Medienfachmann: „Anti-Kirchen-Kampagne“ ist Quatsch
Verfolgen die Medien
das Ziel, „die Glaubwürdigkeit der Kirche zu erschüttern“? Sie tun es, wenn man dem
Urteil des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller glaubt. Als „Kampagnen-Journalismus“
bezeichnete er in seiner Sonntagspredigt die Berichterstattung in Deutschland seit
dem ersten Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in der Kirche. Diese Einschätzung teilt
der Leiter des Adolf Grimme Instituts, Uwe Kammann, nicht. Im Gespräch mit dem Kölner
Domradio widerspricht er dem Oberhirten - aus ganz grundsätzlichen Überlegungen heraus:
„Tatsächlich
kann es das gar nicht geben. Es gäbe heute niemanden mehr, keine noch so mächtige
Einrichtung, die beschließen könnte: Wir betrachten eine bestimmte Sache oder Person
unter einem gleichen Blickwinkel und sorgen dafür, dass alle ähnlich darüber schreiben.
Das ist ausgeschlossen, weil eine Kampagne Abspachen bedeuten würde. Und solche Absprachen
sind in der heutigen Medienwirtschaft schon unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz
zwischen den einzelnen Medien undenkbar.“
Wer in diesem Punkt anders denke,
habe keine Ahnung von der Medienlandschaft, betont der ehemalige Journalist. Zwar
könne sich über tonangebende Medien so etwas wie „eine Konjunktur, ein Nachläufertum“
in der Berichterstattung bilden, allerdings ohne jeden strukturellen Charakter. Was
derzeit von Teilen der katholischen Kirche als Kampagne empfunden werde, betont Kammann,
sei lediglich eine gewisse thematische Häufung:
„Es ist klar, dass die katholische
Kircheverstärkt im Blickpunkt steht, nachdem nach und nach einige Fälle sexuellen
Missbrauchs ans Tageslicht kamen. Dann graben alle nach und wollen natürlich auch
ein Stückchen von diesem Kuchen abbekommen. Das hat dann aber noch nichts mit einer
Kampagne zu tun. Eigentlich wird in diesem Fall der Bote dafür geschlagen, dass er
mit der Botschaft sehr unglücklich ist. Als katholische Kirche würde ich von daher
vermutlich auch sagen, dass das schlimm für die eigene Institution ist, wenn so viele
ganz und gar negativ über mich schreiben.“
Und was rät der Medienexperte
den Konsumenten, die sich schließlich an möglichst objektiven Darstellungen eine eigene
Meinung bilden wollen?
„Es gibt natürlich hervorragende Journalisten, die
sehr gut arbeiten und tief recherchieren. Aber eben auch diejenigen, die oberflächlich
rangehen und nach Effekten haschen. Und da heute die Medien über das Internet sehr
viel umfassender, leichter und schneller zugänglich sind, hat man den Eindruck, dass
es in den Medien mehr Müll gibt - ohne, dass deren Qualität im Schnitt schlechter
geworden wäre. Das heißt, auch als Publikum muss man äußerst kritisch sein und mit
dem eigenen Verstand prüfen, ob zum Beispiel Akzente falsch gesetzt werden. Und das
kann eigentlich nur durch Vergleich geschehen.“