Bei der von Lesungen, Gemeindegesang und Gebeten geprägten lutherischen Feier predigte
Gemeindepfarrer Jens-Martin Kruse über einen Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief.
Anschließend legte Benedikt XVI. einige Verse aus dem Johannesevangelium aus.
Kruse
rief unter Verweis auf das liturgische Motto des Sonntags - „Laetare“ (Freuet euch)
– dazu auf, trotz der Erfahrung von Leid und Versagen an der Osterhoffnung festzuhalten.
Durch die Auferstehung werde „unsere Gegenwart in ein anderes Licht“ gerückt.
„Wir
müssen nicht alles alleine meistern. Wir dürfen auf Gottes Fürsorge und Beistand vertrauen.
Das Entscheidende liegt bei ihm.“ Auf besondere ökumenische Themen ging der
evangelische Geistliche nicht ein. Er verwies jedoch allgemein auf schmerzende „Trennungen
und Differenzen“. Zugleich erinnerte er an die Mahnung des Apostels Paulus, Gläubige
sollten sich gegenseitig stützen.
„Auf dem Weg mit Jesus Christus, gemeinsam
unterwegs in seiner Nachfolge sind wir Christen vom Apostel Paulus angehalten, nicht
nebeneinander herzugehen, sondern miteinander.“ Den Schlusssegen im Gottesdienst
spendete Benedikt XVI. Auch der evangelische Pfarrer bekreuzigte sich. Dann bat er
seinen Gast noch auf eine private Begegnung ins Pfarrhaus, der Hirte über 350 Seelen
den geistlichen Führer einer Milliarde. Als solle es den familiären Charakter unterstreichen,
durfte Benedikt XVI. noch eine Torte in den Apostolischen Palast mitnehmen. Hausgemacht
und haltbar produziert, versicherte Kruse, für den Fall, dass der Papst bis Ostern
auf Süßes verzichtet.
(rv/kna 15.03.2010 mg)
Lesen Sie hier die
gesamte Predigt von Jens-Martin Kruse Predigt über 2. Kor 1,3-7 am Sonntag
Lätare (14. März 2010) in der Christuskirche Rom "Gnade sei mit Euch und Friede
von dem, der da ist, der da war und der da kommt." Amen.
Dieser Sonntag, liebe
Gemeinde, ist unter den Sonntagen des Kirchenjahres ein ganz besonderer. Er setzt
einen eigenen, ungewöhnlichen, doch für unseren Glauben ganz entscheidenden Akzent.
"Laetare" - "Freuet euch" - so lautet sein Name, hergeleitet von einem alten Wort
des Propheten Jesaja "Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich alle, die ihr
sie lieb habt." (Jes 66,10) "Lätare" - "Freuet euch!" Diese Aufforderung bräuchte
es heute wohl eher nicht... Dankbar und erfüllt sind unsere Herzen über diesen Gottesdienst.
Doch so leicht zugänglich ist die Freude, von der dieser Sonntag handelt, nicht. Dieser
Sonntag steht mitten in der Passionszeit. Mitten auf dem Wege Jesu ans Kreuz - werden
wir zur Freude aufgefordert. Das ist sperrig und anstößig. Mitten im Leiden Freude?
Das passt doch nicht zusammen. Das gilt weder für Jesus, für die Sorgen und Ängste,
mit denen er seinen Weg nach Jerusalem hinaufgezogen ist, noch deckt es sich mit unserer
Erfahrung. Da, wo wir unter Schmerzen leiden, wo Trennungen und Differenzen weh tun,
wo die Schwachen von den Frechen über den Tisch gezogen werden, wo dunkle Mächte die
Zuversicht bedrohen und der Glaube ins Wanke gerät - da kann von Freude keine Rede
sein. "Laetare" - "Freuet euch" - und das mitten in der Passionszeit, mitten in unserem
Leben als Christen, das eben nicht nur erfüllt ist von Leichtem und Schönen; zudem
genauso die Brüche und das Versagen, die Verletzungen und das Nicht-Genügen, das Sterben
und der Tod gehören. Gleichwohl und inmitten all dessen ruft uns dieser Sonntag zu:
"Laetare" - "Freuet euch!" - Wie kann das gemeint sein? Wie können wir als Christen
mitten in der Finsternis stehen und doch das helle Licht der Hoffnung sehen? Auf
eine erste Spur führt uns die liturgische Ordnung unserer Kirche. "Klein-Ostern" -
so hat man diesen vierten Sonntag in der Passionszeit wegen seines besonderen Charakters
auch genannt. Und damit deutet sich die Richtung schon an. Das Leiden Jesu wird nicht
ausgeblendet, doch in den biblischen Texten dieses Sonntags leuchtet auch etwas auf
von dem, was am Ostermorgen Wirklichkeit werden wird. Der Blick richtet sich nach
vorn, auf das Ziel des Weges, auf den Gott hin, von dem der Apostel Paulus sagt, dass
"der die Toten lebendig macht und ruft das, was nicht ist, dass es sei." (Röm 4,17c)
Das Entscheidende kommt noch, aber Gott hat sich darauf bereits festgelegt. Wie
von daher unsere Gegenwart in ein anderes Licht gerückt wird, wie sich dadurch Leben
von Grund auf verändert, dass beschreibt der Apostel Paulus am Anfang seines zweiten
Briefes an die Gemeinde in Korinth. Paulus ist ein begnadeter Theologe. Doch er
treibt Theologie nicht um ihrer selbst willen, sondern einzig und allein darum, um
Menschen von dem zu befreien, was ihnen Angst macht, was sie in ihrem Lebensalltag
niederdrückt und klein macht, und um ihnen so den Weg zu einem frohen und zuversichtlichen
Leben zu eröffnen. "Ich möchte aber, dass ihr ohne Sorge seid" (1. Kor 7,32a) -
dieser Satz, den Paulus an die Gemeinde in Korinth schreibt, kennzeichnet das
Grundanliegen seiner Verkündigung. Er weiß um die Nöte, Sorgen und Anfeindungen, denen
Christen, die ihren Glauben leben, ausgesetzt sind und bleiben. Er hat dies selbst
erfahren. Seine Situation schildert er den Christen in Korinth mit folgenden Worten:
"Ich bin von allen Seiten bedrängt" - "Mir ist bange" - "Ich leide Verfolgung -
"Ich trage allezeit das Sterben Jesu an meinem Leibe" (2. Kor 4,8-10). Und doch
ist mit diesen bedrängenden Erfahrungen für Paulus nicht die ganze Wirklichkeit seines
Lebens beschrieben. Er redet gleichzeitig von Trost und Getröstet-Werden. Im Blick
auf Gott weiß er sich gegen allen Augenschein von dessen Wort gehalten und getragen.
Wenn Gott sagt: "Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen" - also Dinge
geschehen, die unvorstellbar sind -, selbst wenn so etwas geschehen sollte, selbst
dann würde immer noch ungebrochen und ungeschmälert die Zusage Gottes gelten: "...aber
meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen"
(Jes 54,10). Von dieser Treue und Verlässlichkeit Gottes geht der Apostel Paulus
aus. Sie ist der Grund, der ihn inmitten aller Trübsal ein "Aber" sprechen lässt:
"Aber ich ängstige mich nicht" - "Aber ich werde nicht verlassen" - "Aber ich komme
nicht um" (2. Kor 4,8f). Dieses "Aber" hat seinen Anfang in der Menschwerdung
Gottes an Weihnachten. Deutlicher sind Nähe, Zuwendung und Wertschätzung nicht mehr
zu dokumentieren, als dass Gott da hinkommt, wo wir ihn am meisten brauchen - in einen
armseligen Stall, in die dunkelsten Ecke menschlicher Verlorenheit und Schwäche. Wer
oder was sollte glaubwürdiger, verlässlicher, belastbarer sein als ein Gott, der da
anfängt, wo auch wir anfangen, aber da nicht aufhört, wo unsere Möglichkeiten
und Kräften enden. Und der sich selbst da nicht von seiner Nähe und Verlässlichkeit
abbringen lässt, wo die finsteren Kräfte in den Menschen voll entbrennen und ihn -
Gott - selbst treffen, verraten und ans Kreuz bringen. Mag die Liebe Gottes in der
Realität dieser Welt am Kreuz scheitern, indem Gott die Beziehung zu dem gekreuzigten
Jesus durch den Tod hindurch aufrecht erhält und ihn am Ostermorgen von den Toten
auferweckt, hat er gezeigt, dass er ein Gott des Lebens ist, der da, wo wir nur Tod
und Verderben sehen, neues Leben schafft. In dieser Perspektive, im Blick durch
das Leiden hindurch auf Ostern, kann Paulus sagen: "Gelobt sei Gott, der Vater
unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes,
der uns tröstet in aller unserer Trübsal" (2. Kor 1,3.4a). Damit hört das Leiden
nicht einfach auf, damit sind die Brüche in der Lebensgeschichte nicht geheilt, damit
sind die Trennungen zwischen den Kirchen nicht überwunden, aber uns wird hier
ein Lebensgrund angeboten, der durch nichts und niemanden mehr zerstört werden kann:
Gott selber sorgt für uns. Wir müssen nicht alles alleine meistern. Wir dürfen auf
Gottes Fürsorge und Beistand vertrauen. Das Entscheidende liegt bei ihm. Und das Entscheidende
ist, dass - so wie es der Apostel Paulus sagt -, uns nichts mehr "scheiden kann
von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn." (Röm 8,39) Von
daher dürfen wir in dem Vertrauen leben: Ja, es gibt Trost und Halt im Leiden. Ja,
es gibt Licht in der Finsternis. Ja, "wir sind von allen Seiten bedrängt, aber
wir ängstigen uns nicht." (2. Kor 4,8) Das ist die Grundhaltung des Glaubens,
die uns von Gott an Weihnachten ermöglicht wird und deren Gültigkeit er durch Ostern
ein für allemal bestätigt hat und deren Wirklichkeit mitten in der Passionszeit am
heutigen Sonntag in besonderer Weise aufleuchtet. Diesen Glauben gefunden zu haben,
das erfüllt mit Zuversicht, Lebensmut und Freude, die nicht abhängig sind von glücklichen
Lebensumständen, sondern die auch dann noch Bestand haben, wenn all das wegbricht,
was unser Leben schön und angenehm macht. Und dieser Glaube will und kann nicht
bei sich selbst bleiben. Er will ausstrahlen auf andere, er will mitgeteilt, mit anderen
geteilt werden, auf das auch sie gestärkt und zuversichtlich ihren Lebensweg gehen
können. Der Apostel Paulus bringt es auf den Punkt, wenn er von dem "Gott allen
Trostes" spricht, "der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit
wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir
selber getröstet werden von Gott." (2. Kor 1,4) Das ist ganz entscheidend.
Den Trost, den Paulus erfahren hat, gibt er weiter und fordert seine Gemeinde auf,
ebenfalls zu trösten. Auf dem Weg mit Jesus Christus, gemeinsam unterwegs in seiner
Nachfolge sind wir Christen vom Apostel Paulus angehalten, nicht nebeneinander herzugehen,
sondern miteinander. Aufeinander zu achten. Füreinander da zu sein. Lasten tragen
zu helfen, wo dem anderen die Kräfte schwinden und einander in der Trübsal zu stärken
"mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott." (2. Kor 1,4a) Wo
wir so miteinander umgehen, wo wir im Leiden füreinander da sind und die Freude im
Glauben miteinander teilen und feiern, da wird dies auch ein grundlegender Schritt
dazu sein, die Einheit, von der wir leben, sichtbarer und wirksamer werden zu lassen.
Die Leiden und Bedrängnisse werden bleiben - aber wir bewegen uns anders in ihnen,
weil sie zwar noch da sind, wir uns aber in unserem Glauben, in der Perspektive dieses
Sonntags, von "Klein-Ostern" her, das mit der Gleichzeitigkeit von Leiden und Freude
gleichsam für unser Leben als Christenmenschen steht, uns in allem gehalten und getragen
wissen dürfen von der Hoffnung des Apostel Paulus, dass "wie die Leiden Christi
reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus."
(2. Kor 1,5) Darum: "Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine
nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu.
/ Denn welcher seiner Zuversicht / auf Gott setzt, den verläßt er nicht." (EG 369,7)
Amen.
"Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre
Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus." Amen.