Evangelisch in der Stadt der Päpste. Roms Protestanten - eine kurze, aber lebhafte
Geschichte
Von Burkhard Jürgens / Kipa
Die meisten Touristen lernen das protestantische
Rom nur in Gestalt des Friedhofs kennen. Im Schatten der Cestius-Pyramide suchen Bildungsbeflissene
auf den teils liebevoll gepflegten, teils romantisch überwucherten Parzellen nach
den Gedenksteinen des Dichtersohns August von Goethe (1789-1830) oder des Architekten
Gottfried Semper (1803-1879). Dabei hat die deutschsprachige evangelische Gemeinde
in der Stadt der Päpste nicht nur eine prominente Vergangenheit, sondern auch ein
vitale Gegenwart. Die Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom beginnt
300 Jahre nach der Reformation: Am 9. November 1817 feierten die Protestanten in der
Hauptstadt des päpstlichen Kirchenstaats erstmals einen Gottesdienst in der Privatwohnung
des preussischen Gesandten Christian von Bunsen (1791-1860).
Zwei Jahre später
beorderte König Friedrich Wilhelm III. von Preussen (1770-1840) den ersten evangelischen
Pfarrer nach Rom, Heinrich Eduard Schmieder (1794-1893). Ziel war auch, als Kirche
der Reformation bewusst am Ursprungsort der lateinischen Christenheit präsent zu sein.
1823 wurde am Sitz der preussischen Gesandtschaft im Palazzo Caffarelli eine Kapelle
eingerichtet, die ein Jahrhundert lang das gottesdienstliche Zentrum der evangelischen
Gemeinde blieb.
Mit Ende des Kirchenstaates mehr Selbstbewusstsein
Das
Ende des Kirchenstaats 1870 brachte für die kleine Herde protestantischer Christen
Italiens einen Schub für ihr Selbstbewusstsein. 1880 versammelten sich ihre Pastoren
zu einer Konferenz in Rom; 1890 fassten dort die evangelischen Gläubigen deutscher
Sprache den Plan zu einem eigenen Gotteshaus.
Mit Baugenehmigung des italienischen
Königs Vittorio Emanuele III. (1869-1947) erfolgte 1911 die Grundsteinlegung an der
Via Toscana. Der Erste Weltkrieg verzögerte die Arbeiten; statt zum 400. Jahrestag
der Reformation wurde die Christuskirche erst fünf Jahre später eingeweiht.
Bescheiden
von den Dimensionen, ist der spätwilhelminische Bau immerhin ein Entwurf des Architekten
Franz Heinrich Schwechten (1841-1924), der auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
in Berlin konstruiere. Auch die Ausstattung erinnert an die deutsche Heimat: Taufbecken
und Kanzel stammen aus Magdeburg, der Altar aus Erfurt; das Geläut, kürzlich renoviert,
ist akustisch der Wittenberger Schlosskirche nachempfunden.
Papst-Vers auf
Taufbecken
Und auch eine bedeutungsvolle Reminiszenz an das päpstliche Rom
findet sich im Gotteshaus, in der Inschrift des Taufbeckens: "Kommt her zu dieser
Quelle, die lauter, klar und helle durchs Wort des Lebens fleusst. Hier ist für eure
Sünden erwünschter Rat zu finden, der euch dem ewgen Tod entreisst." Der Vers entstammt
einem Gedicht von Papst Sixtus III. (432-440); auf Latein findet er sich in der Taufkapelle
neben der Papst-Basilika im Lateran.
ie Protestanten haben sich das lyrische
Zitat zu eigen gemacht - für Gemeindepfarrer Jens-Martin Kruse ein Zeichen für anderthalb
Jahrtausende gemeinsame Geschichte. "Die Tradition der Päpste ist auch unsere Tradition",
sagt der Geistliche aus der nordelbischen Landeskirche.
Heute noch kleine Gemeinde
Zahlenmässig
blieb die evangelische Gemeinde immer klein; aktuell gehören ihr 350 Gläubige an.
Trotzdem erlangte sie kirchengeschichtliche Bedeutung: Als erste lutherische Pfarrei
empfing sie am 11. Dezember 1983 einen Papst als Gast - anlässlich des 500. Geburtstags
von Martin Luther. Auf den Spuren seines Vorgängers Johannes Paul II. (1978-2005)
kommt am Sonntag, 14. März, auch Benedikt XVI. zu Besuch, begrüsst von den Klängen
der Wittenberger Kirche, an deren Tür der Tradition nach einst der Reformator seine
Thesen anschlug.