Mit der Ausstellung
„Piranesi, Rembrandt der Ruinen“ wagt die Casa di Goethe eine Zeitreise ins Rom des
18. Jahrhunderts. Obwohl viele Motive auch heute noch Wiedererkennungswert besitzen,
stutzt der Betrachter bei so mancher Radierung des italienischen Künstlers. Elfi Vomberg
hat mit Ursula Bongaerts, der Direktorin der Casa di Goethe, diese Zeitreise angetreten.
Zwischen
antiken Säulen weidet Vieh, die Triumphbögen versinken im Boden und Pferdekutschen
bahnen sich ihren Weg durch die antiken Monumente. Wir befinden uns auf dem Forum
Romanum. Ein ungewöhnlicher Anblick und nicht gerade das, was Touristen heute auf
dem Gelände zu sehen bekommen. Doch so hat es einst ein anderer berühmter Tourist
erlebt: Als der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe im 18. Jahrhundert
während seiner Italienreise seine Runden übers Forum drehte, ließ er sich hier von
der antiken Welt inspirieren. Der italienische Kupferstecher Giovanni Battista Piranesi
war ein Zeitgenosse Goethes. Seine „Vedute di Roma“ sind momentan in der Casa die
Goethe ausgestellt und geben dem Betrachter Einblicke in das Rom des 18. Jahrhunderts.
Ursula Bongaerts, Leiterin der römischen Casa di Goethe, erklärt:
„Ich
glaube, dass gerade dieses Ineinander von Kunst und Natur im 18. Jahrhundert, als
man erstmals überhaupt die Antike entdeckte, die Menschen besonders fasziniert hat.
Das heute freigelegte Forum Romanum hat ja auch eine karge Nüchternheit. Man kann
natürlich genau erschließen, was da war, man kann versuchen, zu rekonstruieren und
sich auch vorzustellen, wie die Römer da gelebt haben. Aber im Grunde ist diese Viehweide,
wie es in der Übersetzung dann heißt, eigentlich viel anregender.“ Schon vor
Piranesis Schaffen waren Stadtveduten sehr beliebt. Bereits Goethes Vater hatte von
seiner eigenen Italienreise Radierungen aus Rom mitgebracht. In „Dichtung und Wahrheit“
schreibt Goethe, dass er täglich im Treppenhaus seiner Eltern an der Piazza del Popolo,
dem Kolosseum, dem Petersplatz, der Peterskirche und der Engelsburg vorbei kam. Später
erwähnt Goethe auch in seiner „Italienischen Reise“ die Radierungen von Piranesi,
wie Ursula Bongaerts berichtet:
„Goethe war aber diesen Radierungen gegenüber
sehr skeptisch. Das hat viel zu tun mit der Naturauffassungen und der Auffassung von
Piranesi. Goethe war jemand, der im Sinne Winkelmanns nach Rom kam - die Nachahmung
der Alten und die Naturgesetze auch in der Kunst und Architektur umzusetzen, das war
seine Zielvorgabe. Und Piranesi war viel zu Expressionistisch. Bei Piranesi sind ja
keine realistischen Darstellungen der Stadt zu sehen, sondern er arbeitet mit Perspektivverzerrungen.
Er hat durch bestimmte Motivgestaltung einfach auch Akzente gesetzt. Und Goethe war
sehr auf Harmonie bedacht und auf die Erfüllung der Naturgesetze.“ Und doch
haben die beiden Künstler einige Gemeinsamkeiten. Beide gelten als Universalgelehrte
und sind nicht nur auf ein Sujet begrenzt. Piranesi war nicht nur Architekt, sondern
auch Bühnenbildner, Schriftsteller, Illustrator, Sammler und Archäologe. Goethe hat
nicht nur geschrieben, er hat auch gezeichnet und sich für Naturwissenschaften interessiert.
Die Universalität ihres Denkens verbindet also beide Künstler. Und während Goethes
Werke immer noch gelesen werden, haben auch die Radierungen von Piranesi das Bild
von Rom seit dem 18. Jahrhundert bis heute geprägt. Für Ursula Bongaerts eine gute
Gelegenheit, einmal in die Rolle des Touristen im 18. Jahrhundert zu schlüpfen:
„Man
muss bei Piranesi dann vielleicht doch noch mal ins Detail gehen. Er macht ja nicht
nur die Veduten, die Stadtansichten, so wie wir es heute kennen. Sondern der Reiz
von Piranesi liegt auch in den vielen Details, in den Figurenstaffagen, in der Art,
wie die Natur dort vorkommt. Gerade wenn Sie sich die Figuren angucken, gibt es viel
Reizvolles und sehr Witziges zu entdecken. Wir haben hier noch eine andere Ansicht
vom antiken Forum Romanum, was man heute kaum noch rekonstruieren kann. Da sind Häuser
zu sehen, die wir heute gar nicht mehr kennen. Aber Sie sehen, es ist belebt, da sind
die Menschen, die arbeiten, da ist das Vieh. Es ist einfach Alltag in Rom und das
wird, denke ich, mit dieser Ausstellung sehr schön vorgeführt.“ Die Ausstellung
in der „Casa di Goethe“ ist noch bis zum 18. April zu sehen, wird jedoch wegen der
großen Nachfrage von Ende Juli bis Anfang Oktober erneut gezeigt werden.