Missbrauch, ein Zwischenbericht.
An diesem Donnerstagmittag legte die Rechtsanwältin Ursula Raue, die vom Jesuitenorden
als unabhängige Sachbearbeiterin mit Aufklärung der Fälle betraut worden war, erste
Ergebnisse vor.
„Was jetzt hier über uns hereingebrochen ist, das hat eine
Dimension angenommen, die bisher nicht zu erahnen war.“
So kommentierte
Ursula Raue das vorläufige Ergebnis ihrer Untersuchungen zu den Missbrauchsfällen
an Jesuitenschulen in Deutschland. 115 Missbrauchsopfer hätten sich inzwischen bundesweit
bei ihr gemeldet, so Raue. Zwölf Jesuitenpatres seien namentlich beschuldigt worden.
Auch zwei Frauen sowie andere Lehrer und Bedienstete des Kollegs würden des Missbrauchs
beschuldigt. Der größte Teil der Opfer habe das Canisius-Kolleg in Berlin besucht.
Unter den Opfern seien auch frühere Schülerinnen, so Raue. Zudem hätten sich ehemalige
Schüler gemeldet, die nicht an Jesuiten-Schulen waren. „Es gibt Verfehlungen und Wunden,
die heilen offenbar nicht. Und diese Wunden gehören dazu“. Die Rechtsanwältin:
„Wir
reden nicht von brutaler Vergewaltigung, sondern von Anfassen, von Selbstbefriedigung,
von Streicheln, von zu großer körperlicher Nähe.“
Ihr lägen Informationen
über Opfer vor, die sich das Leben genommen hätten, fuhr Raue fort. Erstaunlich sei,
dass es in den Personalakten des Jesuitenordens, die sie ausgewertet hat, an keiner
Stelle um das Seelenleben der Kinder gehe, so die Rechtsanwältin weiter. In den nächsten
Tagen werde ein Arbeitsstab gegründet, um alle Fälle aufzuarbeiten. Dem Großteil der
Opfer gehe es nicht um eine finanzielle Entschädigung. Viele seien erleichtert darüber,
dass sie ihre Geschichte endlich, das heißt gut 20 Jahre nach den Vorfällen selbst,
erzählen können. Sie gehe davon aus, dass alle Taten verjährt seien, so Raue. Unterdessen
hat das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz angekündigt, dass sich ihr Vorsitzender,
Erzbischof Robert Zollitsch, am Montag zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung der
Bischöfe in Freiburg öffentlich zu den Missbrauchsfällen äußern wird.