Der Hirtenbrief des Papstes an die Kirche in Irland
Am Josefstag wurde er unterschrieben, an diesem Samstag wurde er offiziell vorgestellt:
der Hirtenbrief des Papstes an die katholische Kirche in Irland. Es ist ein Brief,
der klar und deutlich an Irland gerichtet ist. Es ist ein langes Dokument, in dem
sich der Papst an die Kirche Irlands – insgesamt und an einzelnen Gruppen: die Opfern,
die Tätern, die Bischöfen etc – wendet. Es ist außerdem ein geistlicher Text, keine
politische Absichtserklärung, keine Dienstanweisung für strukturelle Änderungen oder
Ähnliches. Der Papst hatte am Mittwoch bei der Generalaudienz darum gebeten, den Brief
selbst und ganz zu lesen. Zuvor dokumentieren wir hier – in einer Arbeitsübersetzung
– eine Zusammenfassung des Textes.
Zusammenfassung des Pastoralbriefs
des Papstes an die Katholiken in IrlandDer Papst hat einen Hirtenbrief an alle
Katholiken Irlands geschrieben, in dem er seine Bestürzung über den sexuellen Missbrauch
junger Menschen durch Vertreter der Kirche und über die Art, wie dem von den Ortsbischöfen
und Oberen der Ordensgemeinschaften begegnet wurde, Ausdruck verleiht. Er bittet,
dass dieser Brief aufmerksam und vollständig gelesen wird. Der Heilige Vater spricht
von seiner Nähe im Gebet zur gesamten irischen katholischen Gemeinschaft in dieser
schmerzvollen Zeit und schlägt einen Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung
vor. Er ruft sie dazu auf, sich an den Felsen zu erinnern, aus dem sie gehauen
ist (Jesaja 51:1), besonders der besonderen Beiträge irischer Missionare für die europäische
Zivilisation und in der Verbreitung des Evangeliums auf jedem Kontinent. Vergangene
Jahre haben im Zuge des schnellen sozialen Wandels viele Anfechtungen des Glaubens
in Irland gesehen und eine Abnahme der Beachtung traditioneller Frömmigkeitsformen
und sakramentaler Bräuche. Dies ist der Kontext, in dem der Umgang der Kirche mit
dem Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern verstanden werden muss. Viele
Faktoren haben zum Problem beigetragen: nicht ausreichende moralische und geistliche
Ausbildung in Seminarien und Noviziaten, eine Tendenz in der Gesellschaft, zum Klerus
und anderen Autoritäten aufzuschauen, und eine fehlgeleitete Sorge um die Reputation
der Kirche und der Vermeidung von Skandalen; dies alles resultierte in einem Versagen,
bestehende kirchenrechtliche Strafen bei Bedarf anzuwenden. Nur durch sorgfältige
Untersuchung der vielen Elemente, die zur Krise beigetragen haben, können ihre Ursachen
korrekt diagnostiziert und effektive Abhilfe geschaffen werden. Während des Ad
Limina Besuchs in Rom 2006 hat der Papst die irischen Bischöfe dazu aufgefordert,
die „Wahrheit über das herauszufinden, was in der Vergangenheit geschehen ist, alle
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit so etwas nie wieder vorkommen kann, sicherzustellen,
dass die Prinzipien des Rechts voll respektiert werden und – vor allem – den Opfern
und allen, die von diesen ungeheuerlichen Verbrechen betroffen sind, Heilung zu bringen.“
Seitdem hat der Papst selbst mehrere male Opfer getroffen, ihre Geschichten gehört,
mit ihnen und für sie gebetet, und er ist bereit, das in Zukunft wieder zu tun. Im
Februar 2010 hat er die irischen Bischöfe nach Rom gerufen, um mit ihnen die Maßnahmen
zu diskutieren, die sie zur Lösung des Problems getroffen haben, unter besonderer
Betrachtung der Verfahren und Ordnungen, die im Augenblick gelten, um die Sicherheit
von Kindern in kirchlichen Einrichtungen zu gewährleisten und schnell und gerecht
auf Anschuldigungen von Missbrauch zu reagieren. In seinem Hirtenbrief spricht er
verschiedene Gruppen innerhalb der irischen katholischen Gemeinschaft im Licht der
augenblicklichen Situation direkt an. Sich zuerst an die Opfer wendend gibt er
den schmerzlichen Verrat zu, den sie erleiden mussten, und er sagt ihnen, wie Leid
ihm alles tut, was sie ertragen mussten. Er sieht, dass in vielen Fällen den Opfern
niemand zuhören wollte, wenn sie den Mut gefunden hatten, über das zu sprechen, was
geschehen ist. Er versteht, wie diejenigen, die in Heimen oder Internaten gelebt haben,
das Gefühlt hatten, dass es kein Entkommen aus ihrem Leid gibt. Er erkennt an, wie
schwer es für viele von ihnen sein muss, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr
zu versöhnen, und er bittet sie, die Hoffnung nicht aufzugeben. Jesus Christus, selbst
Opfer ungerechten Leidens, versteht die Tiefe ihres Schmerzes und dessen andauernde
Wirkung auf ihr Leben und ihre Beziehungen. Aber seine Wunden, verwandelt durch sein
erlösendes Leiden, sind das Mittel, durch das die Kraft des Bösen gebrochen ist und
wir zu neuem Leben und zur Hoffnung neu geboren sind. Der Papst bittet die Opfer,
in der Kirche die Begegnung mit Jesus Christus zu suchen und dort Heilung und Versöhnung
in der Wiederentdeckung der unendlichen Liebe zu finden, die Christus für jeden von
ihnen hat. In seinen Worten an die Priester und Ordensleute, die junge Menschen
missbraucht haben, fordert der Papst sie auf, Rechenschaft für ihre begangenen Sünden
abzulegen vor Gott und vor den zuständigen Gerichten. Sie haben das heilige Vertrauen
verraten und Schande und Unehre auf ihre Mitbrüder gebracht. Großer Schaden wurde
angerichtet, zuerst an den Opfern, dann aber auch an der Wahrnehmung des Priestertums
und des Ordenslebens in Irland. Auch wenn er sie auffordert, sich den Forderungen
der Justiz zu stellen, erinnert er sie, dass sie an Gottes Gnade nicht verzweifeln
sollen, eine Gnade, die frei auch dem größten Sünder geschenkt wird, wenn er seine
Handlungen bereut, Buße tut und demütig um Vergebung bittet. Der Papst ermutigt
Eltern, standhaft zu sein in der anspruchsvollen Aufgabe, Kinder groß zu ziehen, so
dass sie sich geliebt und geschätzt wissen und einen gesunden Selbstwert entwickeln.
Eltern haben die erste Verantwortung für die Erziehung von nachfolgenden Generationen
in den moralischen Prinzipien, die wesentlich sind für eine zivilisierte Gesellschaft.
Der Papst läd Kinder und junge Menschen ein, in der Kirche eine Möglichkeit für eine
lebendige Begegnung mit Christus zu suchen und sich nicht vom angerichteten Übel einiger
Priester und Ordensleute abschrecken zu lassen. Er hofft, dass die jüngere Generation
zur Erneuerung der Kirche beiträgt. Er fordert ebenfalls Priester und Ordensleute
auf, sich nicht entmutigen zu lassen, sondern sich neu ihren jeweiligen Aufgaben zu
widmen, in Übereinstimmung mit ihren Oberen zu arbeiten um der Kirche in Irland neues
Leben und Vitalität durch ihr lebendiges Zeugnis für die Erlösungstat des Herrn zu
schenken. An die irischen Bischöfe gewand nennt der Papst die schwerwiegenden Fehlurteile
und den Mangel an Leitung vieler, indem sie sich in der Behandlung der Missbrauchsvorwürfe
nicht korrekt an die kirchenrechtlichen Verfahren gehalten haben. Auch wenn es schwer
war, das richtige Handeln in den komplexen Situationen zu erkennen, bleibt es eine
Tatsache, dass schwere Fehler gemacht wurden, und im Ergebnis haben sie Glaubwürdigkeit
verloren. Der Papst fordert sie auf, ihre entschiedenen Anstrengungen zur Besserung
vergangener Fehler fortzusetzen und mit den staatlichen Autoritäten zu kooperieren.
Er ruft die Bischöfe auch dazu auf, sich erneut dem Streben nach Heiligkeit zu widmen
und so selbst ein Beispiel zu geben, und auch dazu, die Priester und die Gläubigen
zu ermutigen, ihren Teil am Leben und der Mission der Kirche beizutragen. Schließlich
schlägt der Papst einige konkrete Maßnahmen für die Erneuerung der Kirche in Irland
vor. Er bittet alle, ihre Freitags-Buße für die Dauer eines Jahres der Wiedergutmachung
der Sünden des Missbrauchs zu widmen. Er empfiehlt eine häufigere Inanspruchnahme
des Sakraments der Versöhnung und der eucharistischen Anbetung. Er kündigt seine Absicht
an, eine Apostolische Visitation bestimmter Bistümer, Seminarien und Religionsgemeinschaften
unter Mitarbeit der römischen Kurie abzuhalten. Und schließlich schlägt er eine landesweite
Mission für Bischöfe, Priester und Ordensleute in Irland vor. Da dies das Jahr des
Priesters ist, stellt er den heiligen Jean-Marie Vianney als Vorbild und Fürsprecher
für ein neu belebtes Priestertum in Irland vor. Nach seinem Dank an alle, die hart
daran gearbeitet haben, entschieden mit dieser Frage umzugehen, schließt er mit einem
Gebet für die Kirche Irlands für alle Gläubigen, um für die Gnade der Heilung
und Erneuerung in dieser schwierigen Zeit zu beten. (rv 20.3.2010 ord)