2010-03-14 11:47:12

Evangelisch in der Stadt der Päpste. Roms Protestanten - eine kurze, aber lebhafte Geschichte


Von Burkhard Jürgens / Kipa

Die meisten Touristen lernen das protestantische Rom nur in Gestalt des Friedhofs kennen. Im Schatten der Cestius-Pyramide suchen Bildungsbeflissene auf den teils liebevoll gepflegten, teils romantisch überwucherten Parzellen nach den Gedenksteinen des Dichtersohns August von Goethe (1789-1830) oder des Architekten Gottfried Semper (1803-1879). Dabei hat die deutschsprachige evangelische Gemeinde in der Stadt der Päpste nicht nur eine prominente Vergangenheit, sondern auch ein vitale Gegenwart.
Die Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom beginnt 300 Jahre nach der Reformation: Am 9. November 1817 feierten die Protestanten in der Hauptstadt des päpstlichen Kirchenstaats erstmals einen Gottesdienst in der Privatwohnung des preussischen Gesandten Christian von Bunsen (1791-1860).

Zwei Jahre später beorderte König Friedrich Wilhelm III. von Preussen (1770-1840) den ersten evangelischen Pfarrer nach Rom, Heinrich Eduard Schmieder (1794-1893). Ziel war auch, als Kirche der Reformation bewusst am Ursprungsort der lateinischen Christenheit präsent zu sein. 1823 wurde am Sitz der preussischen Gesandtschaft im Palazzo Caffarelli eine Kapelle eingerichtet, die ein Jahrhundert lang das gottesdienstliche Zentrum der evangelischen Gemeinde blieb.

Mit Ende des Kirchenstaates mehr Selbstbewusstsein

Das Ende des Kirchenstaats 1870 brachte für die kleine Herde protestantischer Christen Italiens einen Schub für ihr Selbstbewusstsein. 1880 versammelten sich ihre Pastoren zu einer Konferenz in Rom; 1890 fassten dort die evangelischen Gläubigen deutscher Sprache den Plan zu einem eigenen Gotteshaus.

Mit Baugenehmigung des italienischen Königs Vittorio Emanuele III. (1869-1947) erfolgte 1911 die Grundsteinlegung an der Via Toscana. Der Erste Weltkrieg verzögerte die Arbeiten; statt zum 400. Jahrestag der Reformation wurde die Christuskirche erst fünf Jahre später eingeweiht.

Bescheiden von den Dimensionen, ist der spätwilhelminische Bau immerhin ein Entwurf des Architekten Franz Heinrich Schwechten (1841-1924), der auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin konstruiere. Auch die Ausstattung erinnert an die deutsche Heimat: Taufbecken und Kanzel stammen aus Magdeburg, der Altar aus Erfurt; das Geläut, kürzlich renoviert, ist akustisch der Wittenberger Schlosskirche nachempfunden.

Papst-Vers auf Taufbecken

Und auch eine bedeutungsvolle Reminiszenz an das päpstliche Rom findet sich im Gotteshaus, in der Inschrift des Taufbeckens: "Kommt her zu dieser Quelle, die lauter, klar und helle durchs Wort des Lebens fleusst. Hier ist für eure Sünden erwünschter Rat zu finden, der euch dem ewgen Tod entreisst." Der Vers entstammt einem Gedicht von Papst Sixtus III. (432-440); auf Latein findet er sich in der Taufkapelle neben der Papst-Basilika im Lateran.

ie Protestanten haben sich das lyrische Zitat zu eigen gemacht - für Gemeindepfarrer Jens-Martin Kruse ein Zeichen für anderthalb Jahrtausende gemeinsame Geschichte. "Die Tradition der Päpste ist auch unsere Tradition", sagt der Geistliche aus der nordelbischen Landeskirche.

Heute noch kleine Gemeinde

Zahlenmässig blieb die evangelische Gemeinde immer klein; aktuell gehören ihr 350 Gläubige an. Trotzdem erlangte sie kirchengeschichtliche Bedeutung: Als erste lutherische Pfarrei empfing sie am 11. Dezember 1983 einen Papst als Gast - anlässlich des 500. Geburtstags von Martin Luther. Auf den Spuren seines Vorgängers Johannes Paul II. (1978-2005) kommt am Sonntag, 14. März, auch Benedikt XVI. zu Besuch, begrüsst von den Klängen der Wittenberger Kirche, an deren Tür der Tradition nach einst der Reformator seine Thesen anschlug.

(kipa 14.3.2010 mc)








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