2010-02-24 12:50:46

Missbrauchsfälle: Gegen Zwang zur Anzeige


RealAudioMP3 Die Kontroverse um die Bemerkungen der deutschen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu den Aufklärungsbemühungen der katholischen Kirche hat mit dem Ultimatum vom Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz Erzbischof einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Erzbischof Robert Zollitsch gebe ihr 24 Stunden, die mittels falscher Tatsachenbehauptungen getroffenen Polemisierungen zurückzunehmen.

Die Justizministerin hatte am Montagabend in den ARD Tagesthemen festgestellt, sie habe nicht den Eindruck, dass die Kirche mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen arbeiten wolle. Dies wies Zollitsch klar mit Verweis auf die Richtlinien zurück.

Gegen den von der Justizministerin geforderten Zwang zur Anzeige gibt es klare Einwände, und zwar nicht von Seiten der Kirche. Dietfried Scherer ist Stiftungsdirektor der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg und ist einer der Fachleute, die von der deutschen Bischofskonferenz zu Rate gezogen wurden:

„Es gab ja mal Überlegungen, Übergriffe im sexuellen Bereich tatsächlich als Offizialdelikt zu verfolgen, das heißt, eine Anzeigenpflicht einzuführen. Gewarnt davor haben die Kinderschutzbunde. Und die Argumentation war die: in dem Augenblick, wo das eingeführt wird, wird sich ein Opfer nicht mehr offenbaren.“

Im Gespräch mit Radio Vatikan betont er die verschiedenen Schritte, die in Sachen Prävention getan werden müssen. Zuerst müsse man mit allen Lehrkräften, Priestern und anderen über die Verunsicherung sprechen, die mittlerweile herrsche:

„Was darf ich noch, was darf ich nicht mehr, Dinge, die selbstverständlich und unproblematisch waren, sind es heute nicht mehr, weil wir eventuell mit ganz anderem Blick draufschauen. Ich rede jetzt nicht von tatsächlichen Übergriffen, sondern ich rede von der Art und Weise, wie in Klassenzimmern, wie in der Schule miteinander gelernt und gearbeitet wird. Diese Verunsicherung – wo ist meine Grenze als Pädagoge, wo ist meine Grenze als Priester?“

Dies sei vor allem ein Thema, das in der Ausbildung vorkommen müsse. Zur Prävention gehöre auch, in den Schulen dafür zu sorgen, dass Schüler lernen, über Sexualität und ihre Empfindungen zu reden, damit sie artikulieren können, wenn ihnen etwas komisch vorkommt. Für die Kinder sei aber auch eine Institution wichtig, mit denen sie sprechen können, noch vor jeder Strafverfolgung:

„Dann gehört zur Primärprevention dazu, dass sie Ansprechpartner haben, mit denen sie darüber reden können, Ansprechpartner ihres Vertrauens. Das ist das, was wir an den Schulen machen. Und aus der Bischofskonferenz nehme ich mit, dass hier eine ganz große Ernsthaftigkeit in der Behandlung mit dem Thema da ist und dass man sich tatsächlich überlegt, wo man noch besser werden kann – und ich glaube, dass es immer Punkte gibt, wo man besser werden kann.“

Viele Institutionen würden jetzt aber unsicher reagieren, weil nicht klar sei, was in der eigenen Geschichte noch alles für Fälle verborgen sind.

„Das ist in der Tat ein Problem, dass die Frage ist `was war bei uns`? Vielleicht erscheint ja jetzt einiges, was man bisher als unproblematisch angesehen hat, in einem anderen Licht. Es ist sicher richtig, sich damit zu befassen und ich gehe nicht davon aus, dass es keine weiteren Fälle geben wird, die in diesem Zeitraum von vor 40 Jahre, 30 Jahre, 20 Jahren anzusiedeln sind. Aber sehr viel wichtiger für die Schulen ist zu sagen, wo sie heute stehen, ob sie diese Thematik ernst nehmen, ob sie sich damit beschäftigen und ob sie da gut aufgestellt sind.“

(rv 24.02.2010 ord)







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