2010-02-24 16:24:06

Die Anfänge sind wesentlich für das, was sich daraus entwickelt"


RealAudioMP3 Die Kirche muss sich immer wieder von ihren Anfängen her befragen lassen. Das hat der Theologe Gerhard Lohfink an diesem Dienstag bei einem Gastvortrag an der Lateranuniversität in Rom unterstrichen. Den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bildete dabei die Apostelgeschichte des Evangelisten Lukas. Genau dort würde der Beginn der Kirche und ihre bleibenden Momente geschildert. Bei den Erzählungen vom Zusammensein der Apostel handele es sich keinesfalls um eine verklärte Darstellung der frühen Kirche, wie Lohfink betont: Vielmehr gelte es, am Werk des Evangelisten eine Richtschnur für heutiges Kirche-Sein selbst zu finden.

„Die Anfänge sind wesentlich für das, was sich nachher daraus entwickelt. Und Lukas schildert die Anfänge der Kirche. Aber in dieser Schilderung steckt schon sehr sehr viel erfahrung. In dem Augenblick, wo er sein Doppelwerk, also das Evangelium und die Apostelgeschichte schreibt, ist die Kirche bereits 40 jahre lang unterwegs und man hat schon wesentliche Erfahurngen gemacht. Und all diese Erfahrungen hat Lukas zusammen mit den Erfahrungen, die von Jesus her kommen, in seinem Doppelwerk verdichtet. Und deshalb ist das für uns wesentlich. Und wir müssen immer wieder darauf zurückgreifen. Das ist keine Urkirchenromantik, sondern es ist in Bildern und Erzählungen dargestellt, was das Wesen der Kirche ausmacht.“

Die Apostelgeschichte berichtet vom Miteinander der Jünger Jesu, von ihrem Zusammensein in Freuden und Ängsten – von ihrem ganz konkreten Versuch also, christliche Gemeinde zu sein und zu leben. Genau diese Erfahrungen von christlicher Gemeinschaft auch im heutigen Leben zu reflektieren, hat sich der Lehrstuhl zur Aufgabe gemacht, der die Veranstaltung mit Gerhard Lohfink organisiert hat. „Lehrstuhl für die Theologie des Volkes Gottes“ lautet der etwas sperrige Titel. Dahinter steckt aber eine ganz konkrete Beobachtung, sagt uns Ludwig Weimer, Theologieprofessor und Leiter des Lehrstuhls. Oftmals sei den Theologen heute die persönliche Erfahrung abhanden gekommen, was es eigentlich heißen kann, aus der Mitte einer christlichen Gemeinde heraus zu leben.

„Was der Theologie oft fehlt, ist die heutige Erfahrung, die qualitativ dem entspricht, was die Theologie leisten will. Wir haben da nur die Möglichkeit, in die Bibel zurückzublicken, aber wir haben kaum aktuelle Erfahrung, die auf dem gleichen Nibeau ist. Das liegt auch einfach daran, dass die Basis für die Theoloie sich verändert hat. In der Bibel gibt es ein Volk, das ausgezogen ist, gibt es Gemeinden, die sich als messianische Synagogen durchsetzen mussten im Neuen Testament. Aber seit wir eine flächendeckende Seelsorge haben, haben wir viel zu wenige Erfahrungen – auch die Theologen haben relativ wenige Erfahrungen. Sie müssen fast nur aus Büchern leben. Sie können die Mystik im Mittelalter studieren, werden dann Spezialisten – aber echte Kirchenerfahrung ist wirklich schwer.“

Einen Versuch, diese Erfahrungen von Kirche einzuholen, stellen beispielsweise seit den 50er Jahren die sogenannten Basisgemeinden dar. In Deutschland ist eine von ihnen die „Integrierte Gemeinde“ mit Hauptsitz in München. Sie betreibt auch den Lehrstuhl an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom. Warum aber muss man besondere Lehrveranstaltungen über das christliche Gemeindeleben gerade in Rom betreiben? Zwei Punkte sind bezeichnend, so der Verantwortliche des Lehrstuhls. Zum einen biete Rom eine internationale Austauschfläche, die es im christlichen Bereich auf der Welt so nicht noch einmal gebe. Sowohl in Seminaren als auch in Vorlesungen haben Studierende verschiedenster Nationen die Möglichkeit, über ihre konkreten Erfahrungen in den jeweilgen Heimatländern ins Gespräch zu kommen und Perspektiven zu entwickeln. Andererseits könne auch ein kleines Institut wie der „Lehrstuhl für die Theologie des Volkes Gottes“ seine ganz spezifische fachliche Perspektive einbringen:

„Wir müssen uns gar nicht absetzen von Leuten, die zum Beispiel aus einem Orden kommen und die ganze spirituelle Erfahrung mitbringen – sei es als Franziskaner oder als Dominikaner oder Salvatorianer. Wir können aber etwas Spezifisches beitragen. Einfach nämlich die Auseinandersetzung mit der Frage: Wie kann eine Familie heute apostolisch tätig sein. Wie können die Laien, wie können die Frauen in der Kirche tätig sein?“

Durchaus brennende Fragen also, die nicht nur in den internationalen Lehrveranstaltungen vermittelt werden sollen. Vielmehr seien es genau die Erfahrungen aus einem Miteinander von wissenschaftlicher Theolgie und gelebter Gemeinde, die reflektiert werden und im besten Falle ausstrahlen sollen. Mission durch Faszination gewissermaßen, sagt Ludwig Weimer.

„Unser Spezielles ist der Begriff einer Gemeinde, in der man als Laie zusammen mit Priestern durch das Leben der Gemeinde missionarisch tätig sein kann – also durch Faszination. Nicht indem man auf die Straße geht und predigt, sondern einfach, indem man präsent ist. In München zum Beispiel haben wir drei Schulen, wo wir zum größten Teil mit Menschen zu tun haben, die die Kirche von innen nicht kennen. Da hilft es nur, dass die Menschen in der Großstadt wahrnehmen: Da leben mitten in München Christen in einer Gemeinde. Denen vertraue ich mein Kind an – und die helfen mir. Und dieses Vertrauen zu unserem Schulwerk zu unserem Schulwerk kommen dann Eltern in Kontakt und fragen: Was steckt dahinter, was sind die biblischen Werte? Auf diesem Weg sind wir missionarisch – durch Faszination, durch unser Tun.“

(rv 24.02.2010 ds)








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