Vietnams Christen geraten zunehmend unter Druck. Davon kann Herr M. ein Lied singen:
Der bekennende deutsche Katholik, der zwanzig Jahre in dem südostasiatischen Land
lebte und arbeitete, geriet ins Visier des kommunistischen Regimes - und entging nur
knapp einem Mordanschlag. Er ist mit einer Vietnamesin verheiratet, arbeitete im Auftrag
des deutschen Entwicklungsministeriums und war Besitzer eines Reisebüros. Um sich
und seine Angehörigen zu schützen, bat er im Gespräch mit uns um Anonymität. Bei einem
Zwischenstopp in Deutschland fragte ihn unsere Mitarbeiterin Brigitte Schmitt nach
seinen Erfahrungen, und was Haft in einem kommunistischen Land wie Vietnam bedeutet:
„Die politischen Häftlinge in Vietnam werden sehr streng in Straflagern
gehalten und dort entsprechend umerzogen. Dass Dissidenten jetzt an die Öffentlichkeit
treten, ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn solche Maßnahmen gibt es schon Jahrzehnte
lang, das Bekanntwerden wurde aber immer unterdrückt, denn die Pressefreiheit ist
ja im Land sehr eingeschränkt. Jeder, der öffentlich oder in westlichen, staatsunabhängigen
Medien wagt, die Einheitspartei zu kritisieren, muss mit so etwas rechnen. Bei der
Haft gibt es große Abstufungen von Umerziehung an drei Wochenenden bis hin zu zehn,
zwölf Jahren Gefängnis. Und es gibt die berühmte Nachschlagtheorie: Einer wird zu
zwei Jahren verurteilt, er bewährt sich gut, aber macht dann irgendeinen Fehler oder
unterschreibt nicht für die lokale Stasi und bekommt drei Jahre Nachschlag. Man kann
also bis zu fünfzehn Jahre in so einem Lager bleiben ohne Rechtsgrundlage, das ist
völlig normal." Vietnams Kirche begeht ihr 350-jähriges Bestehen zurzeit mit
einem Heiligen Jahr. Während der Staat das Gedenken an vietnamesische Märtyrer und
Missionare mehr dulde als fördere, genieße die katholische Kirche in Vietnam dagegen
große Wertschätzung innerhalb der buddhistischen Kreise der Gesellschaft, so Herr
M. Diese Solidarität wolle die Regierung zerstören, glaubt er. Das aggressive Klima
gegen Christen im Vietnam sei durch die angrenzende Volksrepublik China beeinflusst.
„Vietnam, auch Kleinchina genannt, kann politisch nur in Abhängigkeit
von China handeln. Ein gewisser liberaler Geist herrschte in den letzten zehn Jahren
bis hin zur Auflösung der Umerziehungszentren an der Grenze zu Laos. Diese Gulags
sind wieder eingerichtet worden, und dort gibt es bereits zahlreiche Priester. Es
gibt weiterhin Repression in Form von Einschränkungen wie Mauern oder Zäunen um Dorfkirchen.
Es gibt auch sehr viele Fälle, dass Patres von Schlägertrupps zusammengeschlagen werden.“ Diese
Schlägertrupps würden zwar nicht direkt von der Regierung geschickt, so der Mann,
aber von ihr gebilligt. „Auch der Druck auf die Bischöfe wird immer
intensiver. Zum Beispiel konnte der Erzbischof von Ho-Chi-Minh-Stadt bisher Priester
dorthin schicken, wo er es aufgrund des pastoralen Auftrags für nötig hielt. Das wurde
unterbunden; er muss nun die staatlichen Organe fragen, ob das genehm ist.“ Heute
zählt die vietnamesische Ortskirche etwa acht Millionen Katholiken in 26 Bistümern.
Der vietnamesische Staatspräsident Nguyen Minh Triet hatte noch vor Weihnachten Papst
Benedikt XVI. einen Besuch abgestattet. Offizielle diplomatische Beziehungen gibt
es zwischen Vatikan und Vietnam seit mehr als 35 Jahren aber nicht. Herr M. wertet
den Besuch des vietnamesischen Staatspräsidenten als wirtschaftliches Kalkül. „Die
diplomatischen Beziehungen wurden vom Vatikan ja damals abgebrochen. Der Vatikan hat
viele Male die Hand ausgestreckt, aber letztlich ist es eine Frage Chinas: China will
zur Zeit auf keinen Fall diplomatische Beziehungen. Der Präsident der Republik und
hochrangige Delegationen waren mehrfach im Vatikan, aber einfach, weil man das Image
des Vatikans braucht, um die Kreditwürdigkeit des Landes wieder herzustellen, die
völlig ruiniert ist. Ich kann nicht belegen, ob es dort auch Gespräche über finanzielle
Unterstützung gegeben hat, aber in diese Richtung kann es durchaus gehen.“ (rv
23.02.2010 bs/pr)