Irland: In Sachen Missbrauch schon etwas weiter...
Vielleicht ist Irland
in Sachen Missbrauch durch Priester schon ein wenig weiter als Deutschland. Die Welle
der Empörung schwappte schon vor einigen Jahren über die Insel, und ausführlich haben
sich inzwischen kirchliche wie staatliche Kommissionen mit dem Phänomen beschäftigt.
Vergangene Woche waren Irlands Bischöfe beim Papst. Dominik Skala hat mit unserer
irischen Kollegin Emer Mc Carthy gesprochen, wie sie die Gespräche in Rom einschätzt,
aber auch über die Rolle der Kirche im Land und die notwendige Schritte, die jetzt
folgen müssen.
„Ich glaube, kein irischer Katholik kann über die gegenwärtige
Situation froh sein. Wir sprechen von einer Situation, die man nur als Tragödie bezeichnen
kann. Und ich glaube, dass man als irischer Katholik sagen kann, dass der Umgang der
Kirche mit den Missbrauchsfällen, besonders seitens der Bischöfe, sehr unverständlich
war. Beim Treffen mit Papst Benedikt haben die Bischöfe zum ersten Mal gemeinsam bekannt,
dass sie im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen hätten besser agieren müssen und
dass sie in der Vergangenheit Vieles nicht ernst genug genommen haben. Das ist sicherlich
als positiver Aspekt des Treffens zu betrachten. Es gilt wohl auch das, was Bischof
Duffy gesagt hat: Zu lange hat es in der irischen Kirche eine Kultur der Geheimhaltung
gegeben. Und genau das ist dafür mit verantwortlich, warum es soviel Leid in der irischen
Kirche gegeben hat.“ Das Treffen der Bischöfe mit dem Papst also als Wendepunkt?
Es
gab schon einen Wendepunkt, und zwar vor 17 Jahren. Damals haben die Bischöfe Leitlinien
zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche verabschiedet, und diese Leitlinien
sind deutlich strikter als jene im staatlichen Bereich. Es wurde eine unabhängige
Expertenkommission eingesetzt, die sicherstellen sollte, dass der sexuelle Missbrauch
von Kindern in Irland nie wieder passiert. Was ich mir von dieser Woche erhoffe, ist
die Tatsache, dass die Bischöfe verstehen, wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen
und mit einer gemeinsamen Vision zu arbeiten. Sie sind nun einmal die Führer der irischen
Kirche, und bisher haben sie ihre bischöfliche Verantwortung im Umgang mit dem Kindesmissbrauch
nur sehr unzureichend wahrgenommen. Wie hat die irische Öffentlichkeit die
Gespräche beim Papst aufgenommen? Was beurteilen die Medien die Ergebnisse des Krisengipfels?
Das
ist ein schwieriger Punkt. Die Bischöfe haben den größten Teil der letzten zehn Jahre
damit verbracht, sich für ihre Fehler zu entschuldigen. Das Problem ist, dass das
nicht immer sehr glücklich gegenüber der irischen Öffentlichkeit kommuniziert worden
ist. In Irland ist die Presse zurzeit ziemlich antikirchlich eingestellt. Vielleicht
auch zu recht. Wer die entsprechenden Untersuchungen gelesen hat, der muss betroffen
sein. Und die Tatsache, dass die Bischöfe eben nicht alles in ihrer Macht stehende
getan haben, hat eine große Wut in der irischen Öffentlichkeit heraufbeschworen. Und
eine große Verzweiflung und Demütigung unter den irischen Katholiken. Was
kann die Kirche denn tun in dieser Situation? Was sind Schritte, um verlorenes Vertrauen
innerhalb der Kirche wieder herzustellen?
Die derzeitigen Bischöfe tun gerade
sicherlich ihr Bestes, der Öffentlichkeit zu erklären, dass sie Abbitte leisten und
zu den Wurzeln des Glaubens zurückkehren wollen – nämlich zu predigen und mit den
Leuten zu beten. Es besteht die große Hoffnung, dass auch in Irland die Laien mehr
auch in die Kirchenleitung zumindest eingebunden werden. Kardinal Sean Brady hat gesagt,
man wolle endlich Pfarrgemeinderäte einführen – bisher gibt es die in Irland gar nicht.
Also, ich denke, wir können nach vorne blicken, aber es wird sehr lange dauern. Was
muss passieren, dass die Kirche in der irischen Gesellschaft auch zukünftig noch eine
Rolle spielen kann?
„Ich persönlich glaube, dass die Zukunft der irischen
Kirche von einer Sache abhängt: Erziehung, Erziehung, Erziehung. Das mag gerade jetzt
seltsam klingen, aber genau das ist der Knackpunkt. Zwar nennen sich beispielsweise
neunzig Prozent der irischen Grundschulen ‚katholisch’, aber faktisch ist das Niveau
der religiösen Erziehung ziemlich niedrig. Das schwächt den Glauben – und erschüttert
ihn natürlich bei einem Skandal wie dem aktuellen. Was die Bischöfe also tun müssen,
ist: die Laien weiterzubilden über den Glauben. Wissen bestärkt die Menschen und trägt
dazu bei, dass sie ihre Stimme erheben: in der Kirche und in der Gesellschaft. Und
das andere ist: Die Kirche muss sich ein bisschen aus der öffentlichen Verantwortung
zurückziehen. Über Jahrhunderte war nicht nur das Schul-, sondern auch das Gesundheitswesen
ganz in kirchlicher Hand. Was wir tun müssen ist, mehr auf Qualität als auf Quantität
zu setzen und gleichzeitig immer wieder herausstellen, was die Mitte unseres Glaubens
ist.“ (rv 19.02.2010 ds)