Der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach sieht eine wachsende Entfremdung der katholischen
Kirche in Deutschland von den Menschen. „Sie schließt sich in ein kultisches und spirituelles
Sondermilieu ein“, sagte der Jesuit am Wochenende in Würzburg. Milieustudien zeigten,
dass die Kirche weder die jüngere Generation noch die unteren Bevölkerungsschichten
erreiche. „Die katholische Kirche wird tendenziell zur bürgerlichen Klassenkirche.“
Außerdem fördere sie den Trend zur „hierarchischen Zentralisierung und räumlichen
Konzentration“, kritisierte Hengsbach. Die Kirchenleitungen übersähen absichtlich
oder fahrlässig, dass das erste Subjekt einer Glaubensgemeinschaft die Gemeinde sei.
Diese werde durch die Strukturreformen konsequent geschwächt. Erschwerend komme hinzu,
dass die Entscheidungsmacht auf den Stand ehelos lebender männlicher Kleriker konzentriert
sei. Deshalb schlössen Christen zunehmend mit anderen Menschen jenseits kirchlicher
Grenzen Bündnisse, um ihre Anliegen durchzusetzen. Die Kirche werde sich jedoch aus
diesem „Exil“ befreien und sich in eine umfassende ökumenische Bewegung eingliedern,
sagte der Theologe. „Sie wird Frauen den gleichen Zugang zu allen weihebasierten Leitungsämtern
erschließen und die kirchlichen Ämter nicht an Lebensformen binden, die von denen
abgelehnt werden, die für einen kirchlichen Dienst geeignet und berufen sind.“