2010-03-05 11:44:16

Vatikan: Fastenpredigt über „Verwalter der Geheimnisse Gottes“


RealAudioMP3 In Gegenwart von Papst Benedikt XVI. und vieler Vatikanmitarbeiter hat an diesem Freitagmorgen der Prediger des Päpstlichen Hauses P. Raniero Cantalmessa (OFMCapp) in der Kapelle „Redemptoris Mater“ die erste Fastenpredigt gehalten. Das Thema der diesjährigen Betrachtungen lautet: „Verwalter der Geheimnisse Gottes – Der Priester: Diener des Wortes und der Sakramente“.

Der Päpstliche Hausprediger erläuterte die wesentlichen Aufgaben der Priester des Neuen Testaments im Licht des Wortes aus dem ersten Brief an die Korinther (4,1): „Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes.“

„Im Kirchenlatein wird das griechische Wort „mysterion“ mit „Sacramentum“ übersetzt. Sakrament und Mysterium sind also zwei Schlüsselbegriffe und erläutern das Wesen des Priesterseins. Die Essenz des Priesters besteht also in der Verkündigung des Evangeliums und in der Spendung der Sakramente. Diese entsprechen den beiden Bedeutungen des Wortes „Geheimnis" als offenbarte Wahrheit und als wirksames Zeichen der Gnade.“ 
Die fastenzeitlichen Betrachtungen bilden eine Fortsetzung der Reflexionen über das Bischofs- und Priesteramt, die P. Cantalamessa im Advent 2009 im Rahmen des Priesterjahres begonnen hatte.

Drei Fastenpredigten geplant
Der „Prediger des Päpstlichen Hauses“ gehört zur Päpstlichen Familie. Ihm obliegt die besondere Aufgabe, im Advent und in der Fastenzeit dem Papst und der Römischen Kurie in besonderer Weise Anliegen der Betrachtung vorzulegen. In diesem Jahr werden die drei Fastenpredigten am 5., 12. Und 26. März stattfinden. Aufgrund des Hochfestes des heiligen Josefs (19.3.), das auf einen Freitag fällt, wird die vierte Predigt ausfallen. Wer diesen Moment besonders miterleben will, kann der Kapelle „Redemptoris Mater“ im Apostolischen Palast einen virtuellen Besuch abstatten: http://www.vatican.va/redemptoris_mater/index.htm.

(rv/zenit 05.03.2010 mg)

Hier lesen Sie die gesamte Fastenpredigt (Quelle: zenit)

Der Herr gewährt es mir, Zeuge der außerordentlichen Gnade zu sein, als die sich für die Kirche dieses Priesterjahr offenbart. Unzählbar sind die Einkehrtage für Kleriker, die in verschiedenen Teilen der Welt gehalten werden und alle von einem neuen Geist und einer Wiederentdeckung der eigenen Berufung beseelt sind.
An einem dieser Einkehrtage, der in Manila non der Bischofskonferenz der Philippinen im vergangenen Januar organisiert worden war, nahmen 5.500 Priester und 90 Bischöfe teil. Laut den Worten des Kardinals von Manila sei dies ein neues Pfingsten gewesen. Während einer Stunde der geistlichen Anbetung antwortete jene immense Ansammlung von Priester in ihren weißen Kleidung einstimmig auf die Einladung des Predigers: „Lord Jesus, we are happy to be your priests - Herr Jesus, wir sind glücklich, deine Priester zu sein". Und es stand ihnen in den Gesichtern geschrieben, dass es sich nicht nur um Worte handelte.

Dieselbe Erfahrung habe ich in einem zahlenmäßig geringeren Umfang zusammen mit dem ganzen Klerus der Region Sabah in Malaysia, dann in Singapur und zuletzt im Heiligtum von Loreto mit ungefähr 200 italienischen Bischöfen und Priestern erlebt. Alle haben mich gebeten, dem Heiligen Vater ihren Dank und ihren Gruß zu übermitteln, und ich tue dies voller Freude in diesem Moment.
1. Die „Geheimnisse" Gottes
Das Wort Gottes, das uns bei diesen Betrachtungen zum Priesterjahr leitet, stammt aus dem Ersten Brief an die Korinther (4,1): „Si nos existimet homo, ut ministros Christi et dispensatores mysteriorum Dei - Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes". Im Advent haben wir den ersten Zeil dieser Bestimmung meditiert: der Priester als Diener Christi, in der Kraft und in der Salbung des Heiligen Geistes. In dieser Fastenzeit wollen wir über den zweiten Teil nachdenken: der Priester als „Verwalter" der Geheimnisse Gottes. Natürlich gilt das, was wir über den Priester sagen, umso mehr für den Bischof, der die Fülle des Priestertums besitzt.
Der Begriff „Geheimnisse" hat zwei grundlegende Bedeutungen. Die erste Bedeutung besagt die verborgenen und von Gott offenbarten Wahrheiten, die andeutungsweise im Alten Testament angekündigten und den Menschen in der Fülle der Zeiten offenbarten Vorhaben Gottes. Die zweite Bedeutung intendiert die „konkreten Zeichen der Gnade", das heißt die Sakramente. Der Brief an die Hebräer fasst die beiden Bedeutungen im Ausdruck zusammen: „die Dinge, die Gott betreffen" (ta pros ton Theon, ea quae sunt ad Deum); mehr noch: er betont die rituelle und sakramentale Bedeutung, indem er sagt, dass die Aufgabe des Priesters (der Autor jedoch spricht hier vom Priestertum im Allgemeinen, des Alten und des Neuen Testaments) darin besteht, „Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen" (Hebr 5,1).
Diese zweite Bedeutung behauptet sich vor allem in der Tradition der Kirche. Der heilige Ambrosius schreibt zwei Abhandlungen über die Riten der christlichen Initiation, die als Erfüllung von Gestalten und Prophezeiungen des Alten Testaments betrachtet werden; der einen gibt er den Titel „De sacramentis", die andere nennt er „De mysteriis", auch wenn sie praktisch dasselbe behandeln. Im übrigen ist bekannt, dass der Begriff sacramentum nichts anderes ist als die lateinische Übersetzung des Wortes mysterion.[1]
Kehren wir zum Wort des Apostels zurück. Die erste dieser beiden Bedeutungen setzt die Rolle des Priesters gegenüber dem Wort Gottes ins Licht, die zweite seine Rolle gegenüber den Sakramenten. Zusammen zeichnen sie die Physiognomie des Priesters als Zeugen der Wahrheit Gottes und als Diener der Gnade Christi, als Verkündiger und als den, der das Opfer darbringt.
Viele Jahrhunderte lang wurde die Funktion des Priesters fast ausschließlich auf seine Rolle als Liturge und Opferpriester reduziert. „Gaben und Opfer für die Sünden darbringen". Es war das II. Vatikanische Konzil, das neben der kultischen Funktion die Aufgabe des Evangelisierers hervorgehoben hat. Auf derselben Linie mit dem, was Lumen gentium zur Aufgabe der „Lehre" und der „Heiligung" gesagt hatte, die den Bischöfen zukommt, schreibt Presbyterorum ordinis:
„Da die Priester für ihren Teil am Amt der Apostel teilnehmen, wird ihnen von Gott die Gnade verliehen, Diener Jesu Christi unter den Völkern zu sein, die das heilige Amt des Evangeliums verwalten, damit die Völker eine wohlgefällige und im Heiligen Geist geheiligte Opfergabe werden (Röm 15,12). Durch die apostolische Botschaft des Evangeliums nämlich wird das Volk Gottes zur Einheit berufen... Denn ihr Dienst, der in der Verkündigung des Evangeliums seinen Anfang nimmt, schöpft seine ganze Kraft aus dem Opfer Christi".[2]
Von den drei Betrachtungen zur Fastenzeit werden wir zwei dem Thema des Priesters als Diener des Wortes Gottes und eine dem Thema des Priesters als Diener der Sakramente widmen.
2. Das Gesetz und der Geist
Es begann im II. Jahrhundert, das man anfing sich um die Ausstattung, die Riten, die Titlel, die Kleidung der Priester sorgen zui machen. Das Priestertum begann dem levitischen im alten Testament ähnlich zu werden[3]; eine Entwicklung, die sich in den kanonischen Dokumenten wie die Apostlisahce konstitution, die Didaché und ähnlichen Quellen wiederspiegelt. Aber bei einer Gelgenheit wie dieser , wollen wir auf den Kern des neuen Priestertums schauen.
Dass sich der heilige Paulus mit dem Ausdruck „das Gesetz des Geistes" auf diesen ganzen Komplex von Prophezeiungen bezieht, die mit dem Thema des Neuen Bundes verbunden sind, wird aus dem Abschnitt deutlich, in dem er die Gemeinschaft des Neuen Bundes einen „Brief Christi nennt, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern - wie auf Tafeln - in Herzen von Fleisch" und in dem er die Apostel als „Diener des Neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes" bestimmt. „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig" (vgl. 2 Kor 3,3.6).
Das neue Gesetz oder das Gesetz des Geistes ist daher im engen Sinne nicht das Gesetz, das Jesus in der Bergpredigt verkündet hat, sondern jenes, das er an Pfingsten in die Herzen schrieb. Die Gebote des Evangeliums sind gewiss erhabener und vollkommener als jene des Moses; dennoch wären auch sie für sich allein genommen unwirksam geblieben. Wäre es ausreichend gewesen, den neuen Willen Gottes durch die Evangelien kundzutun, so wäre es nicht verständlich, aus welchem Grund Jesus sterben musste und der Heilige Geist kam. Die Apostel selbst aber zeigten, dass es nicht ausreichend war; obwohl sie alles gehört hatten - zum Beispiel dass demjenigen, der dich schlägt, die andere Wange hinzuhalten ist - fanden sie im Augenblick der Passion nicht die Kraft, auch nur eines der Gebote Jesu zu erfüllen.
Wenn sich Jesus darauf beschränkt hätte, das neue Gebot zu verkünden, indem er sagte: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34), so wäre es das geblieben, was es vorher war: ein altes Gesetz, „Buchstabe". In dem Moment, als er an Pfingsten durch den Geist jene Liebe in den Herzen der Jünger ausgießt, wird es in Fülle neues Gesetz, Gesetz des Geistes, der lebendig macht. Durch den Geist ist dieses Gebot „neu", nicht aufgrund des Buchstabens. Dem Buchstaben nach war es alt, da es schon im Alten Testament gegeben ist (vgl. Lev 19,18).
Ohne die innere Gnade des Geistes wären also auch das Evangelium, das neue Gebot altes Gesetz, „Buchstabe" geblieben. Indem der heilige Thomas von Aquin einen gewagten Gedanken des heiligen Augustinus aufnimmt, schreibt er: „Mit Buchstabe ist jedes geschriebene Gesetz gemeint, das außerhalb des Menschen bleibt, auch die im Evangelium enthaltenen moralischen Gebote; daher würde auch der Buchstabe des Evangeliums töten, wenn ihm nicht die Gnade des Glaubens beigefügt wäre, die heilt" (Summa theologiae, I-IIae, q. 106, a. 2). Noch ausdrücklicher ist das, was er kurz vorher geschrieben hat: „Das neue Gesetz ist in erster Linie die Gnade des Heiligen Geistes selbst, die den Gläubigen gegeben ist" (Ebd., q. 106, a. 1; vgl. Augustinus, De Spiritu et littera, 21, 36.)
Wie aber wirkt dieses neue Gesetz konkret, das der Geist ist, und in welchem Sinne kann es „Gesetz" genannt werden? Es wirkt durch die Liebe! Das neue Gesetz ist nichts anderes als das, was Jesus das „neue Gebot" nennt. Der Heilige Geist hat das neue Gesetz in unsere Herzen geschrieben, indem er in sie die Liebe ausgegossen hat: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist" (Röm 5,5). Diese Liebe ist die Liebe, mit der Gott uns liebt und mit der er es gleichzeitig erwirkt, dass wir ihn und den Nächsten lieben: „amor quo Deus nos diligit et quo ipse nos dilectores sui facit" (Thomas von Aquin, Kommentar zum Römerbrief, Kap.V, lect.1, 392). Es ist dies eine neue Fähigkeit zu lieben.
Wer sich dem Evangelium mit einer menschlichen Mentalität nähert, findet es absurd, dass aus der Liebe ein „Gebot" gemacht wird; denn die Liebe - so wird eingewandt - ist nur solche, wenn sie frei ist, nicht geboten. Die Antwort ist, dass es zwei Arten gibt, nach denen der Mensch dazu veranlasst werden kann, etwas Bestimmtes zu tun: entweder durch Zwang oder durch Anziehung; das positive Gesetz veranlasst auf die erste Art, durch Zwang, verbunden mit der Androhung von Strafe; die Liebe führt dazu auf die zweite Weise, durch Anziehung.
Jeder ist nämlich angezogen von dem, was er liebt, ohne dass er einen äußeren Zwang erleiden würde. Zeige einem Kind ein paar Nüsse, und du wirst sehen, wie es sich auf sie stürzt, um sie zu ergreifen. Wer drängt es? Keiner, es ist angezogen vom Gegenstand seines Verlangens. Zeige einer nach Wahrheit dürstenden Seele das Gute, und sie wird sich auf es stürzen. Wer drängt sie dazu? Keiner, sie ist angezogen vom Verlangen danach. Die Liebe ist wie ein „Gewicht" der Seele, das sie zum Gegenstand des Verlangens hinzieht, von dem sie weiß, dass sie in ihm Ruhe findet (Augustinus, Kommentar zum Johannesevangelium, 26, 4-5: CCL 36, 261; Confessiones, XIII, 9).
In diesem Sinn ist der Heilige Geist - konkret, die Liebe - ein Gesetz, ein „Gebot": er schafft im Christen eine Dynamik, die ihn dazu bringt, all das zu tun, was Gott will, spontan, ohne nachdenken zu müssen, da er sich den Willen Gottes angeeignet hat und all das liebt, was Gott liebt.
Wir könnten sagen: ein Leben unter der Gnade, regiert vom neuen Gesetz des Geistes, bedeutet ein Leben als „Verliebte", das heißt getragen von der Liebe. Denselben Unterschied, den im Rhythmus des menschlichen Lebens und in der Beziehung zwischen zwei Geschöpfen das Verliebtsein hervorbringt, bringt in der Beziehung zwischen dem Menschen und Gott das Kommen des Heiligen Geistes hervor.
Schlagartig erhellen sich die Prophezeiungen eines Jeremias und Ezechiel über den Neuen Bund: „Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz" (Jer 31,33). Nicht mehr auf Steintafeln, sondern auf die Herzen; kein äußeres Gesetz mehr, sondern ein inneres.
Worin dieses innere Gesetz besteht, erklärt besser Ezechiel, der die Prophezeiung des Jeremias aufnimmt und ergänzt: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt" (Ez 36,26-27).
Dass sich der heilige Paulus mit dem Ausdruck „das Gesetz des Geistes" auf diesen ganzen Komplex von Prophezeiungen bezieht, die mit dem Thema des Neuen Bundes verbunden sind, wird aus dem Abschnitt deutlich, in dem er die Gemeinschaft des Neuen Bundes einen „Brief Christi nennt, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern - wie auf Tafeln - in Herzen von Fleisch" und in dem er die Apostel als „Diener des Neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes" bestimmt. „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig" (vgl. 2 Kor 3,3.6).
Im letzen Vortrag haben wir davon gesprochen, daß für Paulus die Priester „Diener Christi" sind. Im Zweiten Brief an die Korinther finden wir eine anscheindend abweichende Formulierung. Er schreibt dort: „Er hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. Wenn aber schon der Dienst, der zum Tod führt und dessen Buchstaben in Stein gemeißelt waren, so herrlich war, dass die Israeliten das Gesicht des Mose nicht anschauen konnten, weil es eine Herrlichkeit ausstrahlte, die doch vergänglich war, wie sollte da der Dienst des Geistes nicht viel herrlicher sein?" (2 Kor 3, 6-8).
La lettera è dunque la legge mosaica scritta su tavole di pietra e, per estensione ogni legge positiva esteriore all'uomo; lo Spirito è la legge interiore, scritta sui cuori, quella che altrove l'Apostolo definisce "la legge dello Spirito che da la vita in Cristo Gesù e che libera dalla legge del peccato e della morte" (cf. Rom 8, 2). Die Einhaltung der Gebote und die Praxis des Gehorsams ist die Prüfung der Liebe, an der man erkennt, ob jemand nach „dem Geist gemäß" oder „dem Fleisch gemäß" lebt.
Aber was ist nun anders als bisher, als wir uns immer noch dem Gesetz gegenüber verpflichtet sahen? Der Unterschied ist, dass vorher die Tatsache das Gesetz zu beobachten, der Weg zum Leben zu sein schien, das es aber schlichtweg nicht geben konnte. Somit wurde es zu einem Werkzeug des Todes. Jetzt aber beachten wir es, um ein Leben in Übereinstimmung mit dem empfangenen Leben zu führen. Die Beobachtung des Gesetzes ist nicht mehr die Voraussetzung dazu, aber es ist eine Wirkung der Rechtfertigung. In diesem Sinne hat der Apostel argumentiert, dass seine Worte nicht das Gesetz aufheben wollen, sondern es bestätigen und adeln wollen: „Setzen wir nun durch den Glauben das Gesetz außer Kraft? Im Gegenteil, wir richten das Gesetz auf." (Röm 3, 31).
Der Unterschied zwischen dem Gesetz und der Gnade besteht im Folgenden: Im Gesetz sagt Gott zum Menschen: "Tu, was ich dir befehle!" In der Gnade sagt der Mensch zu Gott: "Gib mir, was du mir befiehlst!" Das Gesetz befiehlt, Gnade bittet. Als Augustinus, der bislang vergebens darum gekämpft hatte, enthaltsam zu leben, dieses Geheimnis herausfand, änderte er seine Strategie: Anstatt gegen seinen Körper anzukämpfen, begann er mit Gott zu kämpfen. Er sagte: "Du befiehlst uns Enthaltsamkeit. Dann gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst" (Hl. Augustinus, Bekenntnisse, X, 29). Und wir wissen, dass er die Enthaltsamkeit schließlich erlangte!
Jesus sagt: „Selig die barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden", und im Vaterunser beten wir: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern". Er sagt auch: „Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben" (Mt 6,15). Diese Sätze könnten uns denken lassen, dass die Barmherzigkeit Gottes uns gegenüber von der Barmherzigkeit abhängen würde, die wir den anderen erweisen.
Wäre dem so, dann wäre die Beziehung zwischen Gnade und guten Werken völlig verkehrt, und man würde den Charakter der reinen Unentgeltlichkeit der göttlichen Barmherzigkeit zerstören, die von Gott feierlich vor Moses erklärt worden ist: „Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will" (Ex 33,19).
Johannes beschreibt diese Verbindung zwischen altem und neuen Gesetz so ähnlich wie Paulus: "Denn das Gesetz, so schreibt er, ist durch Moses gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus gegeben. (Joh 1,17)
Die letzte Satz erklärt uns die enge Beziehung oder besser die Gleichheit zwischen der Liebe Gottes und dem Heiligen Geist. Sie erlaubt uns, zu verstehen, was ist Pfingsten. Wenn der Heilige Geist nichts anderes ist als die Liebe Gottes, dann kann der Satz aus der Apostelgeschichte: „Alle waren erfüllt vom Heiligen Geist" nur bedeuten: „Alle waren erfüllt von der Liebe Gottes!". Die Apostel machten eine überwältigende Erfahrung der Liebe Gottes. Sie wurden buchstäblich „getauft" in der Liebe und konnten so "die großen Werke Gottes verkünden". (Vgl. Apg 2,11)

Was aber ist diese Liebe, die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen worden ist? Es ist buchstäblich die Liebe von Gott, d. h. die Liebe, die in Gott ist, das Feuer selbst, das in der Trinität brennt und das uns in Form der "Einwohnung" mitgeteilt wird. "Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen" (Joh 14, 23).
Es ist der schönste Moment im Leben einer Kreatur: sich persönlich von Gott geliebt zu wissen, sich wie ins Herz der Trinität versetzt zu fühlen und sich mitten im Wirbel der Liebe zu befinden, der zwischen dem Vater und dem Sohn hin- und herströmt.
Ohne die innere Gnade des Geistes wären also auch das Evangelium, das neue Gebot altes Gesetz, „Buchstabe" geblieben. Indem der heilige Thomas von Aquin einen gewagten Gedanken des heiligen Augustinus aufnimmt, schreibt er: „Mit Buchstabe ist jedes geschriebene Gesetz gemeint, das außerhalb des Menschen bleibt, auch die im Evangelium enthaltenen moralischen Gebote; daher würde auch der Buchstabe des Evangeliums töten, wenn ihm nicht die Gnade des Glaubens beigefügt wäre, die heilt" (Summa theologiae, I-IIae, q. 106, a. 2). Noch ausdrücklicher ist das, was er kurz vorher geschrieben hat: „Das neue Gesetz ist in erster Linie die Gnade des Heiligen Geistes selbst, die den Gläubigen gegeben ist" (Ebd., q. 106, a. 1; vgl. Augustinus, De Spiritu et littera, 21, 36.)
3. Nicht durch Zwang, sondern durch Anziehung
Wie aber wirkt dieses neue Gesetz konkret, das der Geist ist, und in welchem Sinne kann es „Gesetz" genannt werden? Es wirkt durch die Liebe!
Das neue Gesetz ist nichts anderes als das, was Jesus das „neue Gebot" nennt. Der Heilige Geist hat das neue Gesetz in unsere Herzen geschrieben, indem er in sie die Liebe ausgegossen hat: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist" (Röm 5,5). Diese Liebe ist die Liebe, mit der Gott uns liebt und mit der er es gleichzeitig erwirkt, dass wir ihn und den Nächsten lieben: „amor quo Deus nos diligit et quo ipse nos dilectores sui facit" (Thomas von Aquin, Kommentar zum Römerbrief, Kap.V, lect.1, 392). Es ist dies eine neue Fähigkeit zu lieben. Ist es nicht widersprüchlich, dass aus der Liebe ein „Gebot" gemacht wird.
Die Antwort ist, dass es zwei Arten gibt, nach denen der Mensch dazu veranlasst werden kann, etwas Bestimmtes zu tun: entweder durch Zwang oder durch Anziehung; das positive Gesetz veranlasst auf die erste Art, durch Zwang, verbunden mit der Androhung von Strafe; die Liebe führt dazu auf die zweite Weise, durch Anziehung.
Der Heilige Geist das neue Gesetz ist, das geistliche Gesetz, das den neuen und ewigen Bund besiegelt; ein Gesetz, das nicht mehr auf Steintafeln geschrieben steht, sondern auf Tafeln aus Fleisch: den Herzen der Menschen. Diese Überlegungen lassen sofort eine Frage aufkommen: Leben wir unter dem alten Gesetz, oder unter dem neuen? Erfüllen wir unsere religiösen Pflichten aus Zwang, aus Angst oder Gewohnheit, oder vielmehr aus einer inneren Überzeugung heraus - weil wir davon „angezogen" sind? Nehmen wir Gott als Vater oder als Gebieter wahr?
Die Liebe ist wie ein „Gewicht" der Seele, das sie zum Gegenstand des Verlangens hinzieht, von dem sie weiß, dass sie in ihm Ruhe findet (Augustinus, Kommentar zum Johannesevangelium, 26, 4-5: CCL 36, 261; Confessiones, XIII, 9).
In diesem Sinn ist der Heilige Geist - konkret, die Liebe - ein Gesetz, ein „Gebot": er schafft im Christen eine Dynamik, die ihn dazu bringt, all das zu tun, was Gott will, spontan, , da er sich den Willen Gottes angeeignet hat und all das liebt, was Gott liebt.
Welche Rolle spielt, in dieser neuen Heilsgeschichte, der Geist, bei der die Einhaltung der Gebote? Dies ist ein neuralgischer Punkt, der geklärt werden muss. Auch nach Pfingsten gibt es ein schriftlich niedergelegetes Gesetz: Es sind die Gebote Gottes, der Dekalog, es sind die Vorgaben des Evangeliums; zu ione gesellen sich später dann die kirchlichen Gesetze. Welchen Sinn machen nun der Kodex des Kanonischen Rechts, die monastischen Regeln, die religiösen Gelübde, kurz gesagt alles, was dem Wunsch nach Objektivität folgt, die sich von außen auferlegt? Sind diese Dinge so etwas wie Fremdkörper im christlichen Organismus?


Wir wissen, dass es im Laufe der Geschichte der Kirche Bewegungen, gegeben hat, die es wagten sich im Namen der Freiheit des Geistes, jedem Gesetz zu verweigern. Diese sogenannten "antinoministischen" Bewegungen waren stets der Autorität der Kirche und dem christlichen Gewissen verpflichtet. Heute, in einem kulturellen Umfeld, der von einem existentialistischen Atheismus gekennzeichnet ist, wird im Gegensatz zur Vergangenheit, nicht mehr gegen das Gesetz, im Namen der Freiheit des Geistes opponiert, sondern schlicht und einfach im Namen der menschlichen Freiheit.


Die christliche Antwort auf dieses Problem gibt uns das Evangelium. Jesus sagt uns, dass er nicht zur „Abschaffung des Gesetzes", sondern zu „seiner Erfüllung" gekommen sei (vgl. Mt 5, 17). Und was ist die „Erfüllung" des Gesetzes? " Die vollkommene Erfüllung des Gesetzes, so antwortet die Apostel, „ ist die Liebe" (Röm 13, 10). An dem Gebot der Liebe, erklärt Jesus, hängt das ganze Gesetz und die Propheten (vgl. Mt 22, 40). Liebe aber ist kein Ersatz für das Gesetz, aber wer es hält, der „erfüllt es". Es ist in der Tat, die einzige Anstrengung, die er unternehmen soll, es zu beobachten.

Diese Worte sind miteinander verbunden und bilden, über den ganzen Brief ausgespannt, gleichsam eine einzige Aussage - wie eine Botschaft in der Botschaft -, die auch am
besonderen Ton erkennbar wird: Jedesmal geht die gewöhnliche Rede unvermittelt in einen Ausruf innerer Ergriffenheit über, wird pneumatisch.
In der Prophezeiung des Ezechiel wird als Gabe des Heiligen Geistes das neue Herz genannt, das ermöglicht, das Gesetz Gottes zu beobachten: „Ich werde meinen Geist in euch legen, und ihr werdet meinem Gesetz gemäß leben, und ihr werdet meinem Gesetz gemäß handeln" (Ezechiel 36, 27). Zwischen dem inneren Gesetz des Geistes und dem äußerlichen schriftlichen Gesetz gibt es in der neuen Heilsökonomie weder einen Widerspruch noch eine Unvereinbarkeit. Sondern im Gegenteil, es geht um uneingeschränkte Zusammenarbeit: die erste lebt davon, das die zweite beachtet wird: „Sie erhielten das Gesetz, weil sie in den Stand der Gnade hineinwuchsen und die Gnade wurden ihnen zuteil, weil sie das Gesetz beobachteten.[ Agostino, De Spiritu et littera, 19, 34.]"
4. Aktualität der Botschaft der Gnade
Soweit die Folgen, welche die Botschaft des Paulus über den Neuen Bund für die Weise haben kann, wie das christliche Leben gefasst und gelebt werden soll. Bei dieser Gelegenheit jedoch möchte ich vor allem das Licht hervorheben, das sie auf das Problem der Evangelisierung in der heutigen Welt und den interreligiösen Dialog und folglich auf die Rolle des Priesters als Diener der Wahrheit Gottes wirft.
Um die pelagianische These zu bekämpfen, nach der es für die Rettung ausreichend sei, dass Gott uns mit einem freien Willen geschaffen und uns ein Gesetz gegeben hat, das uns seinen Willen zeigt, hat Augustinus seinen Traktat „Der Buchstabe und der Geist" geschrieben. Es handelt sich praktisch um die These, dass sich der Mensch alleine retten kann und das Kommen Christi zwar eine außerordentliche Hilfe, jedoch nicht unverzichtbar für das Heil ist.
Man kann darüber diskutieren - und heute geschieht dies unter den Gelehrten - , ob der Heilige das Denken des Mönchs Pelagius korrekt interpretiert hat. Doch dies dürfte uns nicht überraschen. Die Kirchenväter, die Irrlehren bekämpfen mussten, haben oft das ausgearbeitet, was (von ihrem Gesichtspunkt aus!) logische Implikationen einer gewissen Lehre waren, ohne dabei dem Gesichtspunkt und der anderen Sprache des Gegners Rechnung zu tragen. Sie sorgten sich mehr um die Lehre als um die Menschen, mehr um die dogmatische Wahrheit als um die geschichtliche. Augustinus zeigt sich gegenüber Pelagius sogar sehr viel achtungsvoller und freundlicher als dies zum Beispiel bei Cyrill von Alexandrien gegenüber Nestorius der Fall gewesen war.
Die moderne neue Wertung von Schriftstellern wie Pelagius und Nestorius bedeutet also keineswegs eine Neubewertung des Pelagianismus oder des Nestorianismus. Diese Unterscheidung hat in der jüngsten Zeit zur Wiederherstellung der Gemeinschaft mit den so genannten nestorianischen oder monophysitischen Kirchen des Ostens beigetragen.
All dies jedoch ist von relativem Interesse. Das Wichtigste ist, dass Augustinus hinsichtlich des Hauptproblems recht hat: Um gerettet zu werden, genügen die Natur, der freie Wille und die Führung durch das Gesetz nicht, es bedarf der Gnade, das heißt es bedarf Christi. Anders zu denken würde bedeuten, sein Kommen und damit seinen Tod und seine Erlösung für überflüssig zu halten; es würde bedeuten, Christus für ein Lebensbeispiel zu halten, nicht für den „Urheber des ewigen Heils für alle, die ihm gehorchen" (vgl. Hebr 5,9).
Dieser Punkt ist es, an dem das Denken des Augustinus - und vor ihm das des Paulus - seine außerordentliche Aktualität an den Tag legt. Das, was laut dem Apostel den Neuen vom Alten Bund, den Buchstaben vom Geist, die Gnade vom Gesetz unterscheidet, ist unter den gebotenen Differenzierungen das, was heute das Christentum von jeder anderen Religion unterscheidet.
Die Formen haben sich geändert, die Substanz jedoch ist dieselbe. „Werk des Gesetzes" oder Werk des Menschen ist jedes menschliche Tun, wenn man von ihm sein Heil abhängig macht, sei es, dass dieses als Gemeinschaft mit Gott oder als Gemeinschaft mit sich selbst und als Harmonie mit den Kräften des Universums gefasst wird. Die Voraussetzung ist dieselbe: Gott schenkt sich nicht, er wird erobert!
Wir können den Unterschied so darlegen. Jede menschliche Religion oder religiöse Philosophie beginnt damit, dass dem Mensch gesagt wird, war er tun muss, um gerettet zu werden: die Pflichten, die Werke, handle es sich dabei um äußere asketische Werke oder um spekulative Wege in die eigene Innerlichkeit, in das Alles oder in das Nichts. Das Christentum beginnt nicht damit, dass dem Menschen gesagt wird, was er tun muss, sondern was Gott für ihn getan hat. Jesus begann nicht zur predigen, indem er sagte: „Kehrt um und glaubt an des Evangelium, damit das Reich zu euch komme"; er beginnt, indem er sagt: „Das Reich Gottes ist unter euch gekommen: kehrt um und glaubt an das Evangelium". Nicht zuerst die Umkehr und dann das Heil, sondern zuerst das Heil und dann die Umkehr.
Auch im Christentum - wir haben daran erinnert - gibt es Pflichten und Gebote, die Ebene der Gebote jedoch - einschließlich das größte von allen, das darin besteht, Gott und den Nächsten zu lieben - ist keine erste Ebene, sondern eine zweite; vor ihr besteht die Ebene des Geschenks, der Gnade: „Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat" (1 Joh 4,19). Aus der Liebe geht die Pflicht hervor, nicht umgekehrt.
Wir Christen werden in keinen Dialog mit den anderen Religionen treten und dabei den Unterschied oder die Überlegenheit unserer Religion behaupten; das würde die Negation des Dialogs bedeuten. Wir werden vielmehr auf das bestehen, was uns eint, auf die gemeinsamen Ziele, und dabei den anderen dasselbe (wenigstens subjektive) Rechte zuerkennen, ihre Religion für die vollkommenste und definitive zu halten. Ohne zu vergessen, dass der, der konsequent und in gutem Glauben eine Religion der Werke und des Gesetzes lebt, besser und gottgefälliger ist als der, der zur Religion der Gnade gehört, es aber dabei völlig vernachlässigt, sowohl an die Gnade zu glauben als auch die Werke des Glaubens zu tun.
All dies darf uns nicht dazu verleiten, unseren Glauben an die Neuheit und Einzigartigkeit Christi in Klammern zu setzen. Es geht ebenso wenig darum, die Überlegenheit einer Religion gegenüber den anderen zu behaupten, sondern das Spezifische einer jeden anzuerkennen, zu wissen, wer wir sind und was wir glauben.
Es ist nicht schwierig zu erklären, warum es problematisch ist, die Idee der Gnade und ihrer instinktiven Ablehnung seitens des modernen Menschen zuzulassen. „Durch Gnade" gerettet zu werden bedeutet, die Abhängigkeit von jemandem anzuerkennen, und das ist das Schwerste. Bekannt ist die Aussage von Marx, dass ein Wesen nur unabhängig sei, wenn es Herr seiner selbst sei und sein Dasein sich selbst verdanke. Ein Mensch, der „von Gnaden" eines anderen Lebe, sei als ein abhängiges Wesen anzusehen. Hätte aber ein anderer das Leben geschaffen, so würde der Mensch in totaler Abhängigkeit leben.[4] Der Grund für die Ablehnung eines Schöpfergottes ist auch der Grund für die Ablehnung eines Gottes, der rettet.
Das ist die Erklärung, die der heilige Bernhard für die Sünde Satans gibt: Er hat es vorgezogen, aus eigener Schuld das unglücklichste aller Geschöpfe zu sein statt durch die Gnade eines anderen das glücklichste; er hat es vorgezogen, „unglücklich, aber Herr, statt glücklich, aber abhängig zu sein: misere praeesse, quam feliciter subesse[5].
Die Ablehnung des Christentums auf verschiedenen Ebenen unserer westlichen Kultur ist, so sie keine Ablehnung der Kirche und der Christen ist, eine Ablehnung der Gnade.
5. Die Aufgabe der Diener der Neuen Bundes
Was ist in diesem Bereich die Aufgabe der Priester als Verwalter der Geheimnisse Gottes und Meister im Glauben? Sie müssen den Brüdern helfen, die Neuheit der Gnade zu leben. Der Übergang vom Alten zum Neuen Testament hat sich historisch vor 2000 Jahren mit dem Kommen Jesu Christi ein für alle mal und sakramental in der Taufe ereignet, existentiell und geistlich jedoch muss sie immer erneut geschehen. Origenes sagte: „Denk nicht, dass die Erneuerung deines Lebens genügt, zu der es ein für alle Mal am Anfang gekommen ist; ständig, jeden Tag, muss dieselbe Neuigkeit erneuert werden: Ipsa novitas innovanda est".[6]
Unsere Aufgabe gegenüber dem Wort Gottes besteht vor allem darin, Verkündiger der Gnade Gottes zu sein. Am Ende rief der Apostel aus: „Aber ich will mit keinem Wort mein Leben wichtig nehmen, wenn ich nur meinen Lauf vollende und den Dienst erfülle, der mir von Jesus, dem Herrn, übertragen wurde: das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen" (Apg 20,24).
Es ist dringend, in den Mittelpunkt der christlichen Predigt wieder die Verkündigung der Gnade zu setzen. Seit geraumer Zeit behauptet sich eine neue Art, Kirchengeschichte zu betreiben. Sie besteht darin, nicht vor den äußeren Umständen, vor den Institutionen oder großen Ereignissen und Persönlichkeiten halt zu machen, sondern in das „Leben" des Christenvolkes hineinzugehen und zu versuchen, die religiöse Lebensqualität eines Teils der Kirche in einem gegebenen Moment seiner Geschichte zu rekonstruieren.
Wenn man auf der Grundlage einer Archivforschung die Predigt eines Pfarrer während seines gesamten Verbleibens in einer Pfarrei untersucht, so sieht man klar, welche Religion und welche Gottesvorstellung den Gläubigen beigebracht wurde. Sehr oft besteht das Ergebnis dieser Forschungen darin, dass die dem Volk vorgeschlagene Religiosität eine ausschließlich aus Pflichten und Sühneopfern bestehende Religion war, eine Religion des Gesetzes oder der „Angst", wie sie einer dieser Historiker namens Delimeau definierte. [7]
Das Volk von Hippo war zu Beginn des 5. Jahrhunderts einfach und ungebildet, es kannte jedoch genau den Unterschied zwischen dem Gesetz und der Gnade, zwischen der Angst und der Liebe, was so wie ging, dass es spontan applaudierte, sobald ihr Bischof diese Themen andeutete. Er zögerte nicht, sich an es mit diesen Worten zu wenden, die wir nun auch an uns gerichtet hören können: „Ein neues Gebot also hat uns Christus gegeben, dass wir einander lieben, wie auch er uns geliebt hat. Diese Liebe erneuert uns, so dass wir neue Menschen sind, Erben des Neuen Bundes, Sänger des neuen Liedes. Diese Liebe, teuerste Brüder, hat ehemals auch die alten Gerechten, die Patriarchen und Propheten, wie später die seligen Apostel erneuert; sie erneuert auch jetzt die Heiden und erzeugt und sammelt aus dem gesamten, über den ganzen Erdkreis verbreiteten Menschengeschlechte ein neues Volk, den Leib der neuerwählten Braut des eingeborenen Sohnes Gottes".[8]
[1] Vgl. Ch. Mohrmann,
[2] PO, 2.
[3] Cf. DSpir.
[4] Vgl. K. Marx, Manuskripte 1844, in: Gesamtausgabe, III, Berlin 1932, S. 124 und Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, in: Gesamtausgabe, I, 1, Frankfurt 1927, S. 614 s.
[5] Bernhard von Clairvaux, De gradibus humilitatis, X, 36: PL 182, 962.
[6] Origenes, Kommentar zum Brief an die Römer, 5, 8: PG 14, 1042.
[7] Vgl. J. Delumeau, Storia vissuta del popolo cristiano, SEI, Turin1985.
[8] Augustinus, Tractatus in Iohannis Euangelium, 65, 1: CCL 36, S. 491.







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