2010-04-01 11:47:07

Schönborn: „Durch die Opfer spricht Gott zu uns“


RealAudioMP3 Um sich erneuern zu können, muss die Kirche auf die Opfer hören. Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Buß- und Klagegottesdienst am Mittwochabend im Wiener Stephansdom betont.

Der Wortgottesdienst stand unter dem Leitmotiv „Ich bin wütend, Gott!“; in Fürbitten und einem besonderen Weihrauch- und Kerzenritus konnten die Gottesdienstbesucher ihre Ohmacht, Enttäuschung sowie Hoffnungen und Bitten vor Gott tragen. Betroffene, darunter auch Opfer, trugen dabei persönliche Missbrauchserfahrungen vor. Am Vorabend des Gründonnerstag rief der Kardinal die Kirche eindringlich zur Umkehr auf:

 
„Wenn jetzt die Opfer sprechen, dann spricht Gott zu uns, um die Kirche aufzurütteln und zu reinigen. Dann spricht durch die Opfer der Gott zu uns, der zu Moses gesagt hat: Ich habe sorgsam auf euch geachtet und habe gesehen, was man euch angetan hat.“

 
Beim liturgischen Schuldbekenntnis, gesprochen von Schönborn und der katholischen Theologin Veronika Prüller-Jagenteufel, kam die Schuld Einzelner sowie die kollektive Schuld zur Sprache, die durch überkommene Strukturen, Verhaltens- und Denkmuster entstanden sei. Durch die zahlreichen Missbrauchsfälle im Kreis der Kirche werde der Glaubensgemeinschaft regelrecht „der Spiegel vorgehalten“, so Kardinal Schönborn. Besonders schwerwiegend sei dabei die Tatsache, dass Missbrauch Gläubigen das Gottvertrauen nehme.

 
„Denn er schändet den heiligen Namen Gottes. Er verstellt oft für ein ganzes Leben den Zugang zu dem Gott, der mit uns ist und uns befreit. Missbrauch durch Gewalt im Sexuellen, wenn sie durch Priester, Geistliche, Ordensleute geschieht, kann zur Gottesvergiftung werden. Die Personen, die die Nähe und den Namen Gottes nahe bringen sollen, werden zu Zerstörern der Gottesbeziehung. Das ist es, was den Missbrauch in der Kirche noch einmal schlimmer macht.“

 
Das „Evangelium der Befreiung“ sei zu einer „Missbotschaft des Missbrauchs“ geworden, so der Kardinal wörtlich. Solange die Kirche nicht hinschaue und hinhöre, werde sie den Zugang zum „befreienden, rettenden Gott“ verstellen. Dieser Prozess müsse durchlaufen werden, so der Kardinal, das sei man den Opfern schuldig:

 
„Es ist eine schmerzliche Erfahrung für die Kirche, aber was ist dieser Schmerz im Vergleich zum Schmerz der Opfer, den wir übersehen und überhört haben.“

 
Ausdrücklich dankte der Wiener Erzbischof den Opfern, die bisher den Mut gefunden haben, zu sprechen. Es sei „vieles aufgebrochen“, so der Kardinal, und es werde „weniger weggeschaut“. Es bleibe jedoch noch viel zu tun, so Schönborn weiter. Zu dem Buß- und Klagegottesdienst hatten der Wiener Kardinal, die Dompfarre und die Plattform „Wir sind Kirche“ gemeinsam eingeladen.

(kap 01.04.2010 pr)









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