D: Bischof Müller wirft Medien Desinformation vor - Zollitsch räumt Fehler der Kirche
ein
In der Debatte um
sexuellen Missbrauch hat der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller antikirchliche
Vorurteile und Hetze beklagt. In einem Hirtenwort „zur aktuellen Situation“ wies Müller
am Sonntag den Vorwurf einer systematischen Vertuschung von Übergriffen durch Verantwortliche
der Kirche zurück. „Nachdrücklich verurteile ich den Versuch, die ganze katholische
Kirche und ihre Einrichtungen in Misskredit zu bringen“, schreibt der Bischof. Er
wirft kirchenfeindlich gesinnten Kräften vor, sich die Regensburger Domspatzen als
Opfer ausgesucht zu haben. „Ein Glanzstück des Bistums Regensburg soll in den Dreck
gezogen werden“, so der Bischof. Mit „krimineller Energie“ werde durch Zerrbilder
jenseits der Realität gezielt Hetze verursacht. Mittlerweile sei die Stimmung so angeheizt,
dass Domspatzen öffentlich angepöbelt würden, heißt es in dem Hirtenwort. Reporter,
die ihr Gymnasium belagerten, bedrängten Eltern, weil diese ihre Kinder noch nicht
aus dem vermeintlichen „Sumpf von sexueller Gewalt und systematischer Demütigung“
befreit hätten. Dabei könne das „schwer sündhafte Fehlverhalten einzelner Erzieher
und Schüler“ in der Vergangenheit weder der Gesamtheit der Einrichtung und schon gar
nicht den heutigen Lehrern und Schülern angelastet werden.
Der Bischof räumt
aber auch Fehler auf Seiten der Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch ein. Dass
man sich früher zu wenig um die Opfer gekümmert habe, werde heute zu Recht bemängelt.
Auch sei man früher wohl der Ansicht gewesen, dass es genüge, den Täter seines Amtes
zu entheben und ihn seine Strafe abbüßen zu lassen. Man habe angenommen, dass der
Täter daraus die Lehre gezogen habe und an einem anderen Einsatzort nicht mehr rückfällig
werde. Zudem hätten sich wissenschaftliche Prognosen über ein künftig straffreies
Verhalten als unsicher erwiesen.
Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch
hat derweil eingeräumt, dass in der katholischen Kirche Deutschlands in früheren Jahren
Fälle sexuellen Missbrauchs bewusst vertuscht wurden. „Ja, das hat es bei uns gegeben“,
sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einem am Sonntag veröffentlichten
Focus-Interview. „Seit Jahren jedoch steuern wir den entgegengesetzten Kurs“, so Zollitsch
weiter. Er hob hervor, sexueller Missbrauch von Minderjährigen sei „über Jahrzehnte
in der gesamten Gesellschaft“ verschleiert worden. Das sei „nicht ein Problem ausschließlich
der katholischen Kirche“. In der Diskussion um sexuellen Missbrauch im Erzbistum Freiburg
hatte Zollitsch am Wochenende Vorwürfe gegen seine Person zurückgewiesen. Bei einem
Fall, mit dem der heutige Erzbischof 1991 als Personalreferent befasst war, sei es
nie darum gegangen, etwas zu vertuschen, sagte Zollitsch am Samstag vor Journalisten
in Freiburg. Die Bistumsleitung habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Einem
des Missbrauchs beschuldigten Pfarrer im Schwarzwaldort Oberharmersbach sei nach konkreten
Anschuldigungen klar gesagt worden, „dass wir entschlossen sind, die Staatsanwaltschaft
einzuschalten“, so Zollitsch. Der Geistliche habe sich der Strafverfolgung entzogen,
indem er sich das Leben genommen habe.
In dem Interview unterstrich der Erzbischof,
es werde immer deutlicher, dass die meisten Missbrauchsfälle außerhalb des kirchlichen
Raums geschähen; dennoch seien sie in der Kirche besonders schlimm. Kritisch äußerte
sich Zollitsch zu einer Anzeigepflicht bei Verdachtsfällen. Immer wieder geschehe
es, dass Opfer über ihr Leid sprechen wollten, aber eine Anzeige ausdrücklich nicht
wünschten. „Das stürzt uns moralisch in Probleme, da wir ja dennoch daran interessiert
sind, dass Täter überführt werden und der staatliche Prozess zu einem Urteil kommt“,
sagte der Erzbischof. Seines Erachtens verlange der Gang zum Staatsanwalt zudem Anhaltspunkte
für eine mutmaßliche Tat. Immerhin könne man Menschen „durch falsche Beschuldigungen
geistig umbringen“. Darüber werde vielleicht „in der momentanen erhitzten Situation
zu wenig nachgedacht“.
Zollitsch trat dem Vorwurf entgegen, der Zölibat sei
mit eine Ursache für sexuelle Übergriffe. Es gebe „jedenfalls keine direkte Verbindung“.
Bei Priestern werde wie wohl in kaum einem anderen Beruf während der Ausbildung so
viel Wert auf eine geklärte emotionale Reife gelegt. Zollitsch wörtlich: „Wenn in
der Ehevorbereitung nur ein Zehntel dieser Sorgfalt auf die Persönlichkeitsbildung
verwendet würde, wäre es um den Bund von Mann und Frau vielleicht um vieles besser
bestellt.“