Die Kontroverse um
die Bemerkungen der deutschen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
zu den Aufklärungsbemühungen der katholischen Kirche hat mit dem Ultimatum vom Vorsitzenden
der deutschen Bischofskonferenz Erzbischof einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Erzbischof
Robert Zollitsch gebe ihr 24 Stunden, die mittels falscher Tatsachenbehauptungen getroffenen
Polemisierungen zurückzunehmen.
Die Justizministerin hatte am Montagabend in
den ARD Tagesthemen festgestellt, sie habe nicht den Eindruck, dass die Kirche mit
den Strafverfolgungsbehörden zusammen arbeiten wolle. Dies wies Zollitsch klar mit
Verweis auf die Richtlinien zurück.
Gegen den von der Justizministerin geforderten
Zwang zur Anzeige gibt es klare Einwände, und zwar nicht von Seiten der Kirche. Dietfried
Scherer ist Stiftungsdirektor der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg und ist einer
der Fachleute, die von der deutschen Bischofskonferenz zu Rate gezogen wurden:
„Es
gab ja mal Überlegungen, Übergriffe im sexuellen Bereich tatsächlich als Offizialdelikt
zu verfolgen, das heißt, eine Anzeigenpflicht einzuführen. Gewarnt davor haben die
Kinderschutzbunde. Und die Argumentation war die: in dem Augenblick, wo das eingeführt
wird, wird sich ein Opfer nicht mehr offenbaren.“
Im Gespräch mit Radio
Vatikan betont er die verschiedenen Schritte, die in Sachen Prävention getan werden
müssen. Zuerst müsse man mit allen Lehrkräften, Priestern und anderen über die Verunsicherung
sprechen, die mittlerweile herrsche:
„Was darf ich noch, was darf ich nicht
mehr, Dinge, die selbstverständlich und unproblematisch waren, sind es heute nicht
mehr, weil wir eventuell mit ganz anderem Blick draufschauen. Ich rede jetzt nicht
von tatsächlichen Übergriffen, sondern ich rede von der Art und Weise, wie in Klassenzimmern,
wie in der Schule miteinander gelernt und gearbeitet wird. Diese Verunsicherung –
wo ist meine Grenze als Pädagoge, wo ist meine Grenze als Priester?“
Dies
sei vor allem ein Thema, das in der Ausbildung vorkommen müsse. Zur Prävention gehöre
auch, in den Schulen dafür zu sorgen, dass Schüler lernen, über Sexualität und ihre
Empfindungen zu reden, damit sie artikulieren können, wenn ihnen etwas komisch vorkommt.
Für die Kinder sei aber auch eine Institution wichtig, mit denen sie sprechen können,
noch vor jeder Strafverfolgung:
„Dann gehört zur Primärprevention dazu,
dass sie Ansprechpartner haben, mit denen sie darüber reden können, Ansprechpartner
ihres Vertrauens. Das ist das, was wir an den Schulen machen. Und aus der Bischofskonferenz
nehme ich mit, dass hier eine ganz große Ernsthaftigkeit in der Behandlung mit dem
Thema da ist und dass man sich tatsächlich überlegt, wo man noch besser werden kann
– und ich glaube, dass es immer Punkte gibt, wo man besser werden kann.“
Viele
Institutionen würden jetzt aber unsicher reagieren, weil nicht klar sei, was in der
eigenen Geschichte noch alles für Fälle verborgen sind.
„Das ist in der
Tat ein Problem, dass die Frage ist `was war bei uns`? Vielleicht erscheint ja jetzt
einiges, was man bisher als unproblematisch angesehen hat, in einem anderen Licht.
Es ist sicher richtig, sich damit zu befassen und ich gehe nicht davon aus, dass es
keine weiteren Fälle geben wird, die in diesem Zeitraum von vor 40 Jahre, 30 Jahre,
20 Jahren anzusiedeln sind. Aber sehr viel wichtiger für die Schulen ist zu sagen,
wo sie heute stehen, ob sie diese Thematik ernst nehmen, ob sie sich damit beschäftigen
und ob sie da gut aufgestellt sind.“