Er galt als Mann der leisen Töne, doch er erreichte die Menschen: Mehrere Hundert
Trauernde haben an diesem SamstagAbschied vom Hildesheimer Altbischof Josef Homeyer
genommen. Zur Gedenkfeier in der Basilika St. Godehard kamen mehr als 50 Bischöfe
und andere kirchliche Würdenträger sowie zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens
aus dem In- und Ausland. Homeyer war am 30. März im Alter von 80 Jahren an den Folgen
einer Darmoperation gestorben. Er leitete das Bistum 21 Jahre lang und ging 2004 in
den Ruhestand.
Mehr als ein „friend in need“: Eine Erinnerung
an
Bischof Josef Homeyer
Von Tihomir Popović
Dass
man die tiefe Bedeutung einer Person und das Gefühl, das man ihr gegenüber hat, erst
dann wirklich merkt, wenn man diese Person verliert, gehört wohl zu den unoriginellsten
und am häufigsten ausgesprochenen Binsenweisheiten der Menschheit. Aber genau das
war es, was ich gespürt habe, als ich am vergangenen Dienstag erfuhr, dass der Hildesheimer
Altbischof Josef Homeyer gestorben war. Nicht, dass ich etwa diesen bedeutenden Mann
persönlich gut kannte oder ihm in irgendeiner Weise nahe stand. Er kannte aber meine
Kirche und mein Volk und unterstützte sie immer wieder: Dadurch stand er auch uns
Serben nahe. Wenn nun Menschen aus Deutschland vom Heimgang eines großen Kämpfers
für soziale Gerechtigkeit sprechen und die Brüsseler den Verlust eines großen Europäers
beklagen, so sei mir auch erlaubt, mich von Bischof Homeyer als einem großen Freund
der Serbischen Orthodoxen Kirche und der Serben zu verabschieden.
Ich
kann mich noch erinnern, wie froh – und vielleicht auch stolz – Bischof Homeyer war,
als der Serbische Patriarch Pavle I. am 1. Juni 2000 Hannover besuchte und der Bischof
das serbische Kirchenoberhaupt zunächst im Christus-Pavillon auf der EXPO 2000 und
dann auch in seiner Residenz empfing. Die beiden Menschen wirkten wie archetypische
Darstellungen von West und Ost: der kleine und stille orthodoxe Patriarch als Symbol
des Östlichen, Monastischen, Asketischen und Meditativen, der groß gewachsene und
diskussionsfreudige Bischof Homeyer als Sinnbild für das Okzidentale, Aktive, Soziale
und Politische in der Kirche. Dennoch verstanden sie sich sehr gut. Sie hatten beide
die geistige Weite, den Diskurs des jeweils Anderen zu spüren und zu verstehen, ohne
ihm zwangsläufig anzugehören. Sie zeigten, wie die – auch von uns selbst immer wieder
inszenierten und konstruierten – Gegensätze von Ost und West miteinander leben können,
ohne ihre Identität aufzugeben.
Nach seiner Emeritierung hatte ich
einmal die Gelegenheit, Bischof Josef Homeyer in seiner Wohnung in der Hildesheimer
Domfreiheit zu besuchen. Das Ambiente war ein anderes als bei allen anderen Anlässen,
bei denen ich den Bischof bis dahin hatte erleben dürfen: Die Wohnung machte den Eindruck
einer schlichten Behausung eines Gemeindepfarrers und man unterhielt sich auf einem
durch und durch bescheidenen, bürgerlichen Balkon mit Blick auf den Hinterhof, der
Bischof in weißem T-Shirt. Es war aber der gleiche Bischof Homeyer, den ich aus seiner
Amtszeit gekannt hatte: Ein durchdringender Blick und eine selbstbewusste Stimme;
die Themen, wie immer, politisch, der Ton, wie immer, neugierig und würdevoll-engagiert.
Bischof Homeyer wollte wissen, wie es den Serben geht, wie die Demokratisierungsprozesse
vorankommen, was im Kosovo-Metohija passiert. Sein Interesse war genauso wach und
sein Engagement genauso ehrlich wie früher. Er war ein authentischer christlicher
homo politicus; ein Reisender, dessen Reiseplan nicht von einem Amt abhängig war.
Nur
ein so integrer Mensch konnte während des Kosovo-Krieges im Jahr 1999, als beinahe
die ganze westliche Welt Serbien verteufelte, in jedem Gottesdienst, den er zelebrierte,
Kollekte für die Not leidenden Serben sammeln und Jahr für Jahr die zwischenkirchlichen
Tagungen der Serbischen Orthodoxen Kirche, der deutschen Bischofskonferenz und der
Evangelischen Kirche in Deutschland tatkräftig unterstützen. Bischof Homeyer war mehr
als ein sprichwörtlicher „friend in need“: Er war ein Freund, der bereit war, auch
einen Teil seines eigenen Ansehens und dadurch einen Teil von sich selbst für einen
Freund aufs Spiel zu setzten. Obwohl der Bischof ein großer Freund der Serben war,
war er jedoch kein Peter Handke. Er ließ sich in seiner Liebe für die Serben nicht
dazu verleiten, sie zu verklären und die anderen Seiten des Konfliktes zu ignorieren.
Dafür blieben auch sein Ansehen und seine Integrität unangetastet.
Noch
vor zehn Tagen, als ich in Rom ein Gespräch mit Kardinal Kasper führte, sprachen wir
von Homeyers Verdiensten für den zwischenkirchlichen Dialog und insbesondere von seinen
fruchtbaren Beziehungen zu Serbien. Ich freute mich schon, demnächst wieder bei Bischof
Homeyer anzuklopfen und ihn um ein Interview für unseren neuen Informationsdienst
zu bitten.
Zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Rom starb der Bischof.
Ich werde ihn sehr vermissen. Nicht nur wegen des Interviews.
(Tihomir
Popovic, Hochschullehrer in Hannover und Osnabrück, ist Vizepräsident des Diözesanrates
der Serbischen Orthodoxen Diözese für Mitteleuropa und verantwortlicher Redakteur
ihres Informationsdienstes SOK AKTUELL.)