Es soll das drittgrößte
Wasserkraftwerk der Welt werden. Die Auswirkungen für die Umwelt werden jedoch verheerend
sein: Durch den geplanten Mega-Staudamm Belo Monte wird ein Drittel der Provinz Altamira
in den Fluten versinken. „Chaos und Tod“ werde das Projekt laut Bischof Erwin Kräutler
bringen. Im Gespräch mit Elfi Vomberg spricht der Bischof der Region Xingu über die
Verantwortung der Mitwelt, sowie die Konsequenzen des folgenschweren Projektes am
Amazonas.
Die Wasserschildkröten in der Region sind bedroht. Die Behörden
machen sich Sorgen. Doch, dass tausende Menschen am Xingu mindestens genauso bedroht
sind, davon ist bei der brasilianischen Regierung keine Rede. Inzwischen hat der brasilianische
Bischof Erwin Kräutler den Begriff „Umwelt“ aus seinem Wortschatz durch den Begriff
„Mitwelt“ ersetzt. Er will, dass die Menschen Verantwortung für ihren Lebensraum übernehmen.
„In Altamira, am Xingu und auch in Brasilien gibt es eine viel offenere
Art über die Mitwelt zu denken und sie zu verteidigen. Vor zehn Jahren war das noch
gar nicht so aktuell. Aber heute sind speziell die jungen Leute sehr darauf eingestellt,
dass man doch Verantwortung trägt. Junge Leute, die heute 15 oder 18 sind - in einigen
Jahren gründen Sie dann ihre Familie – und was wird dann mit diesen Leuten sein? Man
muss die Frage einfach stellen – was hat das für Zukunft?“ Einige Betroffene
werden bei dieser Frage wahrscheinlich resignierend mit dem Kopf schütteln. Erst im
Februar musste die Bevölkerung eine Niederlage einstecken. Die Umweltbehörde bewilligte
das Projekt in der Amazonasregion. Positiv in die Zukunft zu blicken, das fällt der
Bevölkerung momentan schwer.
„Die Leute, die am Sonntag in der Kirche
sind oder bei unseren kleinen Gemeinden mittun, das sind auch dieselben Leute, die
in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir müssen die Leute organisieren und der Bischof
kann natürlich nicht sagen, „das interessiert mich nicht, weil das mit dem Sonntagsgottesdienst
nichts zu tun hat“. Das sind die gleichen Leute und ich muss für die auch Hirte sein
- auch während der Woche. Die Kirche, im Namen der Theologie der Schöpfung hat da
was dazu zu sagen. Wir können nicht so tun, als ob uns das nichts angehen würde. Wir
können nicht die Hände verschränken, wenn der Lebensraum von ganzen Völkern einfach
aufs Spiel gesetzt wird.“ Kräutlers Bistum ist das größte Flächenbistum Brasiliens,
jede seiner Pfarreien hat zwischen 30 und 90 Basisgemeinden, in denen vor allem die
Urbevölkerung lebt. Die Verantwortlichen wissen derzeit noch nicht, wie viele Familien
betroffen sein werden, wenn es zur Überflutung kommt. Doch nach wie vor hofft der
brasilianische Bischof, dass die Katastrophe abgewendet werden kann. „Wir haben
Alternativvorschläge. Ich habe immer gesagt, Brasilien hat eine wahnsinnig große Chance
zu innovieren. Beispielsweise in die Sonnenenergie – vielleicht dass Brasilien in
diesem Zusammenhang der ganzen Welt ein Beispiel gibt. Was da kaputt gemacht wird
noch heute in der Zeit wo wir ja alle sensibel sein sollten unserer Mitwelt gegenüber.
Das ist nicht mehr eine brasilianische Angelegenheit, die Folgen der Abholzung von
Amazonien, die werden wir auf dem ganzen Planeten zu spüren bekommen.“ Doch
solange die Bagger noch nicht anrollen, will der brasilianische Bischof Erwin Kräutler
sich auch weiterhin gegen das Projekt stark machen. Auf den Straßen finden nach wie
vor Proteste statt und er will auch in Zukunft im Gespräch mit den Verantwortlichen
bleiben.
„Wir protestieren nach wie vor. Was kommen wird, ich will eigentlich
noch gar nicht daran glauben, dass das kommen wird. Und darum meine ich, dass zu guter
letzt die Vernunft den Sieg davon tragen wird.“ (rv 14.04.2010
evo)