2010-03-15 13:59:28

Kruse: Wir müssen nicht alles alleine meistern"


Bei der von Lesungen, Gemeindegesang und Gebeten geprägten lutherischen Feier predigte Gemeindepfarrer Jens-Martin Kruse über einen Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief. Anschließend legte Benedikt XVI. einige Verse aus dem Johannesevangelium aus.

Kruse rief unter Verweis auf das liturgische Motto des Sonntags - „Laetare“ (Freuet euch) – dazu auf, trotz der Erfahrung von Leid und Versagen an der Osterhoffnung festzuhalten. Durch die Auferstehung werde „unsere Gegenwart in ein anderes Licht“ gerückt.

„Wir müssen nicht alles alleine meistern. Wir dürfen auf Gottes Fürsorge und Beistand vertrauen. Das Entscheidende liegt bei ihm.“ 
Auf besondere ökumenische Themen ging der evangelische Geistliche nicht ein. Er verwies jedoch allgemein auf schmerzende „Trennungen und Differenzen“. Zugleich erinnerte er an die Mahnung des Apostels Paulus, Gläubige sollten sich gegenseitig stützen.

„Auf dem Weg mit Jesus Christus, gemeinsam unterwegs in seiner Nachfolge sind wir Christen vom Apostel Paulus angehalten, nicht nebeneinander herzugehen, sondern miteinander.“ 
Den Schlusssegen im Gottesdienst spendete Benedikt XVI. Auch der evangelische Pfarrer bekreuzigte sich. Dann bat er seinen Gast noch auf eine private Begegnung ins Pfarrhaus, der Hirte über 350 Seelen den geistlichen Führer einer Milliarde. Als solle es den familiären Charakter unterstreichen, durfte Benedikt XVI. noch eine Torte in den Apostolischen Palast mitnehmen. Hausgemacht und haltbar produziert, versicherte Kruse, für den Fall, dass der Papst bis Ostern auf Süßes verzichtet.

(rv/kna 15.03.2010 mg)

Lesen Sie hier die gesamte Predigt von Jens-Martin Kruse
 Predigt über 2. Kor 1,3-7 am Sonntag Lätare (14. März 2010) in der Christuskirche Rom
"Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt." Amen.

Dieser Sonntag, liebe Gemeinde, ist unter den Sonntagen des Kirchenjahres ein ganz besonderer. Er setzt einen eigenen, ungewöhnlichen, doch für unseren Glauben ganz entscheidenden Akzent. "Laetare" - "Freuet euch" - so lautet sein Name, hergeleitet von einem alten Wort des Propheten Jesaja "Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich alle, die ihr sie lieb habt." (Jes 66,10)
"Lätare" - "Freuet euch!" Diese Aufforderung bräuchte es heute wohl eher nicht... Dankbar und erfüllt sind unsere Herzen über diesen Gottesdienst. Doch so leicht zugänglich ist die Freude, von der dieser Sonntag handelt, nicht. Dieser Sonntag steht mitten in der Passionszeit. Mitten auf dem Wege Jesu ans Kreuz - werden wir zur Freude aufgefordert. Das ist sperrig und anstößig. Mitten im Leiden Freude? Das passt doch nicht zusammen. Das gilt weder für Jesus, für die Sorgen und Ängste, mit denen er seinen Weg nach Jerusalem hinaufgezogen ist, noch deckt es sich mit unserer Erfahrung. Da, wo wir unter Schmerzen leiden, wo Trennungen und Differenzen weh tun, wo die Schwachen von den Frechen über den Tisch gezogen werden, wo dunkle Mächte die Zuversicht bedrohen und der Glaube ins Wanke gerät - da kann von Freude keine Rede sein. "Laetare" - "Freuet euch" - und das mitten in der Passionszeit, mitten in unserem Leben als Christen, das eben nicht nur erfüllt ist von Leichtem und Schönen; zudem genauso die Brüche und das Versagen, die Verletzungen und das Nicht-Genügen, das Sterben und der Tod gehören. Gleichwohl und inmitten all dessen ruft uns dieser Sonntag zu: "Laetare" - "Freuet euch!" - Wie kann das gemeint sein? Wie können wir als Christen mitten in der Finsternis stehen und doch das helle Licht der Hoffnung sehen?
Auf eine erste Spur führt uns die liturgische Ordnung unserer Kirche. "Klein-Ostern" - so hat man diesen vierten Sonntag in der Passionszeit wegen seines besonderen Charakters auch genannt. Und damit deutet sich die Richtung schon an. Das Leiden Jesu wird nicht ausgeblendet, doch in den biblischen Texten dieses Sonntags leuchtet auch etwas auf von dem, was am Ostermorgen Wirklichkeit werden wird. Der Blick richtet sich nach vorn, auf das Ziel des Weges, auf den Gott hin, von dem der Apostel Paulus sagt, dass "der die Toten lebendig macht und ruft das, was nicht ist, dass es sei." (Röm 4,17c) Das Entscheidende kommt noch, aber Gott hat sich darauf bereits festgelegt. Wie von daher unsere Gegenwart in ein anderes Licht gerückt wird, wie sich dadurch Leben von Grund auf verändert, dass beschreibt der Apostel Paulus am Anfang seines zweiten Briefes an die Gemeinde in Korinth.
Paulus ist ein begnadeter Theologe. Doch er treibt Theologie nicht um ihrer selbst willen, sondern einzig und allein darum, um Menschen von dem zu befreien, was ihnen Angst macht, was sie in ihrem Lebensalltag niederdrückt und klein macht, und um ihnen so den Weg zu einem frohen und zuversichtlichen Leben zu eröffnen. "Ich möchte aber, dass ihr ohne Sorge seid" (1. Kor 7,32a) - dieser Satz, den Paulus an die Gemeinde in Korinth schreibt, kennzeichnet das Grundanliegen seiner Verkündigung. Er weiß um die Nöte, Sorgen und Anfeindungen, denen Christen, die ihren Glauben leben, ausgesetzt sind und bleiben. Er hat dies selbst erfahren. Seine Situation schildert er den Christen in Korinth mit folgenden Worten: "Ich bin von allen Seiten bedrängt" - "Mir ist bange" - "Ich leide Verfolgung - "Ich trage allezeit das Sterben Jesu an meinem Leibe" (2. Kor 4,8-10). Und doch ist mit diesen bedrängenden Erfahrungen für Paulus nicht die ganze Wirklichkeit seines Lebens beschrieben. Er redet gleichzeitig von Trost und Getröstet-Werden. Im Blick auf Gott weiß er sich gegen allen Augenschein von dessen Wort gehalten und getragen. Wenn Gott sagt: "Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen" - also Dinge geschehen, die unvorstellbar sind -, selbst wenn so etwas geschehen sollte, selbst dann würde immer noch ungebrochen und ungeschmälert die Zusage Gottes gelten: "...aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen" (Jes 54,10). Von dieser Treue und Verlässlichkeit Gottes geht der Apostel Paulus aus. Sie ist der Grund, der ihn inmitten aller Trübsal ein "Aber" sprechen lässt: "Aber ich ängstige mich nicht" - "Aber ich werde nicht verlassen" - "Aber ich komme nicht um" (2. Kor 4,8f). Dieses "Aber" hat seinen Anfang in der Menschwerdung Gottes an Weihnachten. Deutlicher sind Nähe, Zuwendung und Wertschätzung nicht mehr zu dokumentieren, als dass Gott da hinkommt, wo wir ihn am meisten brauchen - in einen armseligen Stall, in die dunkelsten Ecke menschlicher Verlorenheit und Schwäche.
Wer oder was sollte glaubwürdiger, verlässlicher, belastbarer sein als ein Gott, der da anfängt, wo auch wir anfangen, aber da nicht aufhört, wo unsere Möglichkeiten und Kräften enden. Und der sich selbst da nicht von seiner Nähe und Verlässlichkeit abbringen lässt, wo die finsteren Kräfte in den Menschen voll entbrennen und ihn - Gott - selbst treffen, verraten und ans Kreuz bringen. Mag die Liebe Gottes in der Realität dieser Welt am Kreuz scheitern, indem Gott die Beziehung zu dem gekreuzigten Jesus durch den Tod hindurch aufrecht erhält und ihn am Ostermorgen von den Toten auferweckt, hat er gezeigt, dass er ein Gott des Lebens ist, der da, wo wir nur Tod und Verderben sehen, neues Leben schafft.
In dieser Perspektive, im Blick durch das Leiden hindurch auf Ostern, kann Paulus sagen: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal" (2. Kor 1,3.4a). Damit hört das Leiden nicht einfach auf, damit sind die Brüche in der Lebensgeschichte nicht geheilt, damit sind die Trennungen zwischen den Kirchen nicht überwunden, aber uns wird hier ein Lebensgrund angeboten, der durch nichts und niemanden mehr zerstört werden kann: Gott selber sorgt für uns. Wir müssen nicht alles alleine meistern. Wir dürfen auf Gottes Fürsorge und Beistand vertrauen. Das Entscheidende liegt bei ihm. Und das Entscheidende ist, dass - so wie es der Apostel Paulus sagt -, uns nichts mehr "scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn." (Röm 8,39) Von daher dürfen wir in dem Vertrauen leben: Ja, es gibt Trost und Halt im Leiden. Ja, es gibt Licht in der Finsternis. Ja, "wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht." (2. Kor 4,8)
Das ist die Grundhaltung des Glaubens, die uns von Gott an Weihnachten ermöglicht wird und deren Gültigkeit er durch Ostern ein für allemal bestätigt hat und deren Wirklichkeit mitten in der Passionszeit am heutigen Sonntag in besonderer Weise aufleuchtet. Diesen Glauben gefunden zu haben, das erfüllt mit Zuversicht, Lebensmut und Freude, die nicht abhängig sind von glücklichen Lebensumständen, sondern die auch dann noch Bestand haben, wenn all das wegbricht, was unser Leben schön und angenehm macht.
Und dieser Glaube will und kann nicht bei sich selbst bleiben. Er will ausstrahlen auf andere, er will mitgeteilt, mit anderen geteilt werden, auf das auch sie gestärkt und zuversichtlich ihren Lebensweg gehen können. Der Apostel Paulus bringt es auf den Punkt, wenn er von dem "Gott allen Trostes" spricht, "der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott." (2. Kor 1,4)
Das ist ganz entscheidend. Den Trost, den Paulus erfahren hat, gibt er weiter und fordert seine Gemeinde auf, ebenfalls zu trösten. Auf dem Weg mit Jesus Christus, gemeinsam unterwegs in seiner Nachfolge sind wir Christen vom Apostel Paulus angehalten, nicht nebeneinander herzugehen, sondern miteinander. Aufeinander zu achten. Füreinander da zu sein. Lasten tragen zu helfen, wo dem anderen die Kräfte schwinden und einander in der Trübsal zu stärken "mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott." (2. Kor 1,4a) Wo wir so miteinander umgehen, wo wir im Leiden füreinander da sind und die Freude im Glauben miteinander teilen und feiern, da wird dies auch ein grundlegender Schritt dazu sein, die Einheit, von der wir leben, sichtbarer und wirksamer werden zu lassen. Die Leiden und Bedrängnisse werden bleiben - aber wir bewegen uns anders in ihnen, weil sie zwar noch da sind, wir uns aber in unserem Glauben, in der Perspektive dieses Sonntags, von "Klein-Ostern" her, das mit der Gleichzeitigkeit von Leiden und Freude gleichsam für unser Leben als Christenmenschen steht, uns in allem gehalten und getragen wissen dürfen von der Hoffnung des Apostel Paulus, dass "wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus." (2. Kor 1,5) Darum: "Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu. / Denn welcher seiner Zuversicht / auf Gott setzt, den verläßt er nicht." (EG 369,7) Amen.

"Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus." Amen.







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