immigranten geschafft.
„Wissen Sie, die Immigration bedeutet für
uns große wirtschaftliche Probleme… Unmenschliche Bedingungen in den Lagern? Naja
– vielleicht aus der Sicht unserer Bequemlichkeiten. Aber die Zahl der Ankömmlinge
ist so groß und die Probleme so schwerwiegend… die Regierung gibt sich schon große
Mühe.“
Es wird Abend: Bus Nummer 81 schaukelt zurück nach La Valletta.
An Bord auch einige Immigranten mit schwarzer Hautfarbe. Hinter uns zurück bleibt
die beeindruckende Silhouette von Rabat.