Immer wieder haben
sich die Päpste im Vatikan Kapellen errichten lassen. Die berühmteste hat Papst Sixtus
IV. 1483 eingeweiht, die Sixtinische Kapelle mit den berühmten Fresken von Michelangelo.
Es waren die Privatkapellen der jeweiligen Päpste, sei es, um dort selbst die Messe
zu lesen oder auch, um sich der Nachwelt in Erinnerung zu rufen. Was viele nicht wissen:
Auch unter Johannes Paul II. wurde eine solche Kapelle neu gestaltet. „Redemptoris
Mater“ heißt sie und wurde im Jahr 1999 zum Goldenen Priesterjubiläums des Papstes
eingeweiht. Benedikt XVI. feiert hier heute täglich die Heilige Messe. Auch finden
hier die Fastenexerzitien statt, die an diesem Samstag im Vatikan begonnen haben.
Gestaltet hat die Kapelle der Jesuit Marko Ivan Rupnik. Seine Mitarbeiterin Nataśa
Govekar erzählt uns, von welchen Gedanken sich der slovenische Künstler bei seiner
Arbeit leiten ließ.
„Der Ausgangspunkt ist die Kuppel. Das Hinaufschauen
in die Höhe weist auf den Himmel hin, der keinen Anfang und kein Ende hat. Dort sieht
man Christus. Von ihm geht alle Offenbarung Gottes aus. Er ist in den Farben blau
und rot gekleidet – ein Zeichen dafür, dass der göttliche Christus sich gewissermaßen
die Menschheit selbst angezogen hat. Und von ihm gehen die vier Arme des Kreuzes aus,
die sich an der Decke und dann fortgesetzt an den Wänden durch den ganzen Raum ziehen
und so die Erdkugel nachbilden. Damit wird deutlich, was schon die Kirchenväter, aber
auch zum Beispiel der orthodoxe Theologe Bulgakov gesagt haben: ‚Gott hat die Welt
schon im Zeichen des Kreuzes erschaffen.’ Und tatsächlich breitet auch hier Gott das
Kreuz über die Welt aus – in Christus, der die einzige Brücke zwischen Gott und den
Menschen ist.“
Blickt man dann von der Kuppel auf die Wände hinunter, stellt
man fest: Eine klassische Abtrennung der einzelnen Bilder gibt es nicht. Es ist vielmehr
ein einziger Teppich aus Mosaiken, der den Betrachter umschließt. Jede Seite der Kapelle
indes bedient einen anderen Schwerpunkt. Im Zentrum der rechten Seitenwand beispielsweise
steht die Menschwerdung Jesu. Eine Vielzahl von Motiven hat Ivan Rupnik hier verarbeitet.
Manche von ihnen springen sofort ins Auge, für andere muss man schon ein Experte der
ostkirchlichen Kunst sein. Wichtig war ihm dabei immer, den Gesamtzusammenhang der
Geschichte Jesu in keinem Bild aus dem Blick zu verlieren.
„In jedem Bild,
das wir betrachten, ist die Einheit von allem mitgedacht. Das heißt, wenn man sagt,
dass Gott geboren ist, dann muss man auch schon sein Sterben und seine Auferstehung
mitdenken. Wenn man den Gekreuzigten sieht, sieht man gleichzeitig schon seine Auferstehung.
Wenn seine Herrlichkeit dargestellt ist, sieht man gleichzeitig die Wunden. Und so
ist das auch im Bild der Menschwerdung. In der Krippe wird Jesus dargestellt als der,
der von den Tieren gefressen wird – Sinnbild dafür, dass wir durch ihn leben können.“
Insgesamt
sind in der Kapelle auf 600 Quadratmetern ca. 6 Millionen Mosaiksteine verbaut. Auf
der linken Wandseite steht das Pfingstereignis im Zentrum. Pfingsten ist das Gründungsdatum
der Kirche. Hier ist es nicht Jesus, der auf Mensch wird und auf die Erde hinuntersteigt.
Es ist vielmehr der der Heilige Geist, der die Menschen zusammenführt, damit sie zu
Gott finden – gewissermaßen in einer Bewegung nach ‚oben’. Nataśa Govekar erläutert:
„Jeder Apostel ist mit einer Farbe bekleidet, die nur er trägt. Genauso,
wie vor Christus jeder von uns einzigartig ist, in seinem Leben und in seiner Beziehung
zu Gott. Aber: Darüber tragen alle einen Mantel, das in der Farbe an den Mantel Christi
erinnert. Mit der Taufe haben wir das Kleid Christi angezogen. Das heißt: In der Kirche
garantiert der Heilige Geist die Vielfalt und es ist Christus, der für die Einheit
steht. Die Einheit in der Vielfalt. Es geht also nicht darum, dass wir vor Gott gleichgeschaltet
sind. Jeder behält seine Farbe. Doch dank der Gnade Gottes dürfen wir eins sein in
Christus.“
Die Rückseite des quadratischen Raums ist mit einer Darstellung
der Verwandlung Christi ausgefüllt. Gleichzeitig erscheint Christus als der Richter.
Aus verschiedenen Teilen der Erde, aus allen Zeiten, aus den vielfältigsten Lebensumständen
kommen die Menschen vor Christus. Dabei sind biblische Motive von Leben und Tod, von
Erlösung und Untergang im Spiel. Es dominieren aber die Bilder, in denen sich die
Hoffnung manifestiert, dass Gott uns rettend entgegenkommen wird – so, wie er es schon
bei Noah und Mose getan hat. Mit dieser Zuversicht im Rücken, kann man, im Eingang
der Kapelle stehend, auf das zentrale Mosaik an der Stirnseite blicken. Das himmlische
Jerusalem ist es, auf das alle Verkündigung der Kirche hinzielt. Und wir können es,
gemeinsam mit Papst Johannes Paul II. bei der Einweihung der Kappelle, in den Blick
nehmen. „Auf der Wand vor uns hebt sich die heilige Stadt ab, sie
»hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren [und zwölf Engeln] darauf« (Offb 21,12).
Über ihr erstrahlt die Glorie der Dreifaltigkeit, die sich über der Schar der Seligen
ergießt, die etwas weiter unterhalb in Dreiergruppen gleichsam als lebende Ikonen
des großen Geheimnisses dargestellt wird.“
Die Seligen
sitzen im himmlischen Jerusalem zusammen am Tisch. Und nicht nur sie. Vertreter aller
Kirchen halten gemeinsam Mahl. Eine große ökumenische Vision – weit über die Grenzen
Roms hinaus.