Kurt Biedenkopf feierte
in diesen Tagen seinen achtzigsten Geburtstag. Er fordert von der deutschen Politik
eine Rückbesinnung auf die katholische Soziallehre. Sie gehöre zum Fundament der CDU,
so der frühere Ministerpräsident von Sachsen im Gespräch mit unserem Redakteur Aldo
Parmeggiani. Allerdings nehme der Einfluß der Soziallehre derzeit deutlich ab, und
das habe negative Auswirkungen auf die Gesellschaft:
„Zu den entscheidendsten
Momenten der katholischen Soziallehre gehört in meinen Augen das Prinzip der Subsidiarität.
Das heißt: den kleinen Lebenskreisen Raum geben, angefangen bei der Familie - genug
Raum geben, um die Leistung, die sie selbst erbringen können, auch zu erbringen. Wir
haben dieses Prinzip praktisch abgeschafft. Wir haben in den Sozialsystemen eine hochgradige
Zentralisation und damit Anonymisierung und Bürokratisierung - mit der Folge, dass
die Menschen untereinander nicht mehr wissen, wer etwas für wen leistet, und aus diesem
Grunde alle vom Staat Leistungen verlangen. Ohne das Subsidiaritätsprinzip ist eine
wirklich gute, soziale Ordnung nicht zu verwirklichen!“
Biedenkopf spricht
der Religion weiterhin eine wichtige Rolle in der deutschen Gesellschaft zu: Die Menschen
verlagern nach seiner Beobachtung die „Suche nach der Sinngebung des Lebens“ langsam
„von der materiellen auf die nicht materiellen Dinge“.
„Wenn heute junge
Leute gefragt werden, was ihnen das Wichtigste ist, dann sagen sie nicht Einkommen
oder Wohlstand, sondern Familie, Freunde, ein gutes und friedliches Zusammenleben.
Viele erwähnen auch die Religionen, aber sie realisieren möglicherweise noch nicht,
dass es eigentlich der Glaube ist, der ihnen dauerhafte Stabilität verleihen kann.
In dem Begriff Religion verbirgt sich eben nicht nur der Glaube, sondern auch die
Organisation. Und da gibt es erhebliche Spannungen und Schwierigkeiten. Viele Menschen
sind gläubig, ohne sich Christen zu nennen. Ich habe viele Erfahrungen mit dieser
fast dialektischen Situation gemacht...“
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